Schattenblick →INFOPOOL →SPORT → BOXEN

PROFI/541: Um Haaresbreite - Abraham ist wieder Weltmeister (SB)




Robert Stieglitz muß sich knapp nach Punkten geschlagen geben

Vor 7500 Zuschauern in der ausverkauften Magdeburger Getec-Arena hat sich Arthur Abraham den WBO-Titel im Supermittelgewicht zurückgeholt. Der Berliner besiegte den amtierenden Weltmeister Robert Stieglitz in einem Kampf über zwölf Runden knapp mit 2:1-Punktrichterwertungen (115:110, 114:111, 112:113). Die beiden Boxer hatten sich zuvor bereits zweimal im Ring gegenübergestanden. Bei ihrem ersten Duell im August 2012 konnte sich Abraham in Berlin nach Punkten durchsetzen. Im zweiten Kampf nahm Stieglitz im März vergangenen Jahres in Magdeburg durch einen technischen K.o. in der vierten Runde erfolgreich Revanche. Beim dritten Aufeinandertreffen feierte Arthur Abraham nun den 39. Sieg im 43. Profikampf, während Stieglitz im 50. Kampf seiner Profikarriere die vierte Niederlage hinnehmen mußte. [1]

Die breite Mehrheit der Zuschauer feuerte den 32jährigen Lokalmatador stürmisch an, der mit einer ähnlichen Taktik wie bei seinem Sieg über den zwei Jahre älteren Abraham den Erfolg zu erzwingen versuchte. Stieglitz wirkte jedoch übermotiviert, rannte ungestüm an, und wenngleich er häufiger als sein Gegner schlug, fehlte es ihm doch sichtlich an Einfallsreichtum und Effektivität. Der Herausforderer boxte abgeklärter, blockte die meisten Schläge des Titelverteidigers mit seiner Doppeldeckung ab und landete die präziseren und härteren Treffer. Taktisch geschickt setzte er jeweils im letzten Drittel der Runde Akzente, was sich zweifellos auf den Zetteln der Punktrichter niederschlag. [2]

Die Kontrahenten gingen über weite Strecken ein hohes Tempo und lieferten einander einen erbitterten Kampf, der bisweilen in Regelwidrigkeiten ausartete. Während Abraham in der achten Runde einen Punktabzug wegen Haltens und Schlagens auf den Hinterkopf des Gegners erhielt, wurde der Magdeburger eine Runde später ebenfalls für Halten bestraft. Bis kurz vor Ende des Kampfs konnte keiner der beiden deutlichere Vorteile herausarbeiten, so daß ein Unentschieden in der Luft lag, bei dem Stieglitz den Gürtel behalten hätte. Keine 30 Sekunden vor dem Schlußgong erzielte Abraham jedoch mit einem linken Haken einen Niederschlag, nach dem sich Stieglitz gerade noch über die Zeit retten konnte.

Der Lokalmatador fühlte sich dennoch als Sieger und ließ sich von den Zuschauern feiern, bis das Urteil verkündete wurde, das vom jäh ernüchterten Publikum mit einem gellenden Pfeifkonzert quittiert wurde. Daß Stieglitz der aktivere von beiden gewesen war, Abraham jedoch wirkungsvoller geschlagen hatte, konnte man an den Gesichtern der Kontrahenten ablesen. Während der Magdeburger von diversen Schwellungen und Blutergüssen gezeichnet war, wies sein Gegner lediglich kleinere Kratzer auf.

Angesichts des knappen und umstrittenen Urteils endete der Kampf nicht im Ring. Promoter Ulf Steinforth, Trainer Dirk Dzemski und Robert Stieglitz wetterten über ein krasses Fehlurteil und fühlten sich betrogen. Vor allem das 115:110 des britischen Punktrichters Paul Thomas schlug ihnen schwer auf den Magen. So stritten sich die beiden Boxer und ihr Management zunächst munter weiter und sparten dabei nicht mit wütenden Seitenhieben. Sogar von mangelnder Gastfreundschaft war die Rede, wobei sich Abraham darüber beklagte, daß er für seine Familie und Freunde nur zwei Freikarten bekommen habe. Promoter Ulf Steinforth konterte mit dem Ausbruch, er halte dieses Gejammere für ekelhaft: "Er fährt hier mit seinem Ferrari vor und kann sich keine Eintrittskarten leisten?" Promoter Wilfried Sauerland fühlte sich als Gast "noch nie so schlecht behandelt". [3]

Er habe nicht mehr als vier Runden verloren, erklärte Robert Stieglitz, der die Wertung nicht nachvollziehen konnte. Allerdings mußte er einräumen, daß Abraham sehr gut eingestellt, schwer zu treffen und viel beweglicher als erwartet gewesen sei. Sein Trainer Dirk Dzemski zeigte sich tief enttäuscht über das Urteil. Ihn persönlich treffe das schwer, da er ein fairer Sportsmann sei. "Robert wurde um den Sieg betrogen", schimpfte Promoter Ulf Steinforth. Dennoch sei der Kampf eine vorzügliche Werbung für den Boxsport gewesen, weshalb er sich auf die nächsten Auftritte von Stieglitz freue.

Arthur Abraham sprach von einem extrem harten Kampf, dem schwersten der drei Duelle mit Stieglitz. Die Zuschauer hätten eine großartige Schlacht gesehen, die er mit seinen Treffern verdientermaßen für sich entschieden habe. Er habe zwei Monate im Trainingslager Kienbaum geackert, so lange wie nie zuvor. Diese Anstrengung habe sich gelohnt. Er freue sich über den Titelgewinn und könne jetzt endlich wieder ruhig schlafen.

Sein Trainer Ulli Wegner zeigte sich erleichtert und glücklich. Wieder einmal hatte der 72jährige allen Kritikern bewiesen, wie gut er seinen Job beherrscht. Erneut hatte er es verstanden, seinen schon abgeschriebenen Schützling zurück auf den Thron des Weltmeisters zu führen. Er sei sehr zufrieden, da Arthur die klaren Wirkungstreffer gesetzt habe. Zugleich zollte er "dem Löwenmut von Robert Stieglitz" Respekt. Promoter Wilfried Sauerland sprach von einem knappen, aber verdienten Sieg Abrahams. Sein Sohn Kalle fügte hinzu, daß sich Stieglitz über die Jahre sehr verbessert habe. Es sei ein toller Kampf und eine großartige Werbung für diesen Sport gewesen. [4]

Die Wertung des britischen Punktrichters sei wohl zu hoch ausgefallen, meinte Sven Ottke, Abrahams einstiger Teamgefährte. Den unerwarteten Sieg des Herausforderers schmälere das aber nicht. Robert habe wie in einem Tunnel geboxt, "so konnte es nichts werden". Ähnlich sah es Regina Halmich, die den Berliner als gewieftes Schlitzohr bezeichnete. Daß er so nervenstark zu Werke gehen würde, hätte sie ihm nicht mehr zugetraut", so die frühere Weltmeisterin.

Die Niederlage stellt für Robert Stieglitz und sein sportliches Umfeld einen schmerzlichen Rückschlag dar. Der Magdeburger SES-Boxstall, bei dem er seit seinem Profidebüt 2001 unter Vertrag steht, wähnte sich durch ihn auf dem sicheren Weg zu einem bedeutenden Akteur im deutschen und internationalen Boxgeschäft. Nur dank des Fernsehpartners Sat.1 war es Steinforth möglich gewesen, die Austragungsrechte für 3,1 Millionen Euro zu ersteigern. Nie zuvor wurde soviel Geld für einen Kampf in Deutschland geboten.

Für die Berliner Konkurrenz sieht die Zukunft wieder hoffnungsvoller aus. In den anstehenden Verhandlungen zur Verlängerung des Fernsehvertrags mit der ARD über 2014 hinaus kann Sauerland Event mit dem populären Arthur Abraham, der seit Jahren der überlebenswichtige Quotenbringer ist, ihren höchsten Trumpf ziehen. "Ich bin so zufrieden, das kann sich niemand vorstellen. Jetzt haben wir wieder gute Karten", so Promoter Wilfried Sauerland. Er wurde am 29. Februar geboren und feierte am 28. Februar seinen 74. Geburtstag, zu dem ihm Abraham nachträglich das schönste Geschenk gemacht hat. Der Kampf in Magdeburg war ein Publikumsmagnet: Im Schnitt verfolgten 4,20 Millionen Fernsehzuschauer das Duell.

Bereits am 31. Mai soll der neue WBO-Weltmeister seinen Titel erstmals verteidigen. Zu dem in der Vergangenheit immer wieder geforderten Duell mit Felix Sturm, der im Mittelgewicht IBF-Weltmeister ist, wird es laut Sauerland nicht kommen. Auch einen vierten Kampf gegen Stieglitz schloß der Promoter auf absehbare Zeit aus. Abraham muß erst in neun Monaten eine Pflichtverteidigung bestreiten. Sollte der Magdeburger dann wieder an Nummer eins der WBO-Weltrangliste stehen, käme es allerdings zwangsläufig zum nächsten Aufeinandertreffen der Erzrivalen.


Fußnoten:

[1] http://www.abendblatt.de/sport/article125332674/Abraham-holt-sich-den-WM-Titel-nach-Ringschlacht-zurueck.html

[2] http://www.n-tv.de/sport/Abrahams-WM-Sieg-erhitzt-die-Box-Gemueter-article12376141.html

[3] http://www.welt.de/sport/boxen/article125338871/Schlitzohr-Abraham-feiert-seinen-verdienten-Sieg.html

[4] http://www.boxen-heute.de/artikel/5548-robert-stieglitz-vs-arthur-abrahamulf-steinforth-ich-fuehle-mich-hier-um-den-sieg-betrogen.html

2. März 2014