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MELDUNG/2169: Anbieten wie Sauerbier (SB)



Promoter Eddie Hearn schmiedet Pläne für Dillian Whyte

Nachdem der britische Promoter Eddie Hearn ein Konzept für seinen Schwergewichtsweltmeister Anthony Joshua mit Kämpfen gegen Kubrat Pulew, Luis Ortiz und Deontay Wilder vorgelegt hat, baut er nun Dillian Whyte für eine künftige Revanche mit Joshua auf. Sollte es tatsächlich dazu kommen, ließe sich damit in England sehr viel Geld verdienen. Allerdings ist derzeit noch nicht abzusehen, wie die Umsetzung dieses Vorhabens gelingen könnte. Der 29jährige Whyte, für den 20 Siege und eine Niederlage zu Buche stehen, trifft am 19. August in Lincoln, New York, auf den neun Jahre älteren US-Amerikaner Malcolm Tann, der 24 Kämpfe gewonnen und fünf verloren hat. Der Auftritt findet im Vorprogramm des Kampfs zwischen Terence Crawford und Julius Indongo statt und wird von ESPN nicht im regulären Programm, sondern lediglich als Stream auf einer App übertragen, so daß ihn das breitere Publikum in den USA kaum wahrnehmen wird.

Da Tann weithin unbekannt ist, stellt sich die Frage, wie Hearn ausgerechnet auf diesen Gegner verfallen ist. Davon abgesehen, daß der US-Amerikaner eine lösbare Aufgabe für den Briten sein sollte, zeichnet ihn vor allem seine Größe von 1,97 m aus. Offenbar geht es darum, Whyte auf einen möglichen Kampf gegen den 2,01 m großen WBC-Weltmeister Deontay Wilder vorzubereiten, der sich allerdings zunächst mit seinem Pflichtherausforderer Bermane Stiverne auseinandersetzen muß. Da für diese Titelverteidigung noch kein Termin vereinbart worden ist, wird sie wohl erst Anfang 2018 über die Bühne gehen. Der in 38 Kämpfen ungeschlagene Wilder mußte bislang nur ein einziges Mal über die volle Distanz boxen, als er Stiverne im Januar 2015 nach Punkten besiegte und ihm den WBC-Gürtel abnahm. Der US-Amerikaner brach sich dabei frühzeitig die Hand, was maßgeblich dazu beitrug, daß der Kanadier zwölf Runden mit ihm überstand.

Dillian Whytes einzige Niederlage datiert aus einem Kampf gegen Anthony Joshua am 12. Dezember 2015. Er hielt sich zwei Runden lang ausgezeichnet und brachte den Favoriten in beträchtliche Schwierigkeiten, zog sich dann aber eine Verletzung an der linken Schulter zu, die im Verbund mit Konditionsproblemen dazu führte, daß Joshua schließlich in der siebten Runde die Oberhand behielt. Whyte, dessen gefährlichste Waffe der linke Haken war, kann seither mit diesem Arm nicht mehr die Wirkung entfalten, einen hochklassigen Kontrahenten auf die Bretter zu schicken. Und da seine Rechte von jeher schwächer war, sind seine Aussichten gering, mit Wilder oder Joshua fertigzuwerden.

Dennoch erklärt er zuversichtlich, daß eine Revanche mit seinem Landsmann anders als ihre erste Begegnung verlaufen würde. Joshua sei verwundbar, wenn er beständig unter Druck gesetzt werde. Sich auf großer Bühne erneut mit ihm zu messen, mache die Sache noch leichter. Er sei jedenfalls bereit für solche bedeutenden Kämpfe, macht sich Whyte Mut. Wenngleich er bei ihrem ersten Aufeinandertreffen kurz davor zu stehen schien, seinem britischen Rivalen einen dicken Strich durch die Karrierepläne zu machen, war die Verletzung eine Zäsur. Heute kann Dillian Whyte kaum noch einen harten Jab schlagen, der geeignet wäre, Joshua zumindest durchgängig zu beschäftigen. Daher steht sogar befürchten, daß ihm selbst ein Aufbaugegner wie der körperlich überlegene Malcolm Tann enorme Probleme bereiten könnte.

Eddie Hearn hatte schon vor einiger Zeit versucht, Deontay Wilder einen Kampf gegen Dillian Whyte schmackhaft zu machen. Der WBC-Champion wies jedoch ein Angebot von angeblich 3 Millionen Dollar zurück und erklärte, daß man ihm mindestens das Doppelte anbieten müßte, um ihn für einen ansonsten irrelevanten Kampf zu gewinnen. Er wolle gegen Anthony Joshua antreten, um ihre Titel zu vereinigen, nicht jedoch gegen einen britischen Ersatzmann. Natürlich könnte Hearn auch versuchen, Whyte zunächst einer ernsthaften Bewährungsprobe zu unterziehen und ihn beispielsweise mit Dominic Breazeale oder Alexander Powetkin zusammenführen. Dabei stünde jedoch ein Scheitern zu befürchten, worauf ein lukratives Duell mit Wilder oder Joshua gestorben wäre.

Im Dezember 2016 behielt Dillian Whyte gegen seinen Landsmann Dereck Chisora nur hauchdünn nach Punkten die Oberhand. Die Experten waren sich darin einig, einen außergewöhnlich spannenden Kampf miterlebt zu haben, in dem beide Akteure ihr Bestes gegeben hatten. Allerdings herrschte die Meinung vor, daß Chisora zu Unrecht verloren habe. Dies böte Gelegenheit für eine Revanche, um für klare Verhältnisse zu sorgen, doch ist davon keine Rede mehr. Wie sich in diesem Kampf gezeigt hatte, ist es um Whytes Deckung schlecht bestellt, sobald ein Gegner fleißig Kombinationen schlägt. Chisora konnte mitunter fünf oder sechs Treffer in Serie landen, die sein Kontrahent allerdings gut wegsteckte. In einem Kampf gegen Wilder oder Joshua, die erheblich wirksamer zuschlagen können, wäre ein derart offenes Scheunentor jedoch verhängnisvoll. Dereck Chisora, der bestenfalls die Funktion eines Torwächters erfüllt, der aufstrebende Kandidaten auf dem Weg an die Weltspitze auf die Probe stellt, hat Whytes Grenzen deutlich aufgezeigt.

Was Anthony Joshuas Schwächen betrifft, liegt Dillian Whyte mit seiner Einschätzung nicht falsch. Der Weltmeister ist zu besiegen, wenn er volle drei Minuten pro Runde ernsthaft angefordert wird. Aufgrund seiner körperlichen Verhältnisse geht ihm in solchen Fällen sehr schnell die Luft aus, worauf er eine längere Erholungspause einlegen muß. Gegen Whyte bekam er nach zwei scharf geboxten Runden Konditionsprobleme und konnte erst wieder im siebten Durchgang rückhaltlos zur Sache gehen. Im Kampf gegen Klitschko versuchte Joshua nach einem Niederschlag in der fünften Runde, dem Ukrainer in der sechsten den Rest zu geben. Dabei erschöpfte er sich jedoch restlos, so daß er seinerseits auf den Brettern landete. Hätte der Ukrainer entschlossen nachgesetzt, statt im Gefühl der Überlegenheit den Briten auszuboxen, wäre ihm der Sieg kaum zu nehmen gewesen. Statt dessen ließ er Joshua vom Haken, bis dieser schließlich seine Schwäche überwunden hatte und in der elften Runde über ihn herfiel. Deontay Wilder, so steht zu vermuten, wäre das nicht passiert. Er geht nicht auf Nummer Sicher, wenn sein Gegner angeschlagen ist, sondern strebt stets einen vorzeitigen Sieg an.

Wenn Whyte sichtlich davon angetan ist, daß sein Name im selben Atemzug mit den namhaftesten Schwergewichtlern genannt wird, und er von einem Privileg spricht, in diesem erlauchten Kreis als Herausforderer gesehen zu werden, muß man diese Einschätzung doch korrigieren. Er wird nur deshalb des öfteren in den einschlägigen Medien erwähnt, weil sein Promoter Eddie Hearn bemüht ist, ihm einen Titelkampf gegen Deontay Wilder zu verschaffen. Andernfalls würde sich wohl kaum jemand um Whyte Gedanken machen, der an Nummer fünf der WBC-Rangliste geführt wird. Normalerweise könnte es daher noch Jahre dauern, bis er eine Chance gegen den WBC-Weltmeister bekäme. Wilder hat seinen Titel bereits fünfmal in Folge freiwillig verteidigt, was unter anderem darauf zurückzuführen ist, daß sein zeitweiliger Pflichtherausforderer Alexander Powetkin kurz vor ihrem vereinbarten Kampf in Moskau über eine Dopingprobe gestolpert und damit aus dem Rennen war. [1]

Hearn versucht schneller an Deontay Wilder heranzukommen und plant möglicherweise, zweimal von ihm zu profitieren: Zunächst in einem Kampf gegen Dillian Whyte und dann gegen Anthony Joshua. Würde sich Whyte überraschend gegen den WBC-Champion durchsetzen, käme das dem britischen Promoter um so mehr entgegen, da er dann den Vereinigungskampf der Weltmeister um die Titel der Verbände WBA, WBC und IBF in Eigenregie über die Bühne bringen könnte. Allerdings wirft die Zeitplanung noch viele Fragen auf, sofern Wilder erst im Frühjahr gegen Bermane Stiverne antritt und sich bereits im Sommer mit Anthony Joshua messen soll. Für Dillian Whyte bliebe dazwischen gar kein Platz.


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2017/08/whyte-groomed-joshua-rematch/#more-240550

15. August 2017


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