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MELDUNG/2001: Überraschender Befreiungsschlag im Vertragsstreit (SB)



Gennadi Golowkin verteidigt seine Titel gegen Kell Brook

Gennadi Golowkin verteidigt am 10. September in der Londoner O2 Arena seine diversen Titel im Mittelgewicht gegen Kell Brook, den IBF-Champion im Weltergewicht. Mit dieser überraschenden Wendung hatte wohl niemand gerechnet, standen doch Golowkins Promoter Tom Loeffler und sein britischer Kollege Eddie Hearn von Matchroom Boxing unmittelbar vor Abschluß eines Vertrags über einen Kampf des Kasachen gegen Chris Eubank. Parallel dazu verhandelte Hearn mit Promoter Bob Arum von Top Rank über ein Duell Kell Brooks gegen den WBO-Weltmeister Jessie Vargas.

Nachdem Eubanks Vater jedoch eine von Hearn gesetzte Frist verstreichen ließ und statt dessen offenbar maßlose Forderungen stellte, zog der britische Promoter einen Schlußstrich. Unterdessen gestalteten sich die Gespräche mit Arum immer schwieriger, da Hearn aufgrund des dramatischen Kursverfalls der britischen Währung Top Rank 20 Prozent weniger zahlen wollte als ursprünglich vorgesehen. [1]

Unterdessen hat sich Eddie Hearn dezidiert dazu geäußert, woran aus seiner Sicht die Verhandlungen zwischen dem Team Golowkins und Chris Eubank jun. gescheitert sind, der bei ihm unter Vertrag steht. Die überzogenen Forderungen von Eubanks Vater hätten den Sohn um drei Millionen britische Pfund gebracht, die er möglicherweise nie wieder in seiner Karriere bekommen werde. Dabei gehe er nach wie vor davon aus, daß Chris Eubank jun. diesen Kampf tatsächlich wollte, über den man drei Wochen lang intensiv verhandelt habe, so der Promoter. Als vermeintlich alles vereinbart gewesen sei, habe er den Eubanks die Verträge zur Unterzeichnung zugeschickt und ihnen dafür 24 Stunden Zeit gegeben. Nachdem diese Frist ohne Antwort verstrichen war, habe er dasselbe Angebot Kell Brook unterbreitet und umgehend dessen Zustimmung erhalten.

Der Vertrag mit Chris Eubank sei auf derselben Grundlage wie frühere Verträge mit Carl Froch oder Anthony Joshua ausgearbeitet worden. Eubank jun. unternehme jedoch nichts ohne die Zustimmung seines Vaters, der mit einem Anwalt sämtliche Verhandlungen geführt habe. Sie hätten die Kontrolle über die gesamte Promotion bis hin zu den Eintrittspreisen und selbst den Kommentatoren bei Sky Sports gefordert, was völlig absurd sei. [2]

Golowkin kann mit der aktuellen Entwicklung zufrieden sein, da ihm zuvor Saul "Canelo" Alvarez, Billy Joe Saunders und nun auch Chris Eubank einen Korb gegeben hatten und er dringend einen namhaften Gegner suchte. Auch Brook stimmte zu, da seine Börse wesentlich höher als bei einem Kampf gegen Vargas ausfallen wird und er endlich den bedeutenden Auftritt bekommt, den er nun schon sehr lange einfordert. Dafür geht er das Risiko ein, sich mit einem Kontrahenten zu messen, der zwei Gewichtsklassen über ihm boxt und derart gefürchtet ist, daß ihn die prominentesten Akteure meiden wie der Teufel das Weihwasser.

Wie Hearn hervorhebt, sei Golowkin in 36 Kämpfen und Brook in 35 Auftritten ungeschlagen. Beide stünden an der Spitze ihrer Gewichtsklasse und gehörten zu den besten Akteuren der gesamten Branche. Er habe über die Jahre mit Tom Loeffler hart daran gearbeitet, Golowkin nach Großbritannien zu holen, und freue sich außerordentlich, daß dieses Duell der Superlative möglich geworden sei.

Der 34jährige Golowkin hat zuletzt am 23. April in Inglewood, Kalifornien, den Pflichtherausforderer Dominic Wade in der zweiten Runde besiegt und damit 16 Titelverteidigungen erfolgreich absolviert. Damit schließt er immer enger zu Bernard Hopkins auf, der seinerzeit als Weltmeister aller vier maßgeblichen Verbände im Mittelgewicht 20 Herausforderer in die Schranken gewiesen hat. Noch bemerkenswerter ist indessen die Leistung des Kasachen, nun schon 22 vorzeitige Siege in Folge eingefahren zu haben. Er mußte 2008 zum letzten Mal über die volle Distanz gehen, um sich durchzusetzen.

Der 30 Jahre alte Kell Brook läßt sich von der furchterregenden Siegesserie Golowkins offenbar nicht beeindrucken, freut er sich doch eigenen Angaben zufolge darauf, mit dem weltbesten Boxer aller Gewichtsklassen in den Ring zu steigen. Als ihm dieses Angebot unterbreitet worden sei, habe er keine Sekunde gezögert, es anzunehmen. Der Brite war im August 2014 in die USA gereist, wo er Shawn Porter durch einen Punktsieg den Titel abjagen konnte. Seither hat er den Gürtel gegen Jo Jo Dan, Frankie Gavin und Kevin Bizier verteidigt, die ihn vor keine großen Probleme stellten.

Sollte Brook gegen Golowkin verlieren, hätte er immer noch seinen IBF-Titel im Weltergewicht, so daß sich sein Risiko in Grenzen hält. Dem Kasachen zu unterliegen, wäre keine Schande, zumal sich der Brite mit einem etwas größeren und schwereren Gegner mißt. Während alle vor Golowkin wegliefen, schlage er die umgekehrte Richtung ein, hält sich Brook zugute. Tom Loeffler hatte vor einigen Jahren Carl Froch und in jüngerer Zeit Billy Joe Saunders wie auch Chris Eubank ein Angebot gemacht, nach England zu kommen. Kell Brook ist in der Tat der erste britische Boxer, der sich Gennadi Golowkin stellt. Auf diese Weise tragen beide dem Problem Rechnung, daß sie in ihrer jeweiligen Gewichtsklasse keine angemessenen Gegner finden, die bereit sind, gegen sie anzutreten.


Fußnoten:

[1] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/16893648/gennady-golovkin-defend-belts-kell-brook-sept-10

[2] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/16919931/chris-eubank-jr-lost-gennady-golovkin-fight-due-father-crazy-demands

11. Juli 2016


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