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PROFI/632: Zwillingsbrüder schreiben Geschichte (SB)



Jermall und Jermell Charlo Weltmeister in derselben Gewichtsklasse

Jermall und Jermell Charlo haben erreicht, was nie zuvor boxenden Zwillingsbrüdern gelungen ist, nämlich gleichzeitig Weltmeister in derselben Gewichtsklasse zu werden. Vor ihnen hatten es nur Khaosai und Khaokor Galaxy aus Thailand Ende der 80er Jahre geschafft, zugleich Titel innezuhaben, doch boxte der eine im Superfliegengewicht, während der andere im Bantamgewicht antrat. Zwei Tage vor ihrem Auftritt in Las Vegas hatten die Charlos ihren 26. Geburtstag gefeiert, worauf sie im Cosmopolitan ihre außergewöhnliche Woche im Ring krönten. Der eine Minute ältere Jermall Charlo setzte sich bei der zweiten Verteidigung des IBF-Titels im Halbmittelgewicht einstimmig nach Punkten gegen den ehemaligen Champion Austin Trout durch (116:112, 116:112, 115:113). Zuvor hatte sich sein Bruder Jermell bereits durch einen vorzeitigen Sieg in der achten Runde über John Jackson den seit dem Rücktritt Floyd Mayweathers vakanten WBC-Gürtel gesichert. Die Brüder aus Houston sind beide ungeschlagen, wobei Jermall Charlo nun 24 Siege und Jermell 28 Erfolge vorzuweisen hat. [1]

Jermall Charlo stand erstmals einem Rechtsausleger und zweifellos dem namhaftesten Gegner seiner Karriere gegenüber, da sich Austin Trout mit etlichen herausragenden Kontrahenten gemessen hatte. Der Champion wirkte jedoch massiver und stärker als der Herausforderer, wobei er seinen ausgezeichneten Jab um eine gefährliche Rechte ergänzte, deren wuchtige Treffer letztendlich den Ausschlag gaben. Wenngleich Trout in den meisten Runden mithalten konnte, wurden seine Angriffe umgehend von Attacken Charlos beantwortet, der auf diese Weise immer wieder die Oberhand gewann.

Nach einem ausgeglichenen Auftakt begann der Weltmeister von der dritten Runde an, den Kontrahenten des öfteren in die Defensive zu treiben, worauf Trouts rechte Augenpartie gegen Mitte des Kampfs anzuschwellen begann. Während des zehnten Durchgangs bildete sich dort eine Rißwunde, was dem Herausforderer während seiner gesamten Karriere noch nie passiert war. Nachdem Charlo die ersten sechs Runden dominiert hatte, verlor er vermutlich aus konditionellen Gründen später etwas den Schwung, so daß Trout mit einer höheren Schlagfrequenz aufwarten konnte. Möglicherweise sah sich der Champion aber auch zunehmend zur Vorsicht genötigt, da sein Gegner mit der Linken immer stärker zum Zuge kam.

Der Kampfverlauf war enger, als es im Urteil der Punktrichter zum Ausdruck kam, wobei das Publikum mehrheitlich in Austin Trout den Sieger gesehen hatte und sein Mißfallen zum Ausdruck brachte. Jermall Charlo wäre jedenfalls gut beraten, im Halbmittelgewicht zu bleiben und nicht eine Etage höher gegen Gennadi Golowkin, Saul "Canelo" Alvarez oder Daniel Jacobs anzutreten. Mit einem energischen Auftakt allein wäre es gegen diese Kontrahenten nicht getan, wobei man allerdings berücksichtigen muß, daß der Champion erstmals in seiner Karriere über volle zwölf Runden gehen mußte. Während Jermall Charlo eine Börse von 500.000 Dollar erhielt, gingen 300.000 Dollar an den 30 Jahre alten Austin Trout aus Las Cruces, New Mexico, für den nun 30 gewonnene und drei verlorene Auftritte zu Buche stehen. [2]

Im Kampf zwischen dem jüngeren Bruder Jermell Charlo und John Jackson trafen die beiden bestplazierten Akteure der WBC-Rangliste im Halbmittelgewicht aufeinander. Jackson machte lange Zeit die bessere Figur, so daß sein Gegner bei allen drei Punktrichtern im Rückstand lag, als er in der achten Runde mit einem Volltreffer das Blatt wenden konnte. Von einer schweren Rechten am Kopf getroffen, geriet Jackson ins Taumeln, worauf Charlo sofort mit einer Linken nachlegte. Da John Jackson über dem obersten Ringseil hing und sich nicht mehr verteidigte, erklärte der Referee Tony Weeks den Kampf nach 51 Sekunden des Durchgangs für beendet.

Dem 27jährigen John Jackson, der nun 20 Siege und drei Niederlagen vorzuweisen hat, blieb es versagt, dem Beispiel seines Vaters und Trainers Julian Jackson zu folgen, der 1987 Weltmeister im Halbmittelgewicht und später auch Champion im Mittelgewicht geworden war. Die aktuelle Niederlage erinnerte fatal an jene gegen Andy Lee, bei der Jackson klar die Oberhand gewonnen hatte, bis er in der fünften Runde plötzlich durch einem rechten Haken des Iren von den Beinen geholt wurde.

Jermell Charlo hatte bis zum Abbruch enorme Probleme mit Jackson gehabt, der als Wühler mit einem beständigen Drang zum Infight galt, sich aber diesmal überraschend aufs Boxen verlegte und ausgezeichnet deckte. Der Sieger räumte denn auch ein, daß er in Rückstand gelegen habe, da sich Jackson nicht wie erwartet zum Schlagabtausch stellte und viel bewegte. Deshalb sei eine taktische Umstellung erforderlich gewesen, die zunehmend gegriffen habe. Als der Gegner schließlich etwas nachgelassen habe, sei der günstige Augenblick gekommen, um seine Abwehr zu öffnen und ihn zu treffen. Hingegen wollte Jackson nicht gelten lassen, daß er kampfunfähig gewesen sei. Nach dem Treffer am Auge sei ihm der Mundschutz hervorgerutscht, den er wieder zurechtrücken wollte. In diesem Augenblick habe ihn der Gegner erneut getroffen, aber lediglich etwas benommen gemacht. An der Entscheidung ändert diese Einschätzung John Jacksons natürlich nichts, wobei festzuhalten bleibt, daß Jermell Charlo durchaus von Glück reden kann, die Oberhand behalten und es seinem Bruder gleichgetan zu haben. [3]


Fußnoten:

[1] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/15651453/twin-brothers-jermall-jermell-charlo-win-make-history

[2] http://www.boxingnews24.com/2016/05/jermall-charlo-beats-austin-trout-close-decision/#more-210553

[3] http://www.boxingnews24.com/2016/05/charlo-destroys-jackson/#more-210552

23. Mai 2016


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