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PROFI/488: David Haye entthront Nikolai Walujew als WBA-Champion (SB)


Brite läßt seinen großen Sprüchen Taten im Ring folgen


In der mit 8.000 Zuschauern restlos ausverkauften Arena Nürnberger Versicherung ist David Haye durch einen Sieg über Nikolai Walujew neuer Weltmeister der World Boxing Association (WBA) im Schwergewicht geworden. Dem ehemaligen Champion dreier Verbände im Cruisergewicht gelang damit bereits in seinem dritten Kampf in der Königsklasse der große Wurf, was um so erstaunlicher anmutet, als der 29jährige Brite 22 Zentimeter kleiner und fast 50 Kilo leichter als der riesige Russe ist. Mit diesem Punktsieg (116:112, 116:112, 114:114) verbesserte der Schützling von Trainer und Manager Adam Booth seine Bilanz auf 23 gewonnene Auftritte bei nur einer Niederlage, während sich Walujew in seinem 53. Kampf zum zweiten Mal geschlagen geben mußte.

Die Kampfesweise der Kontrahenten entsprach weitgehend den skeptischen Erwartungen, wobei der allzu statisch in der Ringmitte agierende Titelverteidiger den beweglichen Herausforderer nicht zu stellen vermochte. Während sich der Russe im Kreis drehte, tanzte David Haye um ihn herum, stieß vor und wich schnell wieder zurück. Walujews absehbare Schläge gaben dem Gegner zumeist Raum, sich zu ducken, wegzupendeln oder mit einem raschen Schritt auszuweichen.

Nikolai Walujew versuchte zunächst, nach vorne zu marschieren und den Briten zu stellen, während dieser ausgesprochen defensiv begann und auf Gelegenheiten für Konter aus war. In der Folge verschaffte sich der Titelverteidiger mit der Führhand leichte Vorteile, die Haye jedoch mit gefährlichen Haken zum Kopf beantwortete, die Walujew freilich unbeeindruckt ließen. Dieses Bild setzte sich geraume Zeit fast stereotyp fort, da es der Russe unterließ, bei gelungenen Treffern nachzusetzen, und der Brite reichlich Platz für Kombinationen hatte.

Dabei wirkte der lauffreudige David Haye keineswegs erschöpft, sondern schien in der zweiten Kampfhälfte sogar schneller zu werden. War das Ringgeschehen bis dahin ausgeglichen, so neigten sich die Vorteile nun dem Briten zu, der vor allem die zehnte und elfte Runde für sich verbuchte. Da er jedoch seiner Sache nicht sicher sein konnte, erhöhte er in den letzten drei Minuten noch einmal den Druck und brachte den Riesen mit einer Serie schwerer Treffer sogar ins Wanken.

Ein sonderlich schöner oder spannender Kampf war es nicht, zumal die wenigen klaren Treffer zumeist kurz vor Rundenende fielen, wenn die Kontrahenten hofften, damit Eindruck bei den Punktrichtern zu hinterlassen. Wie David Haye nach seinem Sieg erklärte, sei es eben so gut wie unmöglich, den größten und schwersten Boxer auf andere Weise zu besiegen. Zudem hatte sich der Herausforderer bereits in der zweiten oder dritten Runde eine Verletzung an der rechten Schlaghand zugezogen, als er zwei Finger bei einem Schlag gegen den Kopf seines Gegners schwer lädierte.

Dieses Handicap verminderte Hayes Möglichkeiten, den Russen wie angekündigt niederzuschlagen, wobei er nach dem Kampf einräumte, daß Walujew ungeheuer robust und kaum zu erschüttern sei. Der Kopf des Riesen sei härter als der härteste Sandsack. Gewißheit habe er erst bei der offiziellen Urteilsverkündung gehabt, zumal zuvor bereits durchgesickert war, daß ein Punktrichter unentschieden gewertet hatte und ein Heimvorteil des Titelverteidigers nicht auszuschließen war. Hayes entscheidende Vorteile waren seiner eigenen Einschätzung zufolge Schnelligkeit und Athletik, die Walujew überforderten, der nicht wie erhofft zum Zuge kam. "Es war nie geplant, daß dies der spektakulärste Kampf aller Zeiten wird", wußte der Brite um die Grenzen seines Auftritts unter den gegebenen Voraussetzungen.

Er hatte vor dem Duell nach Kräften provoziert und Walujew beleidigt, wobei er seine Prahlerei bis in den Ring hinein fortsetzte. Wie es zunächst hieß, habe sich der Brite in seiner Kabine eingeschlossen. Als er dann mit gehöriger Verzögerung erschien, tanzte er zunächst ausgiebig umher und präsentierte sich selbstgefällig den Zuschauern. Als der Kampf endlich eingeläutet war, stellte Haye jedoch unter Beweis, daß er seinen großspurigen Worten durchaus Taten folgen lassen kann.

Als er nach seinem Triumph vor die Journalisten trat, wirkte er glücklich und entspannt, jedoch für seine Verhältnisse beinahe zurückhaltend und bescheiden. Er zollte Nikolai Walujew großen Respekt und erklärte, er habe eben versucht, den Kampf zu vermarkten, wozu ein wenig Show gehöre. Wie ein Blick auf die Zuschauerränge gezeigt habe, seien offenbar mehr englische als deutsche Fans in der Halle gewesen. Würden sie kommen, wenn er einen schlechten Stil hätte, fragte Haye rhetorisch. Er habe bewiesen, daß er nicht nur Sprüche klopfe, sondern auch Ergebnisse liefere, indem er den größten und schwersten Champion aller Zeiten besiegt habe.

Es sei ein unglaubliches Gefühl, wenn etwas in Erfüllung geht, von dem man sein Leben lang träumt. Jeder habe gedacht, daß er verrückt sei, gegen einen so großen Boxer zu kämpfen. "Es war immer mein Traum, Schwergewichtsweltmeister zu werden. Heute ist das wahr geworden. Ich hatte eine gute Strategie. Zwar konnte ich die Rechte zeitweise nicht so bringen, wie ich mir das vorgestellt hatte, dafür lief es mit der Linken sehr gut. Was machst du, wenn du dir den Traum deines Lebens erfüllt hast? Feiern natürlich, schlafen werde ich heute Nacht nicht!"

Nikolai Walujew sagte nach seiner Niederlage traurig: "Ich möchte mich entschuldigen, daß ich die Fans enttäuscht habe. Eine Sache ist schiefgelaufen, die ich nicht erwartet hatte: Der Kampf war ein Marathon, wie ein Leichtathletikwettkampf. Ich war einfach nicht in der Lage, so viel zu laufen. Die letzte Runde hat entschieden."

Sein Trainer Alexander Zimin wirkte etwas ratlos: "Haye war unglaublich schnell. In der zweiten Hälfte hat es so gewirkt, als ob er noch schneller wurde. Niko hingegen hat nicht alles umgesetzt, was wir geplant haben. Er sollte immer wieder angreifen, aber das ist leider ausgeblieben. Der Kampf war generell nicht sonderlich interessant. Es war ein Hin-und-her-Gerenne. Ich weiß nicht, was ich von dem Kampf halten soll."

Promoter Wilfried Sauerland gratulierte David Haye zum verdienten Sieg und erklärte unumwunden, daß das Urteil der Punktrichter in Ordnung gehe: "Der Kampf war von Taktik geprägt. Haye hat es geschickt gemacht und immer am Ende einer Runde zwei Treffer gesetzt. Das hat gereicht, um die Runden zu gewinnen, weil Niko fast gar nicht getroffen hat. Niko hat häufig den zweiten Angriff verpaßt. Statt nachzulegen, ist er häufig stehengeblieben, so ähnlich wie gegen Holyfield. Nach der Niederlage werden wir mit Niko in den nächsten Wochen über seine Zukunft reden."

Don King, der Co-Promoter Walujews, lobte den Sieger mit den Worten: "Haye hat eine brillante Vorstellung gezeigt und seinen Plan perfekt umgesetzt. Lang lebe der Hayemaker, lange lebe die Queen! God save the Queen!"

8. November 2009