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PROFI/510: Glück und Können Marco Hucks beim Sieg über Rogelio Rossi (SB)



Überforderter Argentinier in der sechsten Runde am Ende

Marco Huck hat den Titel des WBO-Weltmeisters im Cruisergewicht erfolgreich verteidigt. Der 26 Jahre alte Weltmeister aus dem Sauerland-Boxstall besiegte vor 4.200 Zuschauern in der ausverkauften Arena Ludwigsburg den Argentinier Rogelio Rossi durch einen spektakulären K.o. in der sechsten Runde. Allerdings konnte der Champion von Glück reden, daß er nicht nach der vierten Runde wegen Nachschlagens disqualifiziert wurde. Während der Bielefelder damit 34 Profikämpfe gewonnen und einen verloren hat, stehen für seinen 30jährigen Gegner 17 Siege, drei Niederlagen sowie ein Unentschieden zu Buche.

Da der Weltmeister den Kampf ruhig angehen ließ, konnte Rossi zunächst noch mithalten. Als Huck jedoch in der dritten Runde das Tempo erhöhte und Druck machte, stellte sich rasch heraus, daß der Argentinier wie erwartet überfordert war. In seinen boxerischen Mitteln begrenzt, landete der Herausforderer mehrfach Tiefschläge, wofür er von Ringrichter Paul Thomas schließlich verwarnt wurde. Noch in der dritten Runde ging der argentinische Rechtsausleger zu Boden, doch war er eher nach unten gedrückt als ernsthaft getroffen worden.

Im vierten Durchgang setzte sich der Titelverteidiger mit seiner starken Führhand in Szene. Nachdem Rossi zum Ende der Runde noch einmal geschlagen hatte, revanchierte sich Huck nach Ertönen des Pausengongs mit einem Niederschlag. Daraufhin zog ihm der Referee zwei Punkte wegen Nachschlagens ab. Hätte der Argentinier den Kampf in dieser Situation beendet, wäre der Weltmeister disqualifiziert worden. Der Herausforderer kam jedoch zum fünften Durchgang zurück, worauf das Verhängnis seinen Lauf nahm. Huck bearbeitete ihn zunächst in der Ecke mit einem Hagel von Schlägen, stellte ihn wenig später an den Seilen und schickte ihn schließlich mit einer schweren Linken zu Boden. In der sechsten Runde streckte der Champion den Argentinier dann mit einer Rechten zum Kinn endgültig nieder.

Dabei schlug der Herausforderer mit dem Kopf so unglücklich auf den Boden, daß er für einen Augenblick das Bewußtsein verlor und danach mehrere Minuten benötigte, um sich zu erholen und wieder auf die Beine zu kommen. Er wurde dabei von Ringarzt Prof. Walter Wagner und einem zweiten Arzt betreut, worauf später die in solchen Fällen obligatorische Untersuchung per Computertomografie im Krankenhaus folgte. Deshalb konnte der Argentinier auch nicht an der nachfolgenden Pressekonferenz teilnehmen.

"Ich hätte Huck disqualifiziert, wenn Rossi sich nicht erholt hätte. Da lassen die Regeln keinen Spielraum", erklärte der britische Ringrichter Paul Thomas hinterher. Wie der Trainer des Herausforderers, Luis Barrera, berichtete, habe er tatsächlich erwogen, den Kampf zu beenden. Sein Schützling wollte jedoch ein fairer Sportsmann sein und seine Chance im Ring suchen.

Während Marco Huck zunächst behauptete, er habe genau mit dem Gong zugeschlagen, räumte er später ein, daß es ihm natürlich leid tue. Dann verkündete er im Überschwang des Sieges, er wolle nun auch das Schwergewicht heimsuchen: "Ich glaube, die Leute haben die Schnauze voll von immer nur Vitali und Wladimir Klitschko. Es wird Zeit, daß ich die mal aufmische. Ich habe gezeigt, wie ich drauf bin. Jeder hat gesehen, ich schlage kurz und klein, was sich mir in den Weg stellt!"

Trainer Ulli Wegner sprach hingegen Klartext: "Wir brauchen uns nichts vorzumachen, Rossi und sein Team haben sich in dieser Situation sehr fair verhalten. Dennoch hat Marco einmal mehr sein Potential gezeigt." Den nicht zum ersten Mal geäußerten Wunsch seines Schützlings nach einem Aufstieg ins Schwergewicht kommentierte er trocken mit den Worten: "Wir träumen später weiter. Erstmal hat er noch genug schwere Kämpfe in seiner Klasse vor sich." Dann holte er Huck mit den Worten auf den Boden der Tatsachen zurück, er müsse solche Aufgaben souveräner lösen. Er solle sich erst einmal erholen, und hinterher werde man sich die Aufzeichnung des Kampf noch einmal gemeinsam ansehen. Daß er große Stücke auf seinen Schützling hält, mochte der 69jährige dennoch nicht verhehlen. Man habe nun achtmal den Titel verteidigt. Mit Sven Ottke sei ihm dieses Kunststück 22mal gelungen. Diese Marke wolle man gemeinsam überbieten. Marco sei eine Ausnahmeerscheinung, da er über eine unglaubliche Schlagwirkung verfüge.

Ob Marco Huck seinen Titel im nächsten Schritt gegen den Pflichtherausforderer verteidigen muß, wird sich nach Angaben seines Managements in Kürze herausstellen. Promoter Kalle Sauerland verwies zudem darauf, daß es drei weitere interessante Boxverbände gebe. Marco sei an einer Titelvereinigung interessiert, zumal im Cruisergewicht noch eine ganze Reihe hochklassiger Gegner auf ihn warteten. Seine Pläne, ins Schwergewicht aufzusteigen, würden sich sicher erfüllen. Da er aber erst 26 Jahre alt sei, habe man noch viel Zeit.

Neben Marco Huck hat das Team Sauerland mit dem Kubaner Juan Pablo Hernandez und Steve Cunningham aus den USA zwei weitere führende Cruisergewichtler unter Vertrag. Cunningham ist der einzige Kontrahent, gegen den Huck in seiner Profilaufbahn verloren hat, wobei diese Niederlage schon etliche Jahre zurückliegt. Am 1. Oktober hatte der US-Amerikaner den IBF-Titel an Hernandez verloren, der nach Abbruch wegen einer Verletzung und Auswertung der Punktzettel zum Sieger erklärt wurde. Nach Überprüfung mittels der Videoaufzeichnung beraumte der Verband jedoch eine Wiederholung an.

Das Limit im Cruisergewicht liegt bei rund 90 kg. Huck, der eigenen Angaben zufolge ohne Training 92 bis 93 kg auf die Waage bringt, ist wesentlich leichter als Vitali Klitschko, der bei seiner letzten Titelverteidigung gut 110 kg wog. Da Marco Hucks entscheidender Trumpf in Gestalt seiner Schlagwirkung angesichts des enormen Gewichtsunterschieds neutralisiert würde, und seine sonstigen boxerischen Mittel durchaus verbesserungswürdig sind, warnt sein Umfeld zu Recht vor einem übereilten Aufstieg in die Königsklasse.

Die Antwort aus dem Lager der Klitschkos ließ nicht lange auf sich warten. Theoretisch sei alles möglich. Aber Marco Huck müsse sich erst beweisen und in den Ranglisten hinten anstellen, sollte er ins Schwergewicht aufsteigen, dämpfte Manager Bernd Bönte überzogene Erwartungen. Ob Hucks boxerische Klasse ausreiche, wisse er allerdings nicht.

24. Oktober 2011