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MELDUNG/1930: Weise Entscheidung im rechten Augenblick (SB)



Ola Afolabi hängt die Boxhandschuhe an den Nagel

Vor wenigen Tagen hat Ola Afolabi anläßlich seines 36. Geburtstags den Rücktritt vom aktiven Boxsport bekanntgegeben. Afolabi, der nigerianische Wurzeln hat, britischer Staatsbürger ist und seit langem in Los Angeles lebt, ist vor allem für seine vier spannungsgeladenen Kämpfe gegen Marco Huck im Cruisergewicht bekannt. Wie er in einer ausführlichen Nachricht an seine Fans auf seiner Facebook-Seite schreibt, sei er vor ungefähr 16 Jahren ohne jegliche Vorerfahrungen in eine Boxschule in Hollywood gestolpert und dabei geblieben. Er habe jeden Tag hart trainiert und seinen Lebensunterhalt als Diskjockey in einem schäbigen Klub oder Nachtportier in einem Hostel verdient, wo er ein Zimmer mit sechs ausländischen Studenten teilen mußte.

Zwei Jahre lang sei er im Gym unter anderem Sparringspartner von Weltmeistern wie James Tony, Francois Botha oder Julio Gonzales gewesen, bis ihn schließlich 2002 die Manager Victor Martinez und Pedro Rosado entdeckt hätten. Die beiden hätten ihm eine Wohnung besorgt und seinen Lebensunterhalt sichergestellt, wofür er ihnen ewig dankbar sein werde. Er wünsche so sehr, daß der kürzlich verstorbene Rosado noch bei ihnen sei, und man gemütlich beim Essen zusammensitzen, in Erinnerungen schwelgen und über seine Karriere lachen könne.

Afolabi, für den 22 Siege, fünf Niederlagen und vier Unentschieden zu Buche stehen, bestritt 2002 seinen ersten Profikampf und nahm in der Folge eine zunächst recht durchwachsene Laufbahn in Angriff. Er arbeitete sich jedoch zäh nach oben und wurde schließlich 2009 durch einen Sieg über den Waliser Enzo Maccarinelli Interimsweltmeister der WBO. Schon in seinem nächsten Kampf eröffnete sich ihm die Chance, den amtierenden Weltmeister Marco Huck herauszufordern, dem er im Dezember 2009 in einem über weite Strecken ausgeglichenen Gefecht nach Punkten unterlag.

Bei der Revanche im Mai 2012 wäre Afolabi um ein Haar der Titelgewinn gelungen, doch endete dieses Duell mit einem für Huck glücklichen Unentschieden. Im Juni 2013 trafen die Dauerrivalen dann zum dritten Streich aufeinander, bei dem sich der Champion knapp nach Punkten durchsetzen konnte. In seinem letzten Kampf nahm es der Brite noch einmal mit Marco Huck auf, der zuvor seinen Gürtel verloren hatte. Dabei mußte sich Afolabi am 27. Februar in der zehnten Runde geschlagen geben.

Wenngleich er mit keiner außergewöhnlichen K.o.-Quote aufwarten konnte, war er doch für die Wucht seiner Treffer gefürchtet. Mehrere Schulterverletzungen und eine Netzhautablösung führten zu einer langen Zwangspause zwischen 2005 und 2008. Wie Afolabi schreibt, habe er dadurch seine besten Jahre als Boxer verloren. Diese Unterbrechung hinderte ihn jedoch nicht dauerhaft daran, seinem Metier nachzugehen. Zugleich war er ein begehrter Sparringspartner, der unter anderem mit den Schwergewichtlern Wladimir Klitschko und Tyson Fury zusammenarbeitete.

Nach seiner ersten Niederlage gegen Marco Huck unterschrieb er bei den K2 Promotions der Brüder Klitschko, worauf deren Geschäftsführer Tom Loeffler die Gestaltung seiner Karriere übernahm. Zuvor hatte der Brite enorme Probleme gehabt, überhaupt einen angemessenen Gegner zu finden, der auch bereit war, sich mit ihm zu messen. Fast schon zu spät in seiner Laufbahn kümmerte sich nun erstmals ein Promoter ernsthaft darum, ihm regelmäßige Auftritte zu verschaffen.

Da sein Timing und seine Reflexe nachgelassen hätten, halte er es nun für geboten, die Boxhandschuhe an den Nagel zu hängen. Er habe sich auf den letzten Kampf gegen Huck intensiv vorbereitet und sein Bestes gegeben, aber in den entscheidenden Situationen nicht mehr mithalten können. Boxen habe ihn viel gekostet, ihm aber auch vieles gegeben. Wenn er seine Idole James Toney und Roy Jones sehe, die trotz verwaschener Sprache und Gleichgewichtsproblemen für vergleichsweise geringe Summen immer noch im Ring stünden, bestärke ihn das um so mehr in der Überzeugung, es nicht so weit kommen zu lassen. [1]

Wenngleich Afolabi durchaus noch in der Lage sein dürfte, sich für eine gewisse Frist gegen schwächere Gegner als Marco Huck durchzusetzen, ist das Cruisergewicht doch in jüngerer Zeit stärker besetzt als in der Vergangenheit. Der Brite müßte sich jungen und ambitionierten Kandidaten stellen, was seiner Gesundheit mit Sicherheit abträglich wäre, so daß seine Entscheidung, die Karriere an diesem Punkt endgültig zu beenden, nur zu begrüßen ist. [2]


Fußnoten:

[1] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/14982259/long-cruiserweight-contender-ola-afolabi-announces-retirement

[2] http://www.boxingnews24.com/2016/03/ola-afolabi-retires/#more-206648

21. März 2016


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