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MELDUNG/1920: Haferbrei statt Sahnetorte (SB)



Billy Joe Saunders hat sich Max Bursak ausgesucht

Billy Joe Saunders geht den Weg des geringsten Widerstands. Der in 23 Kämpfen ungeschlagene WBO-Champion im Mittelgewicht hat ein siebenstelliges Angebot ausgeschlagen, sich am 23. April in einem Duell zweier Weltmeister mit Gennadi Golowkin zu messen. Statt dessen zieht Saunders eine freiwillige Titelverteidigung gegen Max Bursak am 30. April in der Londoner Copper Box Arena vor, wie sein Promoter Frank Warren auf einer Pressekonferenz in der Hauptstadt angekündigt hat.

Dem war ein regelrechter Eiertanz des Briten vorausgegangen. Nachdem Golowkins Team aufgrund des Scheiterns der Gespräche einen Kampf gegen den Pflichtherausforderer Dominic Wade vereinbart hatte, rief Saunders den Kasachen wenige Tage später zu einem Vereinigungskampf auf, als habe er nicht selbst gerade diese hochkarätige und lukrative Option ausgeschlagen. Nun ist die enttäuschende Wahl des WBO-Weltmeisters auf Bursak gefallen, der drei seiner letzten sechs Kämpfe binnen zwei Jahren verloren hat.

Wie Saunders dennoch erklärte, gebe es im Boxen keine problemlosen Aufgaben, weshalb er diesen Herausforderer nicht auf die leichte Schulter nehmen werde. Bursak sei ein sehr guter und gefährlicher Gegner, den er nur in Bestform bezwingen könne, wolle er nicht bereits bei seiner ersten Titelverteidigung scheitern. Er habe lange und hart dafür gearbeitet, um seinen aktuellen Rang als Champion zu erreichen. Nun richte er den Blick auf die bedeutenden Kämpfe wie jenen gegen Golowkin, die vor ihm lägen. Deshalb werde er in ausgezeichneter Verfassung antreten und Bursak den schwersten Gang abnötigen, den dieser je erlebt habe. Daß der Herausforderer noch nie vorzeitig verloren habe, verschaffe ihm den besonderen Anreiz, Bursak erstmals geschlagen auf die Bretter zu schicken, so Saunders.

Der 31jährige Ukrainer Max Bursak, für den 32 Siege, vier Niederlagen sowie ein Unentschieden zu Buche stehen, war früher Europameister im Mittelgewicht und wird derzeit an Nummer elf der WBO-Rangliste geführt. Wenngleich er noch nie einen Gegner der Spitzenklasse besiegt hat, stand er doch immerhin mit erfahrenen Kontrahenten wie Hassan N'Dam im Ring, dem er sich 2012 im Kampf um einen Interimstitel knapp nach Punkten geschlagen geben mußte. Zudem zog er auch gegen Martin Murray und Jarrod Fletcher den kürzeren, die beide schon einmal um einen Titel gekämpft haben.

Bursak dankte Billy Joe Saunders für diese Gelegenheit, um die Weltmeisterschaft gegen ihn zu kämpfen, und bedauerte den Briten zugleich, weil dies dessen erste und letzte Titelverteidigung sein werde. Er könne dem Champion nur raten, besonders hart zu trainieren und sich gut vorzubereiten, da er andernfalls vorzeitig die Segel streichen müsse. Verlieren werde Saunders auf jeden Fall, so der Ukrainer, der London nicht ohne den Gürtel verlassen will. [1]

Ungeachtet solch markiger Worte, wie sie auf Pressekonferenzen mehr oder minder obligatorisch sind, ist die Wahl des Weltmeisters doch noch schlimmer ausgefallen, als ohnehin zu befürchten stand. Daß er Golowkin aus dem Weg geht, ist nur zu verständlich, da ihn der Kasache binnen weniger Runden jagen, stellen und erledigen würde. Dennoch hätte man sich einen etwas stärkeren Herausforderer als Bursak gewünscht, der in den letzten beiden Jahren auf dem absteigenden Ast zu sein schien. Für Saunders ist dies offenbar insofern eine optimale Gelegenheit, als der Ukrainer einerseits wie eine leichte Beute wirkt und andererseits aufgrund seiner Position unter den Top 15 von der WBO nicht als Herausforderer abgelehnt werden kann. Die Diskussion um die Aussagekraft der Rangliste dieses Verbands soll an dieser Stelle nicht geführt werden, hieße das doch einmal mehr, vor einem Rätsel zu stehen.

Der 26jährige Brite hatte den Titel am 19. Dezember in Manchester gewonnen, als er den Iren Andy Lee in der dritten Runde zweimal niederschlag und den restlichen Kampf vor ihm davonlief, den er dennoch nach Punkten gewann. Offenbar fürchtete Saunders nicht nur den berüchtigten rechten Haken, mit dem Lee schon so manchen verloren scheinenden Kampf aus dem Feuer gerissen hatte. Vielmehr ging dem Herausforderer auch bereits nach wenigen Runden sichtlich die Luft aus, was damit zusammenhängen mochte, daß er vor dem Kampf jede Menge Gewicht abgekocht haben dürfte.

Bei seinem vorangegangenen Auftritt gegen den weithin unbekannten Yoann Bloyer im Juli 2015 hatte Saunders wie ein Cruisergewichtler ausgesehen. Schon bei seinem Sieg über den britischen Rivalen Chris Eubank jun. im November 2014 ließ er nach sechs Runden gravierende Konditionsprobleme erkennen, so daß sich längst die Frage stellt, wie es grundsätzlich um sein Durchhaltevermögen über die volle Distanz bestellt ist, die mit zunehmendem Alter nicht besser werden dürfte.

Daher sind viele Kritiker des Briten der Ansicht, daß er als Weltmeister im Mittelgewicht nur eine vorübergehende Erscheinung sein wird. Wenngleich nicht auszuschließen ist, daß er sich noch für eine gewisse Frist mit relativ schwachen Herausforderern über Wasser halten kann, ist doch nicht abzusehen, wie er einem hochklassigen Gegner wie Gennadi Golowkin standhalten sollte. Ob es tatsächlich dazu kommt, steht ungeachtet aller diesbezüglichen Äußerungen des WBO-Champions in den Sternen. Im schlimmsten Fall schlägt selbst der als Kanonenfutter verpflichtete Max Bursak Kapital aus der Konditionsschwäche des Titelverteidigers, der dann sicher zutiefst bedauern würde, nicht eine Niederlage gegen Golowkin vorgezogen zu haben, die wenigstens fürstlich entlohnt worden wäre. [2]


Fußnoten:

[1] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/14919412/billy-joe-saunders-defend-middleweight-title-max-bursak

[2] http://www.boxingnews24.com/2016/03/billy-joe-saunders-vs-max-bursak-april-30-london-uk/#more-206351

8. März 2016


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