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MELDUNG/2067: Gänsehaut in Magdeburg (SB)



Robert Stieglitz neuer Europameister im Halbschwergewicht

Es mutet schon etwas nostalgisch und fast wie eine Reminiszenz aus den goldenen Tagen des deutschen Profiboxens an, wenn nun zu berichten steht, daß Robert Stieglitz neuer Europameister im Halbschwergewicht geworden ist. Der Begeisterung von über 4800 Zuschauern in der stimmungsvollen Atmosphäre der Magdeburger GETEC-Arena tat dies keinen Abbruch, die den 35 Jahre alten Lokalmatador stürmisch anfeuerten und euphorisch feierten, als er nach zwölf Runden zum verdienten und einstimmigen Punktsieger erklärt wurde (116:112, 116:112, 116:112). Wenn schon von Geschichte die Rede ist, sollte am Rande nicht unerwähnt bleiben, daß der legendäre Max Schmeling 1927 in dieser Gewichtsklasse seinen ersten bedeutenden Titel gewann.

Doch zurück nach Magdeburg und zu Robert Stieglitz. Gut eineinhalb Jahre nach dem endgültigen Verlust des Titels im Supermittelgewicht an seinen damaligen Dauerrivalen Arthur Abraham setzte er sich nun gegen den Franzosen Mehdi Amar durch. Während Stieglitz damit in seinem 56. Profikampf den 50. Sieg einfahren konnte, mußte der entthronte Titelverteidiger im 40. Auftritt die fünfte Niederlage einstecken. [1]

Der Lokalmatador bot seinen Zuschauern die Vorstellung, die sie von ihm kennen und erwartet hatten: weniger filigrane boxerische Feinheiten als vielmehr harte Kleinarbeit Fuß an Fuß mit dem Gegner. Er bestimmte den Kampf und ließ über die gesamte Distanz keine Zweifel aufkommen, wer den Ring mit dem Gürtel des Europameisters verlassen würde. Von Beginn an mit beträchtlichem Tempo wehrte sich der Franzose nach Kräften und konnte auf diese Weise in einigen Runden mit seinen gefährlichen Kontern und Einzeltreffern Schritt halten. Stieglitz arbeitete jedoch fleißig mit dem Jab und bereitete damit Treffer der Rechten vor, die immer wieder ihr Ziel fanden. In einem dynamischen Kampf boxte der Herausforderer bis zum Schluß konzentriert und war stets darauf bedacht, Amar nie die Initiative zu überlassen oder gar einem Glückstreffer des Franzosen zum Opfer zu fallen.

Wie Stieglitz nach seinem Triumpf zufrieden Bilanz zog, sei dieser Titel für ihn eine Bestätigung, daß er noch immer in guter Verfassung boxe. Nicht jeder habe es geschafft, in diesem Alter noch einmal Europameister zu werden. Er habe einen Traum wahrgemacht und einen weiteren bedeutenden Titel gewonnen. Nun sei er erst einmal der stärkste Halbschwergewichtler Europas.

Die ersten Runden seien ziemlich schmutzig verlaufen, so etwas gehöre sich nicht, kritisierte der Lokalmatador seinen wiederholt unsauber boxenden Rivalen. Er hätte noch mehr machen können, habe sich aber zurückgehalten, da Amar schlau geboxt und auf seine Fehler gewartet habe, berichtete der erfolgreiche Herausforderer. Da er sich an diesem Abend über volle zwölf Runden fit gefühlt habe, wolle er definitiv noch einen Kampf bestreiten, versprach der Routinier seinen Fans, die Boxhandschuhe noch nicht an den Nagel zu hängen.

Für ihn zähle nur eines: Robert habe diesen Kampf klar und verdient gewonnen. Er sei stolz auf ihn und seine Leistung, lobte Trainer Dirk Dzemski seinen Schützling. Dessen Führhand sei ausgezeichnet gewesen, hob Dzemski den entscheidenden Vorteil seines Schützlings hervor. Mit ihr habe er zum Teil sogar doppelt getroffen. Sichtlich erleichtert und zufrieden schickte der Trainer seinen Boxer, der seit August hundert Sparringsrunden absolviert hatte, in den wohlverdienten Urlaub.

Promoter Ulf Steinforth von SES Boxing sprach von einem großartigen Abend, der das herausragende Sportereignis dieses Jahres in Magdeburg gewesen sei. Für ihn habe die Atmosphäre viele "Gänsehautmomente" gehabt. Heute hätten "Alle für Einen" gewonnen, da die gesamte SES-Mannschaft hinter Robert stehe. Hinzu seien die tollen Zuschauer, darunter zahlreiche Olympiasieger und Weltmeister, gekommen, die sich hier für Robert versammelt hätten. Er sei stolz auf ihn und stolz auf die Menschen in Magdeburg, so Steinforth. [2]

Auf dem Höhepunkt seiner Karriere war Robert Stieglitz WBO-Weltmeister im Supermittelgewicht (bis 76,203 kg) und hatte gemeinsam mit Arthur Abraham vier innerdeutsche Titelkämpfe ausgetragen, die sich beim hiesigen Boxpublikum großer Beliebtheit erfreuten. Nach 16 Jahren im Profigeschäft liegt ein baldiger Abschied nahe, doch hat der Magdeburger nach seinem Aufstieg ins Halbschwergewicht (bis 79,378 kg) nun einen so frischen Eindruck hinterlassen, daß man sicher mit der einen oder anderen Titelverteidigung des neuen Europameisters rechnen kann.


Fußnoten:

[1] http://www.focus.de/sport/boxen/boxen-stieglitz-holt-em-titel-im-halbschwergewicht_id_6199584.html

[2] http://www.sesboxing.de/?lang=de&site=news&index=20161113145843_Newsflash&title=Robert%20Stieglitz%20ist%20neuer%20Europameister!

13. November 2016


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