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MELDUNG/2035: Gold in London und in Rio (SB)



Claressa Shields wiederholt ihren Olympiasieg

Als das Frauenboxen bei den Sommerspielen 2012 in London erstmals ins olympische Programm aufgenommen wurde, gewann die erst 17jährige US-Amerikanerin Claressa Shields aus Flint im Bundesstaat Michigan die Goldmedaille im Mittelgewicht. Vier Jahre später hat sie nun mit ihrem Finalsieg in Rio de Janeiro endgültig den Beweis angetreten, daß der damalige Erfolg keine Eintagsfliege war und sie gegenwärtig die beste Amateurboxerin der Welt ist.

Während ihre männlichen Kollegen im Amateurbereich drei Runden zu je drei Minuten absolvieren müssen, bestreiten die Boxerinnen vier zweiminütige Durchgänge. Shields traf im Finale wie schon bei den Weltmeisterschaften auf die Niederländerin Nouchka Fontijn. Diese ist größer als die US-Amerikanerin, weshalb ihre Taktik darauf abgestellt war, die Reichweitenvorteile zu nutzen, ständig in Bewegung zu bleiben und aus der Distanz zu schlagen. Shields war jedoch ständig auf dem Vormarsch und überbrückte geschickt den Abstand zur Gegnerin. Sie arbeitete fleißig mit dem Jab, schlug mit der Rechten über die Deckung Fontijns und brachte linke Haken ins Ziel, so daß sie die erste Runde klar für sich entscheiden konnte.

Dieses Bild setzte sich in den folgenden Durchgängen fort, in denen die Favoritin mit einer Palette von Kombinationen immer wieder zu Kopf und Körper ihrer Gegnerin durchkam. Gegen Ende der vierten und letzten Runde ließ eine wuchtig geschlagene Rechte den Kopf der Niederländerin zurückschnellen, die ihr Ziel klar verfehlte, erstmals seit 1928 wieder bei Olympischen Spielen eine Goldmedaille im Boxen für ihr Land zu erstreiten. Wie schon bei den diesjährigen Weltmeisterschaften mußte die 28jährige mit Silber vorliebnehmen.

Claressa Shields, die auf den Zetteln der Punktrichter alle vier Runden für sich entschieden hatte, sank nach Verkündung des Urteils auf ein Knie, während der Ringrichter ihren Arm zum Zeichen des Sieges emporhob. Dann sprang sie auf und schlug ein Rad, bevor sie sich den Fotografen stellte. In eine US-amerikanische Flagge gehüllt, drehte sie anschließend Runde um Runde im Ring, um ihren Triumph ausgelassen zu feiern.

Wie die 21jährige anschließend in einem ersten Interview erklärte, habe sie die taktische Marschroute umgesetzt, klug zu boxen, den Jab zu benutzen und ihre Rechte ins Ziel zu bringen, wann immer es möglich war. Und nicht zuletzt sei es ihr gelungen, sich von den langen Armen ihrer Gegnerin nicht treffen zu lassen. Sie habe als erste US-Amerikanerin zwei olympische Goldmedaillen gewonnen und damit allen gezeigt, daß sie nicht nur eine großartige Boxerin sei, sondern zu den bedeutendsten Repräsentanten dieses Sports gehöre, die je gelebt hätten.

Wenngleich man ihr die letzte Aussage sicher nachsehen wird, die sie im Überschwang ihrer Siegesfreude in die Mikrophone rief, trifft doch zu, daß sie Außergewöhnliches vollbracht hat. Mit einer Bilanz von 77 Siegen bei nur einer Niederlage hat sie seit 2012 keinen Kampf mehr verloren und bei den beiden letzten Weltmeisterschaften das Finale gewonnen. Mit jeweils drei erfolgreichen Auftritten sicherte sie sich 2012 in London und nun in Rio de Janeiro die Goldmedaille bei Olympischen Spielen. Zweimal Gold für eine US-amerikanische Boxstaffel hatte vor ihr nur Oliver Kirk 1904 in St. Louis gewonnen, der dabei allerdings im Bantam- und Federgewicht antrat.

In jungen Jahren wußte Claressa Shields noch nicht einmal, daß es Frauenboxen gab, bis ihr jemand von Laila Ali erzählte, die zumindest in den USA vielen als beste Profiboxerin aller Zeiten gilt. Die Tochter des verstorbenen Muhammad Ali beendete 2007 in 24 Kämpfen ungeschlagen ihre Karriere aus familiären Gründen. Aufgrund ihrer Prominenz hinterließ sie einen Eindruck im Profilager, den seither kaum eine Boxerin mehr erreicht hat. Laila Ali war insofern ein Sonderfall, als sie vor Beginn ihrer Profikarriere im Jahr 1999 nie geboxt hatte und geraume Zeit nur gegen schwache Kontrahentinnen antrat, sich aber dank ihres Namens ausgezeichnet vermarkten konnte wie etwa beim lukrativen Duell gegen die Tochter Joe Fraziers im Jahr 2001. Sie lernte jedoch im Laufe der Zeit viel dazu und sammelte erfolgreich Gürtel im Supermittel- und Halbschwergewicht. In boxerischer Hinsicht waren die Französin Anne Sophie Mathis, die Norwegerin Cecilia Braekhus und die heute bei UFC auftretende US-Amerikanerin Holly Holm, um nur einige zu nennen, sicher höher als Laila Ali einzuschätzen, was deren Ruf in der Erinnerung ihrer Landsleute aber keinen Abbruch tut.

Ob Claressa Shields eines Tages die Nachfolge Laila Alis antritt, wird sich zeigen. Was sie dieser zweifellos voraus hat, ist eine solide boxerische Ausbildung und technische Reife. Sollte sie einem Wechsel ins Profilager den Zuschlag geben, wird es nicht an interessierten Promotern und Sendern fehlen. Unmittelbar nach der Wiederholung ihres Olympiasiegs war es natürlich noch zu früh, Zukunftspläne zu schmieden. Auf die obligatorische Frage, was sie als nächstes machen werde, erwiderte sie, daß sie im Augenblick keine Ahnung habe und erst einmal ausgiebig feiern wolle. [1]


Fußnote:

[1] http://www.espn.com/olympics/summer/boxing/story/_/id/17360051/american-boxer-claressa-shields-repeats-olympic-middleweight-gold-medalist

24. August 2016


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