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PROFI/480: Nikolai Walujew holt sich den Gürtel der WBA zurück (SB)


Punktsieg in einem wenig spektakulären Kampf gegen John Ruiz


Promoter Don King, der zu 50 Prozent an Nikolai Walujew beteiligt ist, den er als "achtes Weltwunder" anzupreisen pflegt, brachte die Lage auf den Punkt: "Wir alle müssen mit den Boxern leben, die wir haben", erklärte der 77jährige nach der Kür des neuen WBA-Weltmeisters im Schwergewicht. Die gut 5.000 Zuschauer in der Max-Schmeling-Halle zogen nach Verkündung des Urteils ihr enttäuschtes Fazit mit einem Pfeifkonzert.

Der Russe Nikolai Walujew aus dem Boxstall Promoter Wilfried Sauerlands ist wieder Weltmeister im Schwergewicht. Der 2,13 Meter große Hüne bezwang John Ruiz aus den USA nach Punkten und sicherte sich damit zum zweiten Mal in seiner Karriere den Gürtel der WBA. Nach zwölf wenig spektakulären Runden stand für den fast 145 Kilo schweren Profiboxer aus St. Petersburg gegen den 25 Zentimeter kleineren und 36 Kilo leichteren Amerikaner ein einstimmiger Punktsieg (114:113, 116:113, 116:111) zu Buche.

Der 35jährige Walujew setzte die Anweisungen seines Trainers Alexander Zimin um, zeigte eine gute linke Führhand und ergänzte sie mit einem fleißigen Einsatz seiner Rechten, was schon ausreichte, um John Ruiz keine Chance zu lassen. Dieser traf zwar häufig mit seinem linken Haken, doch erzielte er damit keine durchschlagende Wirkung. In der zweiten Hälfte des Kampfes ließ die Kondition der Kontrahenten zusehends nach. Obgleich Zimin seinen Schützling sichtlich vorangebracht hat, was bei einem Boxer dieser gewaltigen Statur und eines reifen sportlichen Alters nicht geringzuschätzen ist, bleibt der Kampfstil des Riesen nach wie vor wenig attraktiv.

Beide Boxer hatten sich in Berlin bereits im Dezember 2005 gegenübergestanden. Damals gewann Walujew den schwachen Auftritt umstritten mit 3:0 Punktrichterstimmen und wurde damit erster Schwergewichtsweltmeister aus Rußland. Diesmal dominierte er das Ringgeschehen, ohne zu überzeugen. "Ich war heute schneller als beim letzten Kampf gegen Ruiz, bin aber nicht ganz zufrieden und habe meine Aufgabe nicht zu 100 Prozent erfüllt", sagte Walujew, an dessen Sieg es anders als bei der Erstauflage diesmal keinen Zweifel gab. Er holte sich damit den Gürtel zurück, den er im April 2007 an den Usbeken Ruslan Tschagajew verloren hatte. Während es für Walujew der 50. Sieg im 51. Profikampf war, verlor Ruiz in seinem 53. Kampf zum achten Mal.

Wilfried Sauerland zeigte sich zufrieden und genoß den erneuten Titelgewinn seines Schützlings: "In den ersten sieben Runden war das der beste Walujew, den wir bislang gesehen haben. Er hat Ruiz eine bittere Lektion erteilt. Nikolai ist noch längst nicht am Ende seiner Möglichkeiten. Und doch ist er sehr schwer zu schlagen." Und Don King fügte hinzu: "Walujew wird der beste Kämpfer der Welt werden."

Nikolai Walujew selbst versuchte gute Miene zu den Pfiffen des Publikums zu machen: "Das ist schon in Ordnung, damit lebe ich während meiner gesamten Karriere, und das wird sich auch nie ändern. Es ist normal, daß die Fans sich auf die Seite des kleineren, vermeintlich Schwächeren schlagen. Das bin ich nie."

Daß es bei der Urteilsverkündung zu Mißfallensäußerungen des Publikums kam, lag allerdings auch am Kampfgericht, das zunächst nur eine Wertung von 2:1 zugunsten des Russen verkündet hatte. Angesichts des heftigen Protests gestand der japanische Punktrichter einen Fehler ein, worauf noch einmal nachgerechnet und das Endergebnis korrigiert wurde. "Es ist lächerlich, was heute mit den Punktzetteln passiert ist. Wenn Boxen so ist, dann ist es traurig", lamentierte der unterlegene John Ruiz, dessen Behauptung, eigentlich habe er gewonnen, ungläubiges Kopfschütteln auslöste.

In jedem Fall spielt Nikolai Walujew wieder eine wichtige Rolle im Kalkül der vier maßgeblichen Weltverbände und ihrer Weltmeister. Er muß sich nun bis spätestens 26. Juni 2009 mit Tschagajew messen. Der Usbeke hatte in diesem Jahr die Titelverteidigung gegen Walujew zweimal aus gesundheitlichen Gründen abgesagt, worauf ihn die WBA zum "Weltmeister im Wartestand" erklärte und das Duell zwischen Walujew und Ruiz als reguläre Weltmeisterschaft ansetzte.

Sollte sich Vitali Klitschko bei seinem für den 11. Oktober in Berlin angesetzten Comeback gegen Samuel Peter durchsetzen und neuer Champion des World Boxing Council (WBC) werden, wäre auch ein Duell mit Walujew denkbar. Der 37jährige ältere Klitschko hatte seine Laufbahn vor vier Jahren angesichts gehäufter Verletzungen beendet und war seinen politischen Ambitionen nachgegangen. Allerdings scheiterte er in zwei Anläufen auf das Amt des Bürgermeisters von Kiew. Besiegt er Samuel Peter, ist die verbliebene Zeit im Profiboxen für ihn sicher begrenzt, weshalb er großes Interesse an einer Vereinigung der Titel haben müßte. Gemeinsam mit seinem Bruder Wladimir, dem Champion der Verbände WBO und IBF, alle Gürtel zu besitzen, ist ja das erklärte Ziel der Brüder Klitschko, die stets betont haben, daß sie unter keinen Umständen gegeneinander kämpfen werden.

Wie es hieß, soll Nikolai Walujew bereits am 13. Dezember seinen nächsten Kampf bestreiten, wobei man den Gegner in den nächsten Wochen bekanntgegeben werde. "Ich will noch einmal gegen Ruiz boxen, später dann erst gegen Klitschko", erklärte der neue WBA-Weltmeister noch im im Ring.

1. September 2008