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PROFI/598: Favoritensturz im Klammergriff (SB)



Lucas Matthysse muß sich Viktor Postol geschlagen geben

Viktor Postol hat den vakanten Titel des WBC im Halbweltergewicht gewonnen. Der Ukrainer setzte sich vor 7000 Zuschauern in Carson, Kalifornien, überraschend durch K.o. in der zehnten Runde gegen den favorisierten Lucas Matthysse durch und ist damit in 28 Profikämpfen ungeschlagen, während für den Argentinier nun 37 Siege und vier Niederlagen zu Buche stehen. Als Matthysse in der entscheidenden Szene am linken Auge getroffen wurde, sank er auf ein Knie nieder und ließ sich von Ringrichter Jack Reiss auszählen. Er wirkte dabei wie ein Boxer, der den Kampf aufgab, weil er kein Mittel gefunden hatte, an den wesentlich größeren Gegner heranzukommen.

Postol erinnerte in seiner Kampfesweise an Wladimir Klitschko, da er nach jedem erzielten Treffer sofort zu klammern begann, um Matthysses Angriffe im Keim zu ersticken. Er ging sogar noch einen Schritt weiter als sein prominenter Landsmann und hielt den Gegner häufig fest, ohne zu schlagen. Da der Referee nicht konsequent gegen das ständige Klammern einschritt, hatte Matthysse keine Chance, zumal er den Kontrahenten in zunehmendem Maße gewähren ließ, statt wie in der Anfangsphase auch im Clinch weiter zu schlagen. Aus der Distanz war Postol mit seinen langen Jabs und Kombinationen überlegen, die zwar schwächer als die Schläge des Argentiniers ausfielen, aber doch ihr Ziel fanden. Näherte sich Matthysse dem Gegner, wich dieser zurück oder klammerte sofort.

Dennoch machte der Favorit in der ersten Hälfte des Kampfs insofern die bessere Figur, als er aggressiver zur Sache ging und wirksamer schlug. Als Postol in der sechsten Runde noch häufiger zu klammern begann, handelte er sich zwar die zweite Ermahnung ein, doch wurde er weder in dieser Phase noch später mit einem Punktabzug bestraft. In der siebten Runde drehte Matthysse noch einmal auf und trieb den Kontrahenten mit etlichen wuchtigen Treffern zurück. Zum Wendepunkt kam es dann im folgenden Durchgang, als Postol mit einem linken Haken traf, der den Argentinier zu einer Kehrtwende und rücklings in die Seile zwang. Von diesem Augenblick an schien Matthysse den Faden verloren zu haben, während der Ukrainer Morgenluft witterte und ihn zu jagen anfing. Fortan dominierte Postol den Kampf, traf fast nach Belieben und klammerte weiter, was das Zeug hielt, was der Argentinier ohne größere Gegenwehr über sich ergehen ließ. Dieses Bild setzte sich fort, bis sich Matthysse in der zehnten Runde endgültig in sein Schicksal ergab. [1]

Nach 17 Monaten Wartezeit als Pflichtherausforderer wußte Viktor Postol seine Chance zu nutzen, was nicht zuletzt auf eine ausgezeichnete Vorbereitung durch seinen Trainer Freddy Roach zurückzuführen sein dürfte. Dessen Äußerung, der Ukrainer sei ab sofort sein wichtigster Schützling noch vor Manny Pacquiao, hatte vor kurzem noch Kopfschütteln ausgelöst. Wie sich nun zeigte, hatte man im Wild Card Boxing Club in Hollywood erstklassige Arbeit geleistet und den 31jährigen Außenseiter vorzüglich in Position gebracht.

Der zwei Jahre ältere Lucas Matthysse war bislang wegen seiner Schlagwirkung gefürchtet und hatte diverse namhafte Gegner besiegt, bis er sich im September 2013 Danny Gracia geschlagen geben mußte. Auf diese Niederlage folgten drei gewonnene Kämpfe, wobei er sich im April einen furiosen Schlagabtausch mit dem Russen Ruslan Prowodnikow lieferte. Als Gracia schließlich seine beiden Titel niederlegte, weil er ins Weltergewicht aufstieg, schien der Gürtel des Weltmeisters für Matthysse in greifbare Nähe gerückt zu sein.

Die Niederlage ließ nicht nur die langgehegten Titelträume des Argentiniers platzen, sondern beraubt ihn auch der Chance, den erhofften Kampf gegen Manny Pacquiao zu bekommen, wenn dieser nach seiner Verletzungspause im Frühjahr 2016 in den Ring zurückkehrt. Bob Arum, der Promoter des Philippiners und Co-Promoter Viktor Postols, hatte Matthysse als möglichen Kandidaten genannt, sofern sich dieser gegen den Ukrainer durchsetzen würde. Viktor Postol kommt als Gegner Pacquiaos kaum in Frage, da er einerseits wesentlich größer als der Philippiner und andererseits relativ unbekannt in den USA ist.

Arum hat jedoch auch Terence Crawford unter Vertrag, der den WBO-Titel im Halbweltergewicht innehat und diesen am 24. Oktober erstmals gegen Dierry Jean verteidigt. Sollte sich Crawford wie erwartet durchsetzen, könnte ein Vereinigungskampf gegen Postol darüber entscheiden, wer in dieser Gewichtsklasse dominiert. Der Ukrainer zeigte sich angetan von dieser Option, während sich Arum mit der Äußerung bedeckt hielt, Top Rank werde Postol viele große Kämpfe verschaffen. [2]


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2015/10/postol-destroys-matthysse-captures-wbc-140lb-title/#more-199965

[2] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/13803711/viktor-postol-defeats-lucas-matthysse-10th-round-knockout

5. Oktober 2015


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