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MELDUNG/2089: Zwei Veteranen jagen einen Gürtel (SB)



Shannon Briggs und Fres Oquendo kämpfen um den WBA-Titel

Die World Boxing Association (WBA) hat einen Kampf um den vakanten Titel des regulären Weltmeisters im Schwergewicht zwischen den Veteranen Shannon Briggs und Fres Oquendo angeordnet. Der höherwertige und ebenfalls vakante Gürtel des Superchampions der WBA wird im Duell zwischen IBF-Weltmeister Anthony Joshua und dem früheren Titelträger Wladimir Klitschko am 29. April im Londoner Wembley-Stadion neu vergeben. Der mittlerweile 46 Jahre alte Briggs, für den 60 Siege, sechs Niederlagen sowie ein Unentschieden zu Buche stehen, würde am liebsten in England antreten, wo er sich seit einem Auftritt im Vorprogramm David Hayes im Mai 2016 eine Fangemeinde aufgebaut hat. Offenbar hofft der ehemalige Champion, sich mit dem Gewinn des regulären WBA-Gürtels für einen hochdotierten Kampf gegen Joshua empfehlen zu können.

Seine Chancen, sich gegen Oquendo durchzusetzen, stehen nicht schlecht, da der 43jährige Puertoricaner seit zweieinhalb Jahren nicht mehr im Ring gestanden hat. Je nachdem, wie lange sich die Verhandlungen mit Briggs hinziehen, kann daraus eine dreijährige Abwesenheit werden. Während Fres Oquendo, der 37 Auftritte gewonnen und acht verloren hat, das Risiko eingeht, ohne vorbereitende Praxis sofort einen Titelkampf zu bestreiten, war Shannon Briggs unterdessen aktiv. Dessen Alter dürfte kaum ein entscheidender Nachteil sein, da er nach wie vor gewaltig zuschlagen kann.

Oquendo war in der Vergangenheit ein guter Schwergewichtler, der mit zahlreichen namhaften Kontrahenten den Ring geteilt hat: David Tua, Maurice Harris, Chris Byrd, Javier Mora, Evander Holyfield, Elieser Castillo, James Toney, Bruce Seldon, Clifford Etienne, Obed Sullivan, David Izon, Oliver McCall, Jean Marc Mormeck und Demetrice King - die meisten von ihnen haben ihre Karriere längst beendet. Der Puertoricaner kann also auf Kämpfe gegen hochklassige Gegner zurückblicken, wobei er allerdings, wie man einschränkend hinzufügen muß, viele verloren hat.

Fres Oquendos letzter Sieg gegen einen anspruchsvollen Gegner liegt fast vier Jahre zurück: Im Juni 2013 setzte er sich in einem Kampf über zehn Runden einstimmig nach Punkten gegen Derric Rossy durch. Der Puertoricaner gewann danach noch einmal im Mai 2014, als er den relativ schwachen Aufbaugegner Galen Brown in der zweiten Runde auf die Bretter schickte.

Bei seinem letzten Auftritt hat Fres Oquendo im Juli 2014 in der tschetschenischen Hauptstadt Grosny knapp nach Punkten gegen Ruslan Tschagajew verloren. Auch damals ging es um den vakanten regulären Titel der WBA, den sich der Usbeke sicherte. Oquendo verklagte den neuen Weltmeister auf eine Revanche und bekam vor Gericht recht, nicht jedoch die Gelegenheit, das Vorhaben in die Tat umzusetzen. Die Wirren um diese Trophäe setzten sich fort, als der Australier Lucas Browne gegen den Usbeken gewann, dabei aber über den Dopingtest stolperte. Tschagajew bekam den Gürtel zurück, beendete jedoch seine Karriere.

Wie immer ein Freund medienwirksam hochtrabender Worte, verkündet Shannon Briggs, seine Zeit sei endlich gekommen. Ein Traum werde wahr, Geschichte werde geschrieben. Er freue sich darauf, den Titel zu gewinnen und einer Menge Leute zu beweisen, das alles möglich ist. Er habe lange dafür gearbeitet und sei bereit, den Kampf überall auszutragen, wobei ein Auftritt in London am schönsten wäre.

Allzu sicher darf sich Briggs seiner Sache aber nicht sein, da er den Sieg keineswegs in der Tasche hat. Oquendo kann schlagen, doch bei Bedarf auch boxen, und wird zweifellos mit einem Schlachtplan aufwarten, wie er sich der Schlagwirkung des Favoriten entziehen kann. Der Puertoricaner hat einen guten Jab und wird sicher nicht lange herumstehen, so daß Briggs in aller Ruhe Maß nehmen kann. Sollte Oquendo wie erwartet auf Beweglichkeit setzen, steht Shannon Briggs vor dem Problem, ihm nachzueilen und ihn zu stellen. Da er sich in jüngerer Zeit allerdings darauf verlegt hat, seine Gegner ausschließlich mit Körpertreffern frühzeitig niederzuschlagen, und dabei vor allem den linken Haken erfolgreich einsetzt, muß der Puertoricaner doppelt auf der Hut sein. [1]

Wenngleich David Haye sein Versprechen nicht eingelöst hat, sich mit Briggs zu messen, sofern dieser zunächst in seinem Vorprogramm auftritt, ist der US-Amerikaner klug genug, dies dem Briten nicht in aller Öffentlichkeit nachzutragen: Als regulärer WBA-Champion könnte er für Haye doch noch interessant werden. David Haye messe sich im Frühjahr mit dem Cruisergewichtler Tony Bellew und könnte dabei sogar den kürzeren ziehen, so Briggs. Doch auch wenn er gewinne, werde ihn der neue WBA-Champion reizen, der einen Gürtel besitze, den Haye haben wolle.

Ob der Brite dieses Risiko eingehen würde, ist ungewiß. Eher steht zu erwarten, daß er sich weiterhin vergleichsweise leichte Gegner aussucht, bis er eine einträgliche Chance gegen Anthony Joshua bekommt. Briggs ist weder schnell noch technisch variabel, kann aber mit einem einzigen wuchtigen Körpertreffer einen Kampf entscheiden. Und da sich Haye nach vierjähriger Pause und zwei gewonnenen Aufbaukämpfen gegen weithin unbekannte Gegner keine Niederlage leisten kann, wird er wohl lieber auf Nummer Sicher gehen.

Da auch Fres Oquendo für einen Boxer nicht mehr Jüngste ist und sich Briggs kaum zwölf Runden lang vom Leib halten kann, steigt der frühere WBO-Weltmeister als Favorit in den Ring. Sichert er sich den Gürtel, ist das zwar noch nicht der große Preis, aber doch ein Faustpfand, das ihm seit Jahren gefehlt hat, um namhafte Gegner zu locken.


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2017/01/wba-orders-shannon-briggs-vs-fres-oquendo/#more-224534

8. Januar 2017


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