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MELDUNG/1973: Wenn Mexikaner zur Sache gehen ... (SB)



Francisco Vargas und Orlando Salido trennen sich unentschieden

Vor mehr als 7000 Zuschauern in Carson, Kalifornien, haben Francisco Vargas und Orlando Salido einander die erwartete Ringschlacht geliefert. Die beiden Mexikaner schlugen zwölf Runden lang unablässig aufeinander ein und dürften den "Kampf des Jahres 2016" geboten haben. Am Ende trennten sie sich unentschieden, so daß Vargas WBC-Weltmeister im Superfedergewicht blieb, während Salido abermals leer ausging. Während für den ungeschlagenen Vargas 23 Siege und zwei Unentschieden zu Buche stehen, weist Salidos Bilanz 43 gewonnene und dreizehn verlorene Auftritte sowie vier unentschieden gewertete Kämpfe auf.

Im Freiluftstadion StubHub Center, das schon Schauplatz zahlreicher spektakulärer Darbietungen gewesen ist, würdigte Ringsprecher Michael Buffer zunächst den vor wenigen Tagen im Alter von 74 Jahren verstorbenen Muhammad Ali mit einigen Worten zu Karriere und Lebenswerk der Legende. Zehnmal wurde die Glocke zu Ehren Alis angeschlagen, dessen Namen die Menge intonierte. Dann boten Vargas und Salido einen Kampf, der des unverhofft eingetretenen Anlasses würdig war.

Der 31jährige Francisco Vargas hatte den Titel im vergangenen Jahr in einem kaum minder dramatischen Kampf durch einen Sieg in der neunten Runde über den Japaner Takashi Miura gewonnen und verteidigte ihn nun zum ersten Mal. Als ehemaliger Weltmeister in zwei Gewichtsklassen war der vier Jahre ältere Orlando Salido für seine stets furiosen Auftritte bekannt. Zusammen brauchten die beiden keine volle Runde, um ein erbittert geführtes Gefecht loszutreten. Keiner von beiden ließ im Ringen um die Vorherrschaft locker, die niemand länger als für eine flüchtige Frist erobern konnte. Selten hatte man so viele Volltreffer in einem einzigen Kampf erlebt, doch die Mexikaner blieben unverwüstlich auf den Beinen, selbst wenn sie phasenweise angeschlagen wirkten. Gleich nach Beginn der zwölften Runde schritt Ringrichter Raul Caiz ein und ließ den Arzt das lädierte Gesicht des Champions untersuchen. Kaum war der Kampf wieder freigegeben, als die Kontrahenten ohne Rücksicht auf ihre Deckung übereinander herfielen und sich erst nach dem Schlußgong trennen ließen, während die Menschenmenge sie nicht zum ersten Mal an diesem Abend mit stehenden Ovationen feierte.

Vargas schien nicht unglücklich über den Ausgang des Kampfs zu sein, den er als großartige Vorstellung ganz im Sinne des Publikums bezeichnete. Ihm sei klar gewesen, mit welch zähem Gegner er es zu tun bekommen würde, und nun froh, auf einen derart versierten Kämpfer getroffen zu sein, die niemals aufgebe. Mit dem Ergebnis könne er sehr gut leben, so der Titelverteidiger. Letzteres galt nicht für Salido, der sich als Sieger gesehen hatte. Beide hätten sie unnachgiebig gekämpft, wie man es von Mexikanern erwarten könne, doch glaube er schon, im Grunde knapp gewonnen zu haben.

Vargas hatte in der vierten und fünften Runde Rißwunden über beiden Augen davongetragen, die er auf Kopfstöße seines Gegners zurückführte. Er hatte im Kampf gegen Takashi Miura im November eine noch schwerere Verletzung an der rechten Augenpartie erlitten, wie sie zu einer Bildung von Narbengewebe führt, das bei künftigen Treffern an derselben Stelle anfälliger für erneute Cuts macht.

Möglicherweise kommt es zu einer Revanche mit dem Japaner, der an diesem Abend in Carson als aufmerksamer Beobachter am Ring saß. Denkbar wäre natürlich auch ein erneutes Aufeinandertreffen mit Salido, das Vargas angesichts ihres hochklassigen Gefechts nicht ausschließen wollte. Zunächst werde er sich aber eine Erholungszeit gönnen. [1]

Nicht alle Experten waren mit der Wertung der Punktrichter einverstanden, die zweimal 114:114 und einmal 115:113 für Vargas notiert hatten. So wurde der Einwand laut, daß Salido schon wieder um den Sieg getrogen worden sei, zumal er insbesondere gegen Ende des Kampfs größeren Druck entfaltet und wirkungsvoller geschlagen habe. Im September 2015 hatte sich der Mexikaner ebenfalls mit einem Unentschieden von Roman Martinez getrennt, dem WBO-Weltmeister im Superfedergewicht. Damals schien Salido klar dominiert zu haben, bekam aber nicht den Sieg und Titel zugesprochen.

Vorstellbar wäre ein zweiter Kampf Salidos gegen Vasil Lomaschenko, den er 2014 nach Punkten besiegt hatte. Der Weltmeister im Federgewicht steigt eine Gewichtsklasse auf und trifft dort am kommenden Samstag auf Roman Martinez. Wie Salido dazu anmerkte, wolle Lomaschenko nicht gegen ihn antreten, da er keinen Titel zu bieten habe. Dabei habe man seinerzeit alles geboten, was die Fans sehen wollten. Er würde sich jedenfalls über eine Revanche freuen und nicht minder gern gegen Takashi Miura antreten, da er niemandem aus dem Weg gehe.

Es stellt sich in der Tat die Frage, was Orlando Salido noch tun muß, um als Sieger aus einem Titelkampf hervorzugehen. Sein Problem besteht offenbar darin, daß er als bekanntermaßen engagierter Außenseiter verpflichtet wird, der eine spektakuläre Vorstellung garantiert, aber auf inzwischen populärere Kontrahenten trifft, die im Zweifelsfall den Zuschlag bekommen. [2]


Fußnoten:

[1] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/15963929/francisco-vargas-orlando-salido-war-draw

[2] http://www.boxingnews24.com/2016/06/salido-robbed-vargas/#more-211504

7. Juni 2016


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