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MELDUNG/2342: Schwergewicht - kein Fall für die Goldwaage ... (SB)



Tyson Fury demoliert überforderten Tom Schwarz

Der britische Schwergewichtler Tyson Fury hat sich problemlos gegen seinen restlos überforderten deutschen Gegner Tom Schwarz durchgesetzt. Vom Sender ESPN+ übertragen endete der höchst ungleiche Kampf vor gut 9000 Zuschauern im MGM Grand Garden in Las Vegas bereits nach 2:56 Minuten der zweiten Runde, als Ringrichter Kenny Bayless einschritt und den Außenseiter für besiegt erklärte. Der 30jährige Brite erzielte mit einer Kombination zum Kopf zunächst einen Niederschlag und drang dann weiter heftig auf den sechs Jahre jüngeren Kontrahenten ein, nachdem dieser wieder auf die Beine gekommen war. Damit baute der ehemalige Champion seine Bilanz auf 28 Erfolge und ein Unentschieden aus, während sich Schwarz nach 24 gewonnenen Auftritten erstmals geschlagen geben mußte.

Der Abbruch erfolgte recht schnell, als sich der Deutsche an den Seilen stehend auf seine Deckung beschränkte und die Schläge nicht erwiderte. Andererseits war abzusehen, daß Fury klar dominierte und frühzeitig auf der Siegerstraße war. Er konnte es sich erlauben, in der zweiten Runde in die Rechtsauslage zu wechseln, ohne daß dies seine Überlegenheit beeinträchtigt hätte. Schwarz wurde zwar in der WBO-Rangliste an Nummer zwei geführt, was aber lediglich ein weiterer Beleg für die dubiose Einstufung bei diesem Verband war, da er weit von der Spitze entfernt anzusiedeln ist. Seine 24 Siege, die ihm den guten Platz einbrachten, hatte er gegen mehr oder minder unbekannte Gegner erzielt.

Dennoch schlug er schneller als der 2,06 m große Fury, der schlichtweg seine körperlichen Vorteile ins Feld führte. Wie so oft in der Vergangenheit hielt er den kleineren Kontrahenten mit dem vorgestreckten Arm auf Abstand, was zwar regelwidrig ist, aber vom Ringrichter nicht moniert wurde. Dadurch kam Schwarz kaum an den Briten heran, zumal er unbeweglich agierte und keinerlei Überraschungsmomente herbeiführen konnte. Noch absurder als Furys ständig vorgereckter Arm war freilich seine hochgezogene Hose, was dem Gegner kaum noch Platz ließ, zum Körper zu schlagen. Wenngleich man natürlich argumentieren könnte, daß jedes Mittel erlaubt ist, welches der Referee nicht verbietet, muß man doch von einem Armutszeugnis sprechen, daß sich der Brite selbst gegen einen handverlesenen Außenseiter solcher Tricks bedient.

Gegen den WBC-Weltmeister Deontay Wilder hatte Fury im letzten Dezember aus naheliegenden Gründen sehr viel defensiver geboxt. Der US-Amerikaner hätte den Briten frühzeitig auf die Bretter geschickt, wäre dieser nicht ständig ausgewichen. Hingegen war von Schwarz, der mit keiner nennenswerten Schlagwirkung aufwarten konnte, nichts zu befürchten, was wohl auch der entscheidende Grund gewesen war, ihn als Gegner auszuwählen. Zwar bot Tyson Fury auf den ersten Blick eine unterhaltsame und gelungene Vorstellung, wofür er von den Kommentatoren des Senders über den grünen Klee gelobt wurde. Bei näherem Hinsehen wirkte er jedoch längst nicht so gut vorbereitet wie im Duell mit Wilder, was er sich bei einem starken Kontrahenten nicht erlauben darf. Sein Co-Promoter Bob Arum will ihn in vier oder fünf Monaten abermals bei ESPN auftreten lassen, um seine Popularität in den USA weiter auszubauen. Es steht zu befürchten, daß er wiederum Kanonenfutter vorgesetzt bekommt, das ihn in den Augen des Durchschnittspublikums gut aussehen läßt. [1]

Fury ließ denn auch wenig unversucht, um eine Show nach dem Geschmack der Zuschauer zu bieten und marschierte rot-weiß-blau gekleidet zu den Klängen von "Living in America" aus "Rocky IV" ein. Wie er hinterher tönte, sei es ihm vor allem darum gegangen, Spaß im Ring zu haben. Auf diese Weise sei es ihm spielend leicht gelungen, den Jab einzusetzen, Schlägen ohne Deckung auszuweichen, die Auslage zu wechseln und den Gegner mit einer linken Geraden von den Beinen zu holen, die jeden niedergestreckt hätte. Daß Schwarz wenig unternahm und ein leichtes Ziel bot, ließ der Brite unerwähnt. Er sei zwar einige Pfund schwerer als bei seinem letzten Auftritt, was ihn aber nicht daran gehindert habe, in Las Vegas für gute Unterhaltung zu sorgen.

Bob Arum rühmte seinen Boxer überschwenglich als Naturgewalt. Fury habe eine der besten Shows geboten, die ihm in seinen langen Jahren nicht nur Boxgeschäft vergönnt gewesen seien. Der Brite sei einzigartig und ein Unterhaltungskünstler, der jeden Schwergewichtler der Welt ins Reich der Träume schicken könne. Noch einen weiteren Kampf im Herbst, dann komme Deontay Wilder an die Reihe, der bei der Revanche keine fünf Runden überstehen werde. Er habe seit Muhammad Ali keinen Boxer mit einem solchen Charisma erlebt, trug Arum derart dick auf, daß es absolut peinlich gewesen wäre, hätte man nicht gerade in der Spielerstadt den großen Bluff inszeniert.

Dem Vernehmen nach kehrt Tyson Fury Ende September oder Anfang Oktober wahrscheinlich in New York in den Ring zurück, um mit einem weiteren erfolgreichen Auftritt kräftig die Werbetrommel für den Rückkampf mit dem WBC-Weltmeister zu rühren. Deontay Wilder bestreitet im Herbst eine Revanche mit Luis Ortiz, den er 2018 in einem hochklassigen und dramatischen Kampf vorzeitig besiegt hat. Im Unterschied zu Fury, den Bob Arum mit leichten Gegnern aufpoliert, sucht sich Wilder die denkbar gefährlichsten Widersacher wie den Kubaner aus. Gewinnen beide ihren nächsten Auftritt, kommt es im Frühjahr 2020 wohl zu einem der seltenen Momente, in denen Top Rank und Premier Boxing Champions zusammenarbeiten, die ansonsten erbitterte Konkurrenten sind. Wie Bob Arum erklärte, werde es in Las Vegas zu dieser Revanche kommen. Dafür gebe er sein Wort. Man werde die Einkünfte aus dem Pay-TV je zur Hälfte teilen, hier ESPN, dort Fox oder Showtime, das sei ganz leicht auf die Beine zu stellen. [2]

Allerdings ließ Fury bereits verlauten, daß ihm höhere Einkünfte als Wilder zustünden, weil er die Hauptattraktion sei. Sollte es ihm tatsächlich ernst mit dieser Forderung sein, wäre der Rückkampf gestorben, da sich Wilder nicht vorführen und über den Tisch ziehen läßt. Er hat bekanntlich selbst Anthony Joshua und dessen Promoter Eddie Hearn standgehalten, die ihn mit unannehmbaren Angeboten abspeisen wollten. Bringt Bob Arum seinen eigenwilligen Neuerwerb nicht zur Besinnung, erschöpft sich ihre Zusammenarbeit in einer Kette unbedeutender Kämpfe gegen obskure Kontrahenten.

Hatte Arum noch vor wenigen Tagen erklärt, er rechne bei der Revanche zwischen Wilder und Fury mit 2 Millionen Buchungen im Pay-TV, so verkündete er bei der Pressekonferenz nach dem Kampf gegen Tom Schwarz sogar, er gehe von über 4,5 Millionen aus, mit denen Floyd Mayweather und Manny Pacquiao im Jahr 2015 eine absolute Rekordmarke gesetzt hatten. Das Problem ist allerdings, daß der erste Kampf im Dezember lediglich 350.000 Abnehmer fand. Wenngleich das Interesse angesichts der attraktiven Darbietung beider Akteure natürlich gewachsen ist und die Werbung für weitere Aufmerksamkeit sorgt, sind Arums Prognosen gelinde gesagt überspannt. Mayweather und Pacquiao gehörten damals seit mehreren Jahren zu den populärsten Boxern in den USA, und ihre Rivalität war Legende, als es endlich zum Showdown kam. Davon ist selbst Deontay Wilder noch sehr weit entfernt, und Tyson Fury war bis vor kurzem ein unbeschriebenes Blatt für das US-Publikum. [3]

Weder Furys noch Arums Worte sollte man auf die Goldwaage legen. Was sie derzeit verbindet ist das Talent, ihr Licht nicht unter den Scheffel zu stellen, sondern das herbeizureden, was ihnen zupaß kommt. Das funktioniert mitunter und würde mit Sicherheit niemals klappen, gäben sich die beiden selbstkritisch und bescheiden. Deshalb kündigen sie gleich die größte Nummer der gesamtem Boxgeschichte an.


Fußnoten:

[1] www.boxingnews24.com/2019/06/fury-vs-schwarz-live-fight-results/

[2] www.espn.com/boxing/story/_/id/26983943/fury-lineal-champion-tko-schwarz

[3] www.boxingnews24.com/2019/06/fury-beats-schwarz-says-hell-get-more-than-50-for-wilder-rematch/

20. Juni 2019


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