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MELDUNG/2066: GGG liebt sein Metier (SB)



Gennadi Golowkin - Trainingsfleiß und Lebensführung

Die Fakten sind bekannt oder im Zweifelsfall nachzulesen: Gennadi Gennadjewitsch Golowkin (GGG) ist in 36 Profikämpfen ungeschlagen und hat seit 2008 jeden Gegner vorzeitig besiegt. Er möchte Weltmeister aller Verbände im Mittelgewicht werden, wozu ihm nur noch der Gürtel der WBO fehlt. Mit 17 erfolgreichen Titelverteidigungen nimmt er auch in dieser Hinsicht eine Rekordmarke ins Visier. Und obgleich er als in den USA lebender Kasache im Unterschied zu mexikanischen, puertoricanischen oder irischstämmigen Boxern keine natürliche Fangemeinde aufbieten kann, hat er es doch dank seiner populären Kampfesweise beim Sender HBO bis ins Bezahlfernsehen gebracht, was einem kommerziellen Ritterschlag gleichkommt.

Worüber diese Zahlen keinen Aufschluß geben, sind substantielle Erkenntnisse über Art und Herkunft seiner Qualitäten, die über eine bloße Beschreibung zu beobachtender Wirkungen hinausgingen. Wenngleich bekannt ist, daß er in seiner gesamten Karriere noch nie sichtlich angeschlagen war, stets das Geschehen im Ring dominiert, jedem flüchtenden Gegner den Weg abschneidet und alle Kontrahenten mit seinen Treffern an Kopf und Körper zu Boden oder zur Aufgabe zwingt, sagt dieses Bild eines nahezu perfekten Boxers nichts über die Quelle seiner Fertigkeiten aus. Zu konstatieren, er sei überaus talentiert und könne gewaltig zuschlagen, ist natürlich nicht von der Hand zu weisen, führt aber auch nicht weiter.

Dankenswerterweise gibt uns ESPN.com [1] nun zumindest Einblick in einen bedeutsamen Aspekt der phänomenalen Siegesserie Golowkins, nämlich seine disziplinierte Lebensweise und einen außergewöhnlichen Trainingsfleiß. Während die meisten Boxer der Spitzenklasse in der Regel nur zweimal jährlich in den Ring steigen oder notfalls einen dritten Auftritt geben, ist letzteres das Minimum für den Kasachen, der nie längere Pausen einzulegen pflegt. Die aktuelle Verzögerung ist daher eine große Ausnahme, die auf die schwierigen Verhandlungen mit Daniel Jacobs zurückzuführen ist, dessen Management offenbar einen höheren Anteil der Börse verlangt, als ihm Golowkins Promoter Tom Loeffler bislang angeboten hat. Die Komplikationen führten dazu, daß der ursprünglich für den 10. Dezember geplante Kampf abgesagt und auf das Frühjahr 2017 verschoben werden mußte.

Dennoch trainiert Golowkin so, als bereite er sich auf den Dezemberkampf vor. Nach seinem Sieg über Kell Brook am 10. September in London reiste der 34jährige Champion mit seiner Frau und seinem Sohn nach Kasachstan, um Angehörige zu besuchen. Zwei Wochen später kehrte er nach Santa Monica zurück, um sich bald darauf wieder seinem Trainer Abel Sanchez anzuschließen, der ein Gym in Big Bear Lake betreibt. Wie er versichert, bereite es ihm große Freude, sich durchweg in guter körperlicher Verfassung zu halten. Er habe im Urlaub mit seiner Familie genügend Zeit gehabt, sich zu entspannen. Nun führe er wieder das Leben eines Boxer und trainiere regelmäßig, ohne dabei eine spezielle Vorbereitung zu absolvieren. Er nehme eine professionelle Einstellung sehr ernst und werde bis zum Ende seiner aktiven Karriere nicht anders verfahren.

Wie Tom Loeffler von den K2 Promotions bestätigt, trainiere Golowkin mit einer Hingabe, wie er sie bei keinem anderen Boxer erlebt habe. Daß er sich auf diese Weise in Form halte, obgleich er sich derzeit nicht auf einen Kampf vorbereite, sei beispiellos. Der Weltmeister absolviert das gesamte Programm, jedoch ohne Sparringskämpfe, die derzeit keinen Sinn machen würden und wegen der Verletzungsgefahr zu riskant wären. Sein Trainer Abel Sanchez zeigt sich nicht überrascht vom Trainingsfleiß seines erfolgreichsten Schützlings. Gennadi wisse, daß sich eine Reihe anderer Boxer im Gym auf wichtige Kämpfe vorbereite, und sei nicht zuletzt deshalb frühzeitig zurückgekehrt, um sie zu unterstützen. Außerdem wolle er einfach trainieren, was man von den meisten anderen Sportlern leider nicht sagen könne. Gennadi nehme seinen Job ernst, erweise dem Publikum Respekt und steige stets in bester Verfassung in den Ring.

Sanchez zufolge trainiert Golowkin die ganze Woche im Gym, um dann am Wochenende zu seiner Familie zurückzufahren. Er sei ein Vorbild für die jüngeren Boxer im Gym, die beobachten könnten, wie hart er arbeite, ohne einen Kampf vor sich zu haben, fügt Loeffler hinzu. Alle wollten eines Tages ganz oben stehen, und er führe ihnen vor, was einen Champion ausmache. Das gilt insbesondere für aufstrebende Boxer wie den 22jährigen Weltergewichtler Alex Saucedo, den ein Jahr älteren Cruisergewichtler Murat Gassijew, der bald seinen ersten Titelkampf bestreitet, bei dem er Anfang Dezember in Moskau auf Denis Lebedew trifft, und den 27jährigen Andy Ruiz im Schwergewicht, der es am 10. Dezember in Auckland im Kampf um den vakanten WBO-Titel im Schwergewicht mit Joseph Parker zu tun bekommt.

Es könne schon sein, daß er ein Vorbild für die jüngeren Boxer sei, stimmt Golowkin zu. Vielleicht zeige er ihnen ja, daß man gesund leben und sich in Form halten müsse, wenn man an der Spitze stehen wolle. Als er nach seinem Urlaub ins Camp zurückgekehrt sei, hätten sie schon einige Wochen im Training gestanden. Dennoch sei er offenbar in besserer körperlicher Verfassung gewesen, was sie womöglich motiviere und ansporne.

Loeffler verhandelt weiter mit dem Berater Al Haymon, bei dem Daniel Jacobs unter Vertrag steht. Da Jacobs als regulärer WBA-Weltmeister derzeit Pflichtherausforderer des Superchampions Gennadi Golowkin ist, kann der Kasache diesen Gegner nicht einfach links liegenlassen, wenn sich die Verhandlungen zu problematisch gestalten. Er will alle Titel im Mittelgewicht zusammenführen und möchte deshalb nicht das Risiko eingehen, den Gürtel der WBA zu verlieren, weil er den vom Verband angeordneten Kampf gegen Jacobs ausschlägt. Sein Wunschgegner bleibt der Mexikaner Saul "Canelo" Alvarez, der jedoch erst im September 2017 gegen ihn antreten will, sofern er dann nicht den nächsten Rückzieher macht.

Daniel Jacobs ist für Golowkin die nächstbeste Wahl, zumal er den New Yorker als seinen gefährlichsten Gegner in dieser Gewichtsklasse einschätzt. Dies sei eine echte Herausforderung, die ihn sehr interessiere. Er sei zwar etwas enttäuscht, in diesem Jahr nicht mehr in den Ring steigen zu können, aber nach Lage der Dinge bleibe ihm kaum eine andere Wahl. Daher werde man alle verbliebenen Unstimmigkeiten bereinigen und diesen Kampf im Frühjahr über die Bühne bringen.


Fußnote:

[1] http://www.espn.com/boxing/story/_/id/18017268/gennady-golovkin-unique-approach-training

12. November 2016


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