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PROFI/478: Felix Sturm gewinnt Revanche gegen Randy Griffin (SB)


Souveräner Auftritt mit einem klaren Punktsieg belohnt


Felix Sturm hat mit dem 30. Sieg seiner Karriere im westfälischen Halle unter freiem Himmel seinen WBA-Titel im Mittelgewicht gegen Herausforderer Randy Griffin aus den USA eindrucksvoll verteidigt. In einem temporeichen Kampf über die vollen zwölf Runden gewann der Leverkusener einstimmig nach Punkten (116:113, 116:112, 118:110).

Beide Boxer standen sich zum zweiten Mal gegenüber. Im Oktober 2007 hatten sie sich nach einem erstklassigen Kampf ebenfalls in Halle unentschieden getrennt, wodurch Sturm seinen Titel behielt. Nach der Revanche steht der 29jährige, der den Kampf durchgehend dominierte, nun als eindeutiger Sieger da.

Vor 5.500 Zuschauern im Gerry Weber Stadion und 3,9 Millionen beim ZDF, die einem Marktanteil von 18,6 Prozent entsprachen, zeigte sich Sturm verglichen mit dem ersten Kampf stark verbessert. "Er darf sich nicht einfach hinstellen und auf die Doppeldeckung hauen lassen", hatte sein Trainer Michael Timm als grobe Marschroute angekündigt. Sein Schützling folgte den Anweisungen, war von Beginn an beweglicher auf den Beinen, ließ sich seltener stellen und punktete ein ums andere Mal mit seinem linken Jab.

Schon in der ersten Runde attackierte er seinen Kontrahenten ständig mit dem linken Jab, auch ein starker rechter Schwinger fand sein Ziel am Kopf des US-Amerikaners. Griffin versteckte sich nicht und versuchte seinerseits Treffer zu landen, doch endeten seine Schläge meist an der Deckung des Weltmeisters. Dieses Manko registrierten natürlich auch seine Betreuer, die ihn in den Pausen immer wieder anspornten, die drohende Niederlage mit einem Kraftakt abzuwenden.

Doch so sehr sich Griffin auch mühte, die Kontrolle behielt Sturm. In der fünften und sechsten Runde erhöhte der Weltmeister erneut das Tempo und brachte den Herausforderer mit schnellen Angriffen immer wieder in Verlegenheit. In der Folge dominierte Sturm das Duell weiterhin mit seinem linken Jab, blieb aber trotz der Überlegenheit konzentriert: Wenn Griffin angriff, zog er sich hinter seine Deckung zurück oder tauchte geschickt unter den Schwingern des US-Amerikaners weg.

In den letzten Runden wußte das Team der Herausforderers, daß ein Sieg nach Punkten nicht mehr möglich war, doch die verzweifelten Angriffe des US-Amerikaners konnten Sturm nie gefährden. Statt dessen wäre dem Champion beinahe selbst der vorzeitige Sieg gelungen, doch Griffin blieb in der elften Runde standhaft.

"Das war meine beste Leistung seit dem Kampf gegen Oscar de la Hoya. Ich bin sehr glücklich, weil fast alles geklappt hat, was wir uns vorgenommen haben", zog der WBA-Champion Bilanz. Sein Umfeld wirkte ebenso erleichtert: "Felix hat heute gezeigt, daß er zu Recht Weltmeister ist. Er hat erneut einen großen Sprung gemacht", lobte Timm. Promoter Klaus-Peter Kohl hatte sogar ein noch klareres Urteil als die Punktrichter ausgemacht: "Ich habe Felix bestimmt mit sechs Runden vorn gesehen."

Die unterlegene Ecke sah die Angelegenheit verständlicherweise anders. Vor allem Griffin konnte sich mit dem Urteil nicht recht anfreunden: "Er ist ein großer Kämpfer, keine Frage. Doch für mich war dieser Kampf enger als der erste, ein Unentschieden wäre verdient gewesen. Ich hoffe, es kommt zu einem dritten Duell." Mit dieser Meinung stand der 32jährige allerdings weitgehend allein, da er in keiner Phase des Kampfs an seine Leistung bei ihrem ersten Aufeinandertreffen anknüpfen konnte. Der Wunsch nach einem dritten Kampf gegen Sturm dürfte sich daher kaum erfüllen.

Wenn Felix Sturm aus dem Urlaub zurückgekehrt ist, steht für ihn mit der Titelverteidigung gegen Sebastian Sylvester aus dem Boxstall des Berliner Promoters Wilfried Sauerland der erste deutsch-deutsche Kampf um eine Weltmeisterschaft seit Dariusz Michalczewskis K.o.-Sieg über Graciano Rocchigiani am 15. April 2000 in Hannover an. Der kommende Gegner saß bereits in Halle am Ring und war vom Auftritt seines nächsten Rivalen keineswegs beeindruckt. "Das war das, was ich erwartet hatte", sagte der 27jährige Europameister. Griffin habe den Fehler gemacht, Sturm boxen zu lassen. "Angriff ist die beste Verteidigung", lautet sein Rezept für das bevorstehende Duell, bei dem die Chancen seiner Meinung nach 50:50 stehen.

Felix Sturm hatte Sylvester in der Vergangenheit wiederholt die Klasse abgesprochen, ihn herausfordern zu dürfen. Auch jetzt äußerte er sich nicht gerade respektvoll über seinem nächsten Gegner: "Ich möchte ihn jetzt nicht schlechtreden. Er gehört vielleicht zu den Top Ten der Welt. Aber meine Ansprüche sind höher", sagte der Leverkusener, der sich dem Pflichtherausforderer binnen 120 Tagen stellen muß.

Der "Hurrikan" hatte sich durch seinen spektakulären K.o.-Sieg gegen den Spanier Javier Castillejo das Recht auf die Herausforderung gesichert. WBA-Präsident Gilberto Mendoza bestätigte dem gebürtigen Greifswalder schriftlich, daß er innerhalb der genannten Frist gegen den Weltmeister antreten kann. Der Europameister war sehr erfreut über die Entscheidung der WBA, ihm diese Chance einzuräumen: "Darauf habe ich die ganzen letzten Jahre hingearbeitet. Jetzt ist endlich der Zeitpunkt gekommen, um nach dem WM-Titel zu greifen", sagte Sylvester, der seinen Vertrag mit dem Sauerland-Boxstall erst kürzlich verlängert hat.

Für Felix Sturm bot sich im Kampf gegen Randy Griffin auch eine Gelegenheit, im ewigen Fernduell mit Arthur Abraham Boden gutzumachen. Sturm gilt als technisch bester deutscher Boxer dieser Gewichtsklasse, doch hat Abraham durch seinen legendären ersten Kampf gegen Edison Miranda, den er trotz seines Kieferbruchs gewann, wie auch durch 22 K.o.-Siege in 27 Kämpfen seinen Rivalen in der Gunst vieler Fans überholt.

Vor vier Jahren bestritt Felix Sturm seinen ersten Kampf in den USA, bei dem er in Las Vegas auf den großen Star Oscar de la Hoya traf. Der Leverkusener bot die beste Leistung seiner Karriere und war nach allgemeiner Einschätzung der überlegene Boxer, doch durfte er gegen die US-amerikanische Legende nicht siegen und wurde von den Punktrichtern betrogen.

Damals war Abraham erst seit einem Jahr Profi und hatte elf schnelle K.o.-Siege gegen leichte Gegner erzielt. Heute sieht der Berliner einem lukrativen Vereinigungskampf gegen Kelly Pavlik entgegen, der die Titel der Verbände WBC und WBO in seinem Besitz hat. Dieses Duell soll im kommenden Jahr in den USA ausgetragen werden.

Zu einem Kampf zwischen Abraham und Sturm wird es in naher Zukunft keinesfalls kommen. Als Abraham noch auf dem Weg nach oben war, wurde viel über ein mögliches Duell gesprochen, doch ernsthaft darüber verhandelt haben die Promoter offenbar nie. Inzwischen scheint das Interesse an einem direkten Vergleich der beiden deutschen Weltmeister deutlich abgekühlt zu sein.

"Wer im Mittelgewicht die Nummer eins sein will, muß Kelly Pavlik und Arthur Abraham schlagen", erklärte Felix Sturm und regte ein Turnier mit seinen Konkurrenten an. "Das wäre eine reizvolle Aufgabe, so etwas auf die Beine zu stellen", stimmte Kohl zu - wohl wissend, daß das bloßes Wunschdenken bleiben dürfte.

6. Juli 2008