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PROFI/625: Zu früh für den sportlichen Ruhestand? (SB)



Manny Pacquiao glänzend gegen Timothy Bradley aufgelegt

Sollte dies tatsächlich der letzte Auftritt Manny Pacquiaos gewesen sein, so hat sich der legendäre Philippiner mit einer rundum überzeugenden Vorstellung verabschiedet. Er schickte vor 14.665 Zuschauern in der MGM Grand Garden Arena in Las Vegas seinen Gegner Timothy Bradley in der siebten und neunten Runde auf die Bretter, worauf er schließlich den hochklassigen Kampf im Weltergewicht einstimmig nach Punkten gewann (116:110, 116:110, 116:110). Nach 21 Jahren im Profigeschäft stehen für den 37jährigen Pacquiao damit 58 Siege, sechs Niederlagen und zwei Unentschieden zu Buche, während der fünf Jahre jüngere Bradley 33 gewonnene und zwei verlorene Auftritte sowie ein unentschieden gewertetes Duell auf dem Konto hat.

Pacquiao hat somit die Trilogie seiner Begegnungen mit dem US-Amerikaner aus Palm Springs nach offizieller Lesart mit zwei Siegen und einer Niederlage zu seinen Gunsten entschieden. Die Mehrzahl der Experten geht indessen davon aus, daß der Philippiner in allen drei Kämpfen der bessere Akteur war. Er dominierte 2012 das Geschehen im Ring, mußte sich aber am Ende umstritten mit 1:2 Punktrichterwertungen geschlagen geben - eine Fehlentscheidung, wie damals viele Beobachter meinten. Bei der Revanche im Jahr 2014 war dann an seinem Punktsieg nicht zu rütteln, worauf er sich nun mit der besten Leistung dieser Serie erneut durchgesetzt hat. [1]

Das vielbeachtete Aufeinandertreffen in Las Vegas war zugleich ein Duell zweier prominenter Trainer, die zu den anerkannt führenden Experten ihrer Zunft zählen. Der favorisierte Pacquiao wurde wie immer von Freddie Roach betreut, der mit ihrem gemeinsamen Werk höchst zufrieden sein kann. Auch Teddy Atlas gebührt Hochachtung, da er Bradleys Auftritt in nur zwei Kämpfen ihrer wesentlich kürzeren Zusammenarbeit deutlich verbessert hat.

Anfang Mai 2015 hatte Manny Pacquiao in einem Kampf der Superlative gegen Floyd Mayweather klar den kürzeren gezogen, wobei ihn jedoch eine Schulterverletzung erheblich einschränkte. Er mußte sich einer Operation unterziehen, so daß vor dem aktuellen Auftritt niemand mit Sicherheit sagen konnte, ob der Philippiner vollständig wiederhergestellt war. Diesbezügliche Bedenken erwiesen sich jedoch als gegenstandslos, da Pacquiao nicht nur mit vollem Einsatz zu Werke gehen konnte, sondern buchstäblich an seine besten Zeiten erinnerte.

Die ersten vier Runden waren von einer vorsichtigen Herangehensweise geprägt, da beide Boxer bestrebt schienen, ihre Taktik zu etablieren. Während Bradley sehr beweglich agierte und einige gute Konter landen konnte, kam Pacquiao vor allem mit der gestochen scharfen linken Geraden zum Zuge. Im fünften Durchgang nahm das Gefecht schließlich Fahrt auf, da beiderseits für schwerere Treffer Maß genommen wurde. Bradley schlug mit Schwingern etliche Löcher in die Luft, traf aber auch einige Male, was gleichermaßen für den Philippiner galt. Nun kam es immer wieder zum offenen Schlagabtausch, den das Publikum mit hörbarer Begeisterung verfolgte.

Gegen Mitte des Kampfs begann sich abzuzeichnen, daß der Philippiner noch immer ungewöhnlich schnelle und präzise Kombinationen schlagen kann, während Bradley zusehends Probleme bekam, Treffer zu landen. Kurz vor Ende der siebten Runde ließ Pacquiao einem gelungenen Schlag mit der Linken sofort eine trockene Rechte folgen, worauf sein Gegner in die Knie ging und mit einem Handschuh den Boden berührte, was regelkonform als Niederschlag gewertet wurde. Teddy Atlas sah das Unheil heraufziehen und spornte seinen Schützling in der glücklich erreichten Pause energisch an, worauf Bradley mit vollem Einsatz in den folgenden Durchgang ging und unter anderem drei harte linke Haken ins Ziel brachte. Pacquiao mußte an die Seile zurückweichen, konnte sich aber aus der Affäre ziehen. Er klammerte kurz und blieb anschließend in Bewegung, so daß er keinen weiteren schweren Treffer einstecken mußte.

Während Bradley den ersten Niederschlag offenbar gut verkraftet hatte, galt das nicht für einen Volltreffer, der etwa eine Minute vor Ende der neunten Runde bei ihm einschlug. Der US-Amerikaner kam zwar wieder auf die Beine, lag aber inzwischen so deutlich nach Punkten im Rückstand, daß er im Endspurt alles auf eine Karte setzen mußte. Er versuchte im zehnten Durchgang, den Druck auf Pacquiao zu erhöhen, handelte sich dabei aber mehrere Linke des Kontrahenten ein. Vor Beginn der zwölften und letzten Runde tauschten die Kontrahenten nicht nur die obligatorische Berührung der Handschuhe aus, sondern umarmten einander zum Zeichen des Respekts. Die verbliebenen drei Minuten boxte Manny Pacquiao unter stehenden Ovationen der Zuschauer, die immer wieder seinen Vornamen skandierten, den Sieg sicher nach Hause.

Wie Pacquiao im anschließenden Interview erklärte, habe er in jeder Runde einen Niederschlag angestrebt. Bradley sei jedoch ein sehr zäher Gegner und erstklassiger Konterboxer, dem er höchsten Respekt zolle. Es sei nicht leicht gewesen, sich gegen ihn durchzusetzen, doch habe ihm seine Schulter keine Probleme bereitet. Es sei ein attraktiver Kampf zweier nahezu gleichwertiger Akteure gewesen, der beste in der Reihe ihrer drei Duelle. Teddy Atlas habe hervorragende Arbeit geleistet, da Timothy Bradley gefährlicher als bei ihren ersten beiden Begegnungen gekämpft habe.

Bradley, der in der Vergangenheit in zwei Gewichtsklassen insgesamt fünfmal Weltmeister geworden war, würdigte Pacquiao als außerordentlich starken Boxer, der gefährlich zuschlage und zugleich sehr geduldig zu Werke gehe. Er selbst sei jedoch ungeduldig geworden und prompt in die Schläge des Gegners gelaufen. Manny sei überaus schnell, explosiv und habe nach wie vor erstklassige Reflexe, so daß es schwer sei, sich gegen ihn zu verteidigen. Er gratuliere ihm zu einem verdienten Sieg. Dem schloß sich auch sein Trainer Teddy Atlas an, der Pacquiao einen großartigen Auftritt attestierte. Bezeichnenderweise übte Atlas keine Kritik an seinem Schützling, sondern übernahm die Verantwortung für das Scheitern mit den Worten, er habe nicht den bestmöglichen Job für Bradley gemacht.

Nach dieser überzeugenden Vorstellung Pacquiaos, der trotz seiner langen Karriere an diesem Abend keinerlei Ermüdungserscheinungen erkennen ließ, stand zwangsläufig die immer wieder gestellte Frage im Raum, ob er die Boxhandschuhe tatsächlich an den Nagel hängen wolle. Sein Trainer Freddie Roach hatte im Vorfeld des Kampfs erklärt, er werde jede Entscheidung Pacquiaos unterstützen, wie immer sie auch ausfalle. Nachdem sein Schützling jedoch so hervorragend gekämpft hatte, erklärte Roach unumwunden, daß er sich glücklich schätzen würde, könnte man noch einige Zeit weiter zusammenarbeiten. [2]

Pacquiao selbst ließ jedoch keinen Zweifel aufkommen, daß seine Karriere nunmehr beendet sei. Er werde zwar nach Hause gehen und in Ruhe darüber nachdenken, wolle aber künftig vor allem Zeit mit seiner Familie verbringen und dem Volk der Philippinen dienen. Er gehört dort als wiedergewählter Abgeordneter dem Parlament an und kandidiert im Mai mit offenbar guten Aussichten für einen der zwölf Sitze im Senat. Zudem engagiert sich der in seiner Heimat als Idol verehrte Boxer seit langem in verschiedenen karitativen Organisationen.

Manny Pacquiao kann auf eine beispiellose Karriere zurückblicken, die von überragenden Vorstellungen im Ring und einem ungewöhnlich bescheidenen Auftreten außerhalb desselben gekennzeichnet war. Er wurde angefangen vom Fliegengewicht bis hinauf ins Halbmittelgewicht Weltmeister in acht verschiedenen Gewichtsklassen und stand gemeinsam mit seinem Erzrivalen Floyd Mayweather über Jahre an der Spitze ihres Metiers. Als die beiden im Mai 2015 endlich aufeinandertrafen, brach dieses sportliche Großereignis mit einem Umsatz von rund 600 Millionen Dollar alle Rekorde. Mayweather nahm im September mit einem leichten Sieg gegen Andre Berto seinen Abschied, nun ist ihm Pacquiao offenbar mit dem Triumph über Timothy Bradley in den Ruhestand gefolgt.


Fußnoten:

[1] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/15174152/manny-pacquiao-outpoints-timothy-bradley-jr-final-fight

[2] http://www.boxingnews24.com/2016/04/pacquiao-decisions-bradley/#more-207906

12. April 2016


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