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MELDUNG/2062: Ausflüchte eines Drückebergers (SB)



"Canelos" Promoter will Golowkin den Schwarzen Peter zuschieben

Angesichts des wohlbegründeten Vorwurfs, Saul "Canelo" Alvarez gehe Gennadi Golowkin aus dem Weg, stellt dessen Promoter Oscar de la Hoya die Verhältnisse auf den Kopf. Wie er behauptet, ergreife der Kasache vor dem Mexikaner die Flucht, wenn er partout nicht begreifen wolle, wie viel Geld ihm für diesen Kampf angeboten werde. Der Chef der Golden Boy Promotions bezieht sich mit seiner Aussage auf ein Pauschalangebot in Höhe von 10 Millionen Dollar, das er Golowkin für ein Duell mit "Canelo" im September 2017 gemacht hat. Offenbar ist De la Hoya nicht bereit, den genannten Betrag aufzustocken, droht er doch damit, daß man im Falle einer Weigerung des Kasachen einen Schlußstrich ziehen und sich anderweitig orientieren werde. Nachlaufen werde man ihm jedenfalls nicht.

Saul Alvarez plant zwei Auftritte Anfang des Jahres, um dann Mitte September einen spektakulären und hochdotierten Kampf über die Bühne zu bringen, bei dem Gennadi Golowkin sein Gegner sein könnte. Das jedenfalls ist eine Konfrontation, die das Publikum seit geraumer Zeit einfordert und deshalb immer ungehaltener auf die Ausflüchte des populärsten mexikanischen Boxers und seines Umfelds reagiert. Wer die Entwicklung in jüngerer Zeit verfolgt hat, weiß um die seit langem gescheiterten Versuche Golowkins, die namhaftesten Kontrahenten vor die Fäuste zu bekommen und zügig alle vier maßgeblichen Titel im Mittelgewicht zusammenzuführen. Was letzteres betrifft, fehlt ihm nur noch der Gürtel der WBO, mit dem der Brite Billy Joe Saunders vor ihm wegläuft.

Aufschlußreich ist jedoch auch der Umstand, daß Golowkin nicht nur Weltmeister mehrerer Verbände ist, sondern zwischenzeitlich auch Pflichtherausforderer des WBC war. Der damalige Champion Miguel Cotto bezahlte dem Kasachen eine Entschädigung, um nicht gegen ihn anzutreten zu müssen, und sein Nachfolger Saul Alvarez legte den Titel aus demselben Grund freiwillig nieder. Es würde zu weit führen, all die Ausflüchte zu wiederholen, die "Canelo" und De la Hoya seither in die Welt gesetzt haben. Den Vogel schoß die scheinheilige Ausrede ab, der Mexikaner sei nur ein Halbmittelgewichtler und deshalb körperlich noch nicht bereit für Golowkin, gegen den er zu einem späteren Zeitpunkt antreten werde. Wie jeder weiß, kocht "Canelo" vor seinen Auftritten gewaltig ab, um dann nach dem offiziellen Wiegen durch Dehydrieren derart zuzulegen, daß er in aller Regel physisch zwei Gewichtsklassen über seinem Gegner in den Ring steigt. Hingegen ist Golowkin für einen Mittelgewichtler nicht allzu groß und recht leicht, so daß ihm der Mexikaner in dieser Hinsicht allemal überlegen wäre.

Wenngleich "Canelo" dank der riesigen mexikanischen Fangemeinde nach wie vor eine größere Zugnummer als der Kasache ist, zeichnet sich doch deutlich ab, daß er prominente Gegner braucht, um im Bezahlfernsehen gute Quoten einzufahren. Bei Kontrahenten wie James Kirkland, Alfredo Angulo, Amir Khan und Liam Smith, die ihm allesamt körperlich mehr oder minder klar unterlegen waren, hielt sich die Resonanz bei der zahlungskräftigen Zuschauerschaft in Grenzen. Nur im Falle Miguel Cottos und natürlich Floyd Mayweathers klingelte die Kasse, was aber in erster Linie daran lag, daß der Puertoricaner mindestens genauso populär wie "Canelo" ist und Mayweather den weitaus größeren Anteil an Buchungen garantierte. So gesehen kann Alvarez im Grunde gar nicht auf Golowkin verzichten, wenn er wirklich außergewöhnliche Umsätze erzielen und insbesondere seinem Anspruch gerecht werden will, in Nachfolge des zurückgetretenen Floyd Mayweather die Führungsposition der gesamten Branche zu übernehmen.

Oscar de la Hoyas Strategie liegt auf der Hand: Er macht Golowkin ein Angebot von 10 Millionen Dollar, das nur einen Bruchteil dessen beträgt, was bei einem Kampf herausspringen würde, der schon jetzt als möglicher Höhepunkt des Jahres 2017 gehandelt wird. Man rechnet mit einem Erlös von mehr als 100 Millionen Dollar, so daß Golowkin bei einem prozentualen Anteil ein sehr viel höherer Zugewinn als das aktuelle Lockangebot winkt. Um jetzt einzuschlagen, müßte das Lager des Kasachen von vornherein auf einen noch viel größeren Zahltag verzichten.

De la Hoya kalkuliert offensichtlich mit einer Absage zu diesen Konditionen, um behaupten zu können, "Canelo" sei bereit für Golowkin, der jedoch die Flucht ergreife. Der 34jährige Kasache ist acht Jahre älter als der Mexikaner, der wohl so lange warten will, bis sein Rivale den Zenit seines Könnens überschritten hat und besiegbar geworden ist. Das jedenfalls scheint der langfristige Plan zu sein, um den die Ausweichmanöver "Canelos" und seines Promoters oszillieren. De la Hoya könnte mit einer sorgfältigen Auswahl nicht allzu gefährlicher Gegner alle Klippen umschiffen und seinen größten Star weiterhin auf der Siegerstraße halten, bis er eines fernen Tages mit dem Kasachen fertig wird.

Läßt man andere potentielle Gegner Revue passieren, die für Saul Alvarez in Frage kämen, sollte er Golowkin links liegenlassen, sieht es für den Mexikaner beileibe nicht so rosig aus, wie sein Promoter der Szene weismachen will. Die populären Weltergewichtler Keith Thurman und Errol Spence sind zwar wesentlich leichter als der Mexikaner, doch zu gefährlich, als daß sie für ihn ausgewählt würden. Im Halbmittelgewicht, wo "Canelo" derzeit WBO-Weltmeister ist, wären Erislandy Lara, die Zwillingsbrüder Jermall und Jermell Charlo wie auch Erislandy Lara allzu riskant.

Da Saul Alvarez von seinen körperlichen Voraussetzungen her mindestens ins Mittelgewicht gehört, wird De la Hoya dort wohl unter dem früheren IBF-Champion David Lemieux, dem WBO-Weltmeister Billy Joe Saunders und dessen britischem Landsmann Kell Brook auswählen, der zuletzt gegen Golowkin verloren hat. Brook ist zwar vorerst noch IBF-Champion im Weltergewicht, wird aber wohl nicht mehr in diesem Limit antreten und daher seinen Titel niederlegen. Alle drei sind jedoch dem US-amerikanischen Publikum wenig bekannt, so daß mit ihnen im Pay-TV nicht viel herausspringen würde. Bei seinem Sieg über den Briten Liam Smith brachte es "Canelo" nur auf 300.000 Buchungen bei HBO, was zwar zu erwarten, aber im Falle eines künftigen Superstars, als der Saul Alvarez angepriesen wird, natürlich enttäuschend wenig war. [1]

"Canelos" Dilemma liegt auf der Hand: Tritt er gegen Golowkin an, läuft er Gefahr, vorzeitig auf den Brettern zu landen wie alle Gegner des Kasachen seit 2008. Dann wäre er entzaubert und müßte seinen ramponierten Ruf erst mühsam wieder aufbauen. Geht er Golowkin aus dem Weg, steht seine angebliche Vorherrschaft auf tönernen Füßen, da der Ruf immer lauter erschallt, er dürfe sich nicht länger drücken.


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2016/10/de-la-hoya-golovkin-running-canelo/#more-220135

2. November 2016


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