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MELDUNG/2235: Schwergewicht - manche Kämpfe kommen viel zu spät (SB)



Deontay Wilder räumt Luis Ortiz keine Chance ein

Deontay Wilder, Weltmeister des Verbands WBC im Schwergewicht, geht davon aus, daß ihm der Herausforderer Luis Ortiz nicht das Wasser reichen kann. Wenn der Champion aus Tuscaloosa in Alabama am 3. März im Barclays Center in Brooklyn auf den in Miami lebenden Kubaner trifft, steht für Wilder mehr als nur der Titel auf dem Spiel. Verliert er diesen Kampf, kann er das seit geraumer Zeit angestrebte Duell mit Anthony Joshua abschreiben, der die Gürtel der WBA und IBF in seinem Besitz hat. Zumindest aber hätte er in Verhandlungen mit dem Briten ungleich schlechtere Karten, sich eine lukrative Börse zu sichern. Wilder ist in 39 Kämpfen ungeschlagen, von denen er 38 vorzeitig gewonnen hat. Für den ebenfalls unbezwungenen Ortiz stehen 28 gewonnene Auftritte zu Buche, bei denen er lediglich viermal über die volle Distanz gehen mußte.

Der 32jährige US-Amerikaner ist nicht nur jünger, sondern auch mit 2,01 m erheblich größer als sein 1,93 m messender Kontrahent, der allerdings mehr Gewicht auf die Waage bringt. Das Alter des Herausforderers wird mit 38 Jahren angegeben, doch kursieren Gerüchte, daß er in Wirklichkeit wesentlich älter sei. Offenbar hat Ortiz in jüngerer Zeit nachgelassen und viel von seiner früheren Gefährlichkeit eingebüßt. Er dürfte dank einer fundierten Ausbildung zu Amateurzeiten dem Champion technisch überlegen sein, doch wirkte er in seinen letzten Kämpfen langsam und konditionsschwach. Beide Akteure können indessen gewaltig zuschlagen und müssen auf der Hut sein, keinen Volltreffer zu kassieren.

Wie Wilder zu Recht geltend macht, habe der Kubaner noch nie einen Gegner seines Kalibers vor den Fäusten gehabt. Allerdings ist die gefährlichste Waffe des in der Rechtsauslage boxenden Herausforderers ein wuchtiger linker Haken, der einen perfekten Konter abgeben könnte, wenn der Weltmeister mit seiner gefürchteten Rechten eine Entscheidung zu erzwingen versucht. Zudem attestiert man Ortiz eine robuste Konstitution, die es ihm gestatten könnte, solange durchzuhalten, bis er womöglich mit einem Glückstreffer zum Zuge kommt. Die namhaftesten Gegner des Kubaners waren mit Bryant Jennings, Tony Thompson, David Allen, Malik Scott, Lateef Kayode und Monte Barrett durchaus anspruchsvolle Kandidaten, die jedoch nicht der höchsten Kategorie angehören. Sein wohl größter Erfolg war ein vorzeitiger Sieg über Bryant Jennings, der schon mit Wladimir Klitschko im Ring gestanden und dabei nur nach Punkten verloren hatte.

Nach seinem Erfolg gegen David Allen im Dezember 2016 legte Ortiz eine lange Pause bis Dezember 2017 ein und setzte sich bei seiner Rückkehr in der zweiten Runde gegen den weithin unbekannten Daniel Martz durch. Der Kubaner schien zwar dem äußeren Eindruck nach in passabler körperlicher Verfassung angetreten zu sein, ging aber so träge zu Werke, daß er kaum noch an seine besten Zeiten erinnerte. Als Luis Ortiz auf dem Höhepunkt seines Könnens stand, gingen ihm sämtliche prominenten Rivalen aus dem Weg, so daß er nie die Gelegenheit bekam, um einen Titel zu kämpfen. Die Chance, mit Wilder um den WBC-Gürtel zu streiten, dürfte zu spät für den Kubaner gekommen sein.

Deontay Wilder ist ein herausragender Schwergewichtler, nicht auf den Kopf gefallen und eloquent genug, um für seine Auftritte zu werben und sich ins Gespräch zu bringen. Wenn er den Kubaner schlechtmacht, so sicher nicht, weil er ihn tatsächlich unterschätzt. Er nimmt in seinen Äußerungen Bezug auf die Erfahrung seines Gegners aufgrund einer langen Amateurlaufbahn, kündigt aber einen gewaltigen Volltreffer am Kinn des Herausforderers an, der diese Erfahrung auf einen Schlag pulverisieren werde. Er habe die letzten Auftritte des Kubaners ausgiebig studiert und wisse genau, daß er ihn besiegen könne.

Der WBC-Weltmeister hat den Titel 2015 im Kampf mit Bermane Stiverne gewonnen und seither sechsmal erfolgreich verteidigt. Im November 2017 machte er in einer Revanche kurzen Prozeß mit Stiverne, der bereits in der ersten Runde die Segel streichen mußte. Wilder stürzte sich regelrecht auf den Gegner und ließ ihm keine Chance, in den Kampf zu kommen und seinerseits zu schlagen. Daß der Champion versuchen könnte, auf dieselbe Weise über Ortiz herzufallen, ist eher unwahrscheinlich, da dieser Gegner gefährlicher einzuschätzen ist. Stiverne hatte seit dem Titelverlust nicht mehr im Ring gestanden und war nur deshalb als Herausforderer halbwegs präsentabel, weil sich der Rückkampf als eine Art offener Rechnung vermarkten ließ. Deswegen konnte sich Wilder seiner Sache sicher sein und entspannt zu Werke gehen.

Ganz anders eröffnete Wilder im Februar 2017 seinen Kampf gegen Gerald Washington, der ihm vier Runden lang nahezu ebenbürtig war und bei zwei Punktrichtern gleichauf lag, als der Champion in der fünften Runde plötzlich aufs Tempo drückte und den Herausforderer niederstreckte. Rückblickend gesehen könnte man argumentieren, daß Wilder durchaus in der Lage gewesen wäre, dasselbe Prozedere bereits in der ersten Runde durchzutragen. Diese Auffassung griffe jedoch zu kurz, da Washington körperlich gleichrangig und der Weltmeister gut beraten war, die Bewegungsweise des Kontrahenten zu studieren. Davon abgesehen hätte ein allzu schneller Sieg dem Titelverteidiger wenig Zuspruch eingebracht. Viele Skeptiker werfen ihm trotz seiner 39 Erfolge und 38 K.o.-Siege vor, er gehe gefährlichen Rivalen aus dem Weg und halte sich an schwacher Konkurrenz schadlos. Geht man der Frage nach, wer denn diese hochklassigen Kontrahenten sein sollen, bleibt sehr schnell nur noch Anthony Joshua übrig, den Wilder schon seit geraumer Zeit zum Kampf fordert. [1]

Im Mittelpunkt der gemeinsamen Pressekonferenz von Deontay Wilder und Luis Ortiz stand jedoch weniger die Frage des beiderseitigen Könnens im Ring, als vielmehr die Dopingproblematik des Kubaners. Wenngleich dem Herausforderer offensichtlich nicht der Sinn danach stand, sich immer und immer wieder zu rechtfertigen, stürzten sich die Medienvertreter auf der Jagd nach pikanten oder gar skandalösen Details auf dieses Thema. Nachdem er positiv auf eine verbotene Substanz getestet worden war, machte Ortiz geltend, er nehme ein Medikament zur Senkung des Blutdrucks ein, das er versehentlich nicht angegeben habe. Das World Boxing Council akzeptierte diese Erklärung und gab dem Titelkampf seinen Segen, der andernfalls nicht möglich gewesen wäre.

Die bei Ortiz nachgewiesene Substanz steht deshalb auf der Dopingliste, weil sie verwendet werden kann, um die Einnahme verbotener leistungssteigernder Mittel zu maskieren. Wie der Kubaner geltend macht, sei ihm dieser Zusammenhang erstens nicht bewußt und die nachgewiesene Dosierung der fraglichen Substanz zweitens zu niedrig gewesen, um irgend etwas anderes zu maskieren. Er nehme das fragliche Medikament schon seit zwei Jahren ein und sei sich einfach nicht im klaren darüber gewesen, wieviel Ärger ihm das einbringen könnte. [2] Viel interessanter als das allfällige Kreisen um den offiziell ausgeräumten Dopingverdacht wäre natürlich eine ernsthafte Befragung der Kontrahenten zum bevorstehenden Kampf auf Grundlage eines gewissen Sachverstands gewesen.


Fußnoten:

[1] www.boxingnews24.com/2018/02/deontay-wilder-luis-ortiz-hasnt-fought-anyone-like/#more-257672

[2] www.boxingnews24.com/2018/02/wilder-ortiz-conference-call-turns-ugly/#more-257586

24. Februar 2018


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