Schattenblick → INFOPOOL → SPORT → BOXEN


MELDUNG/1909: Wer fürchtet sich vorm schwarzen Mann? (SB)



Tony Thompson will es mit Luis Ortiz aufnehmen

Der kubanische Schwergewichtler Luis Ortiz hat endlich einen Gegner gefunden, der es wagt, mit ihm in den Ring zu steigen. Am 5. März trifft er in Washington D.C. auf den Lokalmatador Tony Thompson, der 2008 und 2012 in Titelkämpfen gegen Wladimir Klitschko den kürzeren gezogen hat. Die Veranstaltung wird im Rahmen des Formats "Boxing After Dark" vom Sender HBO übertragen. Der 36jährige Kubaner ist in 24 Kämpfen ungeschlagen und verteidigt den Titel des Interimsweltmeisters der WBA zum zweiten Mal. Für den ebenfalls in der Rechtsauslage boxenden 44 Jahre alten US-Amerikaner stehen 40 Siege und sechs Niederlagen zu Buche.

Am 19. Dezember hatte der in Miami lebende Ortiz den namhaften Herausforderer Bryant Jennings eindrucksvoll in der siebten Runde besiegt. Die überraschende Dominanz des 1,93 m großen und rund 112 kg schweren Kubaners schien die Konkurrenz abgeschreckt zu haben, da sich die Suche nach dem nächsten Kontrahenten wochenlang ergebnislos hinzog. Nach Angaben der Golden Boy Promotions, mit denen der unter dem Namen "The Real King Kong" auftretende Ortiz vertraglich verbunden ist, hatten Andy Ruiz, Andrej Fedosow, Carlos Takam, Alexander Ustinow und der ehemalige WBC-Weltmeister Bermane Stiverne nach diesbezüglichen Anfragen abgewinkt. Als schließlich mit dem Russen Alexander Dimitrenko eine Übereinkunft erzielt worden war, legte dieser nach seiner mündlichen Zusage plötzlich mit einer höheren Börsenforderung nach, die zum Abbruch der Verhandlungen führte. Boshafte Zungen mutmaßten daraufhin, Dimitrenko habe sich wohl zwischenzeitlich die Videoaufzeichnung des Kampfs zwischen Ortiz und Jennings zu Gemüte geführt.

Als dann auch noch der frühere WBC-Champion Samuel Peter vergeblich gefragt worden war, ob ihn ein Kampf gegen Ortiz nicht reizen könnte, fiel die Wahl auf Tony Thompson. Hellhörig geworden, hatte sich der Veteran zu Wort gemeldet und sein Interesse bekundet. Wie sein Manager Mike Borao versichert, habe es nach Eingang des Angebots keine 24 Stunden gedauert, bis man sich handelseinig geworden sei. Er freue sich für Tony, der im Laufe seiner Karriere zumeist unterschätzt worden sei, obgleich er das Beste aus jeder Chance mache. Wer Ortiz für den schwarzen Mann halte, vor dem sich alle fürchten, habe wohl vergessen, daß Tony derjenige gewesen sei, gegen den keiner kämpfen wollte. Thompson sei das Original, und wie jeder wisse, sei das Original besser als die Kopie, redet Borao seinen Boxer stark.

Luis Ortiz scheint freilich nicht einmal zu interessieren, daß sein Gegner in Washington Heimvorteil genießt. Dieser Kampf sei nichts weiter als der nächste Schritt auf seinem Weg, an dessen Ende er sämtliche Titel im Schwergewicht zusammenführen werde, so der Kubaner. Er sei in dieses Land gekommen, um seinen amerikanischen Traum zu verwirklichen, und dank dieses Auftritts in der Hauptstadt werde bereits ein Teil davon wahr. So komme er dem Ziel immer näher, für das er in seiner Karriere hart gearbeitet habe. Daß es die kubanische Gesellschaft war, die seine sportliche Laufbahn bis hin zum erfolgreichen Amateurboxer möglich gemacht hatte, ließ er wie all seine Landsleute unerwähnt, die in den USA die Ernte privatisieren, als habe es nie eine kollektive Aussaat und sorgsame Pflege seines Talents in Kuba gegeben.

Tony Thompson zeigt sich glücklich, zu HBO zurückzukehren und erneut um einen Titel zu kämpfen. Vergleiche man seine früheren Gegner mit denen des Kubaners, könne dieser nicht annähernd mithalten. Man kämpfe schließlich nicht unter Amateuren, und so werde er seine gesammelte professionelle Erfahrung in die Waagschale werfen, um Ortiz in Sphären zu entführen, die ihm völlig fremd seien. Das sind zwar vollmundige Worte für einen Kandidaten, der vier seiner letzten acht Kämpfe verloren hat. Andererseits erwies er sich für jeden Gegner als eine recht harte Nuß und konnte in jüngerer Zeit für einige faustdicke Überraschungen sorgen.

So trat er zweimal in Folge in Liverpool gegen das aufstrebende Nachwuchstalent David Price an und schickte den Favoriten in beiden Fällen geschlagen auf die Bretter. Und er verhinderte nicht nur den Aufstieg des Briten, sondern beendete auch die Karriere des vordem hochgeschätzten Kubaners Odlanier Solis, den er zunächst nach Punkten besiegte und dann bei der Revanche in der Türkei - sehr zum Leidwesen des dort heimischen Promoters Ahmed Öner - in der achten Runde vorzeitig ausschaltete. Bei seinem letzten Auftritt mußte sich Thompson allerdings am 30. Oktober in einem Kampf über zehn Runden Malik Scott nach Punkten geschlagen geben. Er habe mit Solis einen großartigen kubanischen Amateurboxer und Olympiasieger zweimal in die Schranken gewiesen, so der US-Amerikaner. Zudem habe er fast immer kurzfristig Kämpfe angenommen und sei häufig im Ausland angetreten. Wenn sich Ortiz für King Kong halte, sei er selbst Godzilla und werde dem Burschen kräftig in den Hintern treten, macht sich Thompson um die Bewerbung ihres gemeinsamen Auftritts verdient.

Das hört auch der Vizepräsident der Golden Boy Promotions, Eric Gomez, gern, der seinerseits darauf abhebt, wie gefährlich Thompson sei und wie sehr er sich diesen Kampf gewünscht habe. Tony sei ein Schwergewichtler erste Güte und habe diverse eindrucksvolle Siege gefeiert, so daß man sich zweifellos auf einen hochklassigen Kampf freuen könne. [1]


Fußnote:

[1] espn.go.com/boxing/story/_/id/14742321/luis-ortiz-defend-heavyweight-title-vs-tony-thompson

14. Februar 2016


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang