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PROFI/608: Blitz in Brooklyn (SB)



Daniel Jacobs braucht nur 85 Sekunden für Peter Quillin

Daniel Jacobs brauchte nur 85 Sekunden, um die Frage zu klären, wer gegenwärtig der beste Mittelgewichtler aus Brooklyn ist. Vor 8442 Zuschauern im Barclays Center verteidigte der 28jährige reguläre Weltmeister der WBA seinen Titel durch technischen K.o in der ersten Runde erfolgreich gegen den favorisierten vier Jahre älteren Peter Quillin. Während Jacobs nunmehr 31 Auftritte gewonnen und einen verloren hat, stehen für den gescheiterten Herausforderer 32 Siege, eine Niederlage sowie ein Unentschieden zu Buche.

Wenngleich Quillin von Beginn an in die Offensive ging, war es doch Jacobs, der immer wieder versuchte, rechte Konter über den nicht sonderlich gefährlichen Jab des Gegners zu schlagen. Nachdem er den Herausforderer einige Male verfehlt hatte, traf der Titelverteidiger den Kontrahenten voll an der Schläfe, worauf Quillin in die Seile zurücktaumelte, die seinen Sturz verhinderten. Nach kurzem Zögern setzte der Champion nach und deckte den Gegner mit einem Hagel von Schlägen ein, bis er zwei wuchtige Rechte zum Kopf durchbrachte. Quillin hielt sich nur mühsam auf schwankenden Beinen aufrecht, während Ringrichter Harvey Dock schützend die Arme um ihn legte und damit den Kampf für beendet erklärte. [1]

Den Zuschauern, die beim Einläuten aufgesprungen waren, um die Kontrahenten stehend anzufeuern, gefiel dieses jähe und völlig unerwartete Ende natürlich ganz und gar nicht, weshalb sie ungläubig und empört auf die Entscheidung des Referees reagierten. Auch Quillin war mit dem frühzeitigen Abbruch zunächst nicht einverstanden, räumte aber später nach einer Sichtung der Videoaufzeichnung ein, daß ihn Jacobs mit voller Wucht getroffen habe. Selbst der Sieger gab zu bedenken, daß er anstelle des Ringrichters dem Gegner noch eine Chance gegeben hätte, den Kampf fortzusetzen. Dessen ungeachtet war es keinesfalls eine Fehlentscheidung, da der Herausforderer nur noch auf wackeligen Beinen stand und mit glasigem Blick verteidigungsunfähig wirkte. Laut der Statistik von CompuBox hatte Quillin von 16 Schlägen nur zwei ins Ziel gebracht, während Jacobs bei 53 Versuchen 27 Treffer erzielen konnte. [2]

Jacobs und Quillin, die schon seit Amateurzeiten befreundet sind, hatten im Vorfeld des Kampfs ihre gegenseitige Wertschätzung zum Ausdruck gebracht. Daran änderte sich auch durch den unverhofften Verlauf ihres Aufeinandertreffens im Ring nichts, das mit einer Umarmung endete. Wie Jacobs erklärte, sei Quillin wie ein Bruder für ihn. Er empfinde nichts als Respekt für Peter und dessen Familie. Darauf erwiderte der Herausforderer, wenn er sich denn schon geschlagen geben müsse, gebe es dafür keinen Besseren als Danny Jacobs.

In einer Stellungnahme zum Kampfverlauf machte Jacobs die Auffassung geltend, daß es beim Boxen keine Glückstreffer gebe. Er habe wuchtige Schläge abgefeuert und mehrere davon sauber ins Ziel gebracht. Nach dem ersten Treffer an der Schläfe habe er sofort gesehen, wie schwer Quillin davon erschüttert worden war, und entschlossen nachgesetzt. An diesem Abend habe der Bessere gewonnen. Der Verlierer trug seinem Gegner nichts nach und erklärte, so etwas könne eben beim Boxen passieren. Im übrigen führe Jacobs einen ganz anderen Kampf, für den er ihn bewundere. Mit dieser Bemerkung bezog sich Quillin darauf, daß Jacobs vor einigen Jahren an Knochenkrebs erkrankt war, aber nicht nur überlebt, sondern seine Karriere erfolgreich fortgesetzt hatte.

Der Sieger zeigte sich zu einer sofortigen Revanche bereit, falls die Fans das wünschten. Er wolle gegen die Besten kämpfen, wobei Peter Quillin jederzeit Vorrang habe, sollte dieser einen umgehenden Rückkampf bevorzugen. Quillin selbst schloß diese Option nicht aus, erklärte aber zurückhaltend, er wolle sich zunächst mit seiner Familie zusammensetzen und die nächsten Schritte in Ruhe beraten. Mit einer Börse von je 1,5 Millionen Dollar haben beide in finanzieller Hinsicht einen guten Schnitt gemacht, was insbesondere darauf zurückzuführen war, daß sich ihr Duell der Lokalmatadoren in Brooklyn ausgezeichnet vermarkten ließ. [3]

Der Titel des regulären Weltmeisters der WBA, den Daniel Jacobs damit zum dritten Mal erfolgreich verteidigt hat, ist unter dem des Superchampions angesiedelt, den Gennadi Golowkin bei diesem Verband in seinem Besitz hat. Die Mehrzahl der Experten dürfte in dem Kasachen inzwischen den führenden Akteur im Mittelgewicht sehen, wenngleich der frisch gekürte WBC-Champion Saul "Canelo" Alvarez dank seiner riesigen mexikanischen Fangemeinde weitaus populärer ist. Daher zieht Jacobs eher im Schatten der prominentesten Mittelgewichtler seine Kreise, wobei er seine Reputation durch den unerwarteten Erfolg gegen Quillin zweifellos erheblich aufgebessert hat.

Peter Quillin, der früher WBO-Weltmeister im Mittelgewicht war, hatte den Titel im September 2014 niedergelegt, wohl um mehr Zeit mit seinem neugeborenen Sohn und dem im Sterben liegenden Onkel zu verbringen, der wie ein Vater für ihn gewesen war. Trotz seines Verzichts auf den Gürtel bekam er bereits im April 2015 eine erneute Titelchance, die er jedoch nicht nutzen konnte. Da er beim offiziellen Wiegen zu schwer war, erlosch sein Anspruch schon vor dem Kampf gegen den Champion Andy Lee, der dennoch ausgetragen wurde. Quillin schickte den Iren zweimal auf die Bretter, der jedoch nie aufsteckte und sich seinerseits mit einem Niederschlag revanchierte. Am Ende trennten sich die beiden mit einem Unentschieden, das den Ruf des bis dahin unterschätzten Lee festigte, jedoch Zweifel an dem zuvor hoch gehandelten Quillin wachrief. Nachdem er nun gegen Jacobs verloren hat, ist der mutmaßliche Plan, als Weltmeister zurückzutreten und sich nach einer Pause auf schnellstem Weg einen neuen Gürtel zu beschaffen, gescheitert.

Daniel Jacobs hatte den Titel im vergangenen Jahr durch einen Sieg über den Australier Jarrod Fletcher gewonnen und seither gegen Caleb Truax, Sergio Mora und nun sogar Peter Quillin erfolgreich verteidigt. Normalerweise müßte er bereits nach zwei freiwilligen Titelverteidigungen gegen den Pflichtherausforderer antreten, der am 12. Dezember in der Londoner O2 Arena im Kampf zwischen Gary O'Sullivan und Chris Eubank jun. gekürt wird. Sollte es zu einer Revanche mit Quillin kommen, wäre dies bereits die vierte freiwillige Titelverteidigung für Jacobs. Die Entscheidung darüber liegt daher weniger bei den beiden Boxern als vielmehr bei der Verbandsführung der WBA.

Allerdings stehen Jacobs und Quillin bei dem Berater Al Haymon unter Vertrag, dessen Wort in diesem Zusammenhang letzten Endes das größte Gewicht haben dürfte. Sollte Haymon beschließen, daß eine Revanche die günstigste Option sei, könnte er bei der WBA geltend machen, daß der rasche Abbruch des Kampfs umstritten war und daher eine Neuauflage im besten Interesse aller Beteiligten wie insbesondere des Publikums sei. Wer dem Mißverständnis aufsitzt, hier sei ein salomonisches Urteil gefragt, könnte natürlich vorschlagen, daß Daniel Jacobs zuerst gegen den neuen Pflichtherausforderer antritt und im Falle eines Sieges hinterher noch einmal auf Peter Quillin trifft. Das kann aus Perspektive Al Haymons jedoch nur eine unter mehreren Möglichkeiten sein, die er gegeneinander abzuwägen hat. Verlöre Eubank, der ebenfalls bei ihm unter Vertrag steht, gegen O'Sullivan, und setzte sich dieser gegen Jacobs durch, stünde Haymon mit leeren Händen da. Er wird daher erst einmal abwarten, wie der Ausscheidungskampf in London ausgeht, ehe er weitere Pläne schmiedet.


Fußnoten:

[1] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/14299378/daniel-jacobs-defeats-peter-quillin-first-round-tko-retain-wba-middleweight-belt

[2] http://www.boxingnews24.com/2015/12/quillin-lands-only-2-punches-in-1st-round-tko-loss-to-jacobs/#more-202923

[3] http://www.boxingnews24.com/2015/12/jacobs-ill-definitely-give-quillin-a-rematch/#more-202919

6. Dezember 2015


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