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MELDUNG/2129: US-Kabelriesen mit im Boot (SB)



Showtime und HBO übertragen Kampf zwischen Joshua und Klitschko

Nach monatelangen zähen Verhandlungen haben sich die rivalisierenden US-amerikanischen Kabelsender Showtime und HBO auf eine Übertragung des Kampfs zwischen IBF-Weltmeister Anthony Joshua und Wladimir Klitschko geeinigt. Wenn die beiden Schwergewichtler am 29. April vor der Rekordkulisse von 90.000 Zuschauern im Londoner Wembley-Stadion aufeinandertreffen, sind neben dem Publikum des britischen Pay-TV-Senders Sky Box Office und RTL auch interessierte Zuschauer in den USA mit im Boot. Joshuas Promoter Eddie Hearn von Matchroom Sports und die Klitschko Management Group (KMG) sowie die K2 Promotions konnten sich schließlich mit Showtime und HBO über die Modalitäten einigen. Daß Showtime einen Vertrag mit Joshua hinsichtlich dessen US-amerikanischen Fernsehrechten und möglichen künftigen Auftritten abgeschlossen hat, während Klitschko mit HBO assoziiert ist, machte die Sache ungleich komplizierter.

Da die beiden Kabelriesen in scharfer Konkurrenz zueinander stehen, ist eine Kooperation zwischen ihnen die große Ausnahme. Lediglich bei den spektakulären und umsatzträchtigen Kämpfen zwischen Lennox Lewis und Mike Tyson (2002) sowie Floyd Mayweather und Manny Pacquiao (2015) übertrugen Showtime und HBO das Spektakel parallel im Bezahlfernsehen. Obgleich Klitschko und Joshua in den USA keine Kandidaten für das Pay-TV sind, wollte keiner der beiden Sender beim mutmaßlich bedeutendsten Schwergewichtskampf des Jahres zurückstehen und so einigten sie sich schließlich auf ein erstmals praktiziertes Modell. Während Showtime das Duell aus London live und damit ab 16.15 Uhr Ostküstenzeit überträgt, folgt HBO mit einer Aufzeichnung, die gegen 22.45 Uhr nach einem Rock-and-Roll-Konzert ausgestrahlt wird.

Stephen Espinoza von Showtime Sports kündigt der weltweiten Zuschauerschaft eine potentielle Wachablösung in der bedeutendsten Gewichtsklasse des Boxsports an. Peter Nelson setzt für HBO die Akzente natürlich etwas anders, wenn er von einer Übertragung zur besten Sendezeit spricht und darauf verweist, daß dies bereits Klitschkos 22. Auftritt beim Sender, jedoch Joshuas erster sei. Wenngleich HBO diesmal mit der Aufzeichnung den kürzeren zieht, soll sich gut unterrichteten Kreisen zufolge danach die Reihenfolge umkehren, da eine Revanche vertraglich vereinbart worden sei. Ob es im Falle einer klaren Niederlage Klitschkos überhaupt zu einem zweiten Aufeinandertreffen käme, steht natürlich in den Sternen, da der Ukrainer möglicherweise seine Karriere beenden könnte oder aus britischer Sicht kein salonfähiger Herausforderer mehr wäre. [1]

Der 27 Jahre alte und in 18 Auftritten ungeschlagene Anthony Joshua verteidigt den IBF-Gürtel zum dritten Mal. Zudem steht in diesem Kampf auch der vakante WBA-Titel zur Disposition, den Tyson Fury zurückgegeben hat. Für Wladimir Klitschko stehen 64 Siege und vier Niederlagen zu Buche. Der 41jährige ehemalige Champion hat seit dem Scheitern an Fury im November 2015 keinen Kampf mehr bestritten, so daß nicht zuletzt die Frage im Raum steht, wie gut er nach dieser langen Wartezeit noch einmal Tritt fassen kann. Der elf Jahre währende Regentschaft des Ukrainers endete bekanntlich mit einem ausgesprochen schwachen Auftritt gegen den Briten, der nicht viel besser boxte als sein Vorgänger. Der vertraglich zu einer Revanche verpflichtete Tyson Fury sagte diese zweimal ab und unterbrach seine Laufbahn aufgrund psychischer Probleme.

Damit entging Klitschko die Chance, sich zumindest einige seiner früheren Titel auf direktem Wege wiederzuholen. Dies ebnete einem hochdotierten Kampf gegen Anthony Joshua den Weg, der das britische Publikum geradezu euphorisiert und die Londoner Riesenarena füllen wird, wie dies kein Boxkampf seit dem zweiten Weltkrieg mehr zustande brachte. Daß der Ukrainer bei den Olympischen Spielen 1996 in Atlanta die Goldmedaille im Superschwergewicht gewonnen hat und Joshua dasselbe Kunststück 2012 in London gelungen ist, trägt neben dem ins Auge springenden Altersunterschied zur Vermarktung als Kampf zweier Generationen bei. [2]

Eddie Hearn, der beim Aufbau seines inzwischen wohl populärsten Boxers stets die größtmögliche Vorsicht walten ließ, um Joshuas makellose Serie vorzeitiger Erfolge zu hegen und zu pflegen, schätzt Klitschko offenbar als ebenso prominente wie leichte Beute ein. Nachdem sich der Ukrainer nur recht mühsam gegen Bryant Jennings durchgesetzt und gegen den als schwach eingeschätzten Maulhelden Tyson Fury desaströs verloren hatte, wähnt man ihn allenthalben auf dem absteigenden Ast. Joshua und sein Promoter halten augenscheinlich die Gelegenheit für gekommen, Klitschko den sportlichen Todesstoß zu versetzen und sich damit an die Spitze der Königsklasse zu setzen. Anthony Joshua ist wesentlich jünger, körperlich mindestens ebenbürtig, durchgängig aktiv geblieben und boxt vor einem überwältigenden Heimpublikum, das ihn rückhaltlos anfeuern wird. So sehr man sich nach der jahrelangen Stagnation der Klitschko-Ära eine revitalisierte Schwergewichtsszene wünschen mag, hat doch auch die Vorstellung ihren Reiz, der von seinen Kritikern als alt und abgehalftert geschmähte Exweltmeister könnte der ihm zugedachten Rolle des Kanonenfutters ein Schnippchen schlagen.


Fußnoten:

[1] http://www.espn.com/boxing/story/_/id/19178811/both-show-hbo-air-anthony-joshua-wladimir-klitschko

[2] http://www.boxingnews24.com/2017/04/joshua-vs-klitschko-will-televised-hbo-showtime/#more-232548

20. April 2017


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