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PROFI/662: Ein Spektakel - zwei Sieger (SB)



Floyd Mayweather und Conor McGregor teilen sich die Beute

Als Floyd Mayweather und Conor McGregor einander nach getaner Tat in den Armen lagen, hatten beide gewonnen. Mayweather, der das Duell durch technischen K.o. in der zehnten Runde für sich entscheiden konnte, führt nun mit einer makellosen Bilanz von 50 Siegen die ewige Bestenliste des professionellen Boxsports vor Rocky Marciano an. Obgleich der 40jährige US-Amerikaner seit zwei Jahren nicht mehr im Ring gestanden hatte, bot er eine exzellente technische und taktische Vorstellung. McGregor, der prominenteste Akteur der Mixed Martial Arts und Star der UFC, hatte sich in seinem allerersten regulären Boxkampf ausgezeichnet gehalten, die Anfangsphase zu seinen Gunsten gestaltet und Mayweather durchaus getroffen. Erst als sich der Ire bei seinen Attacken verausgabt hatte, zog Mayweather an, ließ dann wieder locker und spielte schließlich seine Schnelligkeit aus, bis Ringrichter Robert Byrd dazwischenging und auf Abbruch entschied. McGregor mußte sich nach mutigem Kampf geschlagen geben, doch landete er nicht auf den Brettern und hat kaum an Ansehen verloren. Daß ihn Mayweather von Anfang an gewähren und gut aussehen ließ, dürfte den meisten Zuschauern entgangen sein. [1]

In finanzieller Hinsicht haben beide ins Schwarze getroffen. Mit garantierten Börsen von 100 Millionen Dollar für Mayweather und 30 Millionen für McGregor werden sie am Ende mit bis zu 300 Millionen für den US-Amerikaner und 100 Millionen für den Iren einen astronomischen Schnitt machen. Wieviel genau dabei herausspringt und ob das Ergebnis sogar alle Rekorde sprengt oder eher doch magerer ausfällt, hängt vom Erlös des Bezahlfernsehens ab, das zu ermitteln noch Tage in Anspruch nehmen wird. Sind die Zuschauer mit einer skandalösen Farce betrogen worden? Die Preise der Eintrittskarten waren viel zu hoch für ein Durchschnittspublikum, und die 100 Dollar für die Übertragung im Pay-TV konnte sich nur jemand leisten, der gut bei Kasse ist. Doch davon abgesehen, daß Profiboxen längst ein Luxus für bessergestellte Interessenten ist, den sich die rasant wachsende Zahl in Armut lebender Menschen in den USA ohnehin nicht leisten kann, wußte im Grunde jeder zahlende Kunde, worauf er sich einläßt.

Die Kontroverse darüber, ob das Spektakel nicht ausschließlich eine Geldmaschine für die beiden Hauptdarsteller, die Sender und das ökonomische Umfeld sei, zieht sich seit Monaten hin, so daß niemand allen Ernstes behaupten kann, er habe einen ganz normalen Boxkampf erwartet und sei nun tief enttäuscht. Man muß Mayweather und McGregor jedenfalls zugestehen, daß sie das Beste aus der Konstellation gemacht, ja diese überhaupt erst inszeniert haben. Mit einem enormen Aufwand und ihrem beiderseitigen Talent als Unterhaltungskünstler haben sie ein Kunstwerk effizienter Vermarktung hervorgebracht, das seinesgleichen sucht. Ihre Promotionsfirmen stampften innerhalb weniger Monate eine weithin beachtete Kampagne aus dem Boden. Mittels Fernsehsendern, sozialen Medien, Sponsoren und einer Pressetour durch verschiedene Metropolen auf mehreren Kontinenten schürten sie einen derartigen Hype, daß das Gesamtergebnis der Veranstaltung in der T-Mobile Arena in Las Vegas auf eine Milliarde Dollar geschätzt wird.

Wie Mayweather im Vorfeld eingeräumt hatte, sei er nicht mehr derselbe Boxer wie vor 21 Jahren. Er sei nicht derselbe Boxer wie vor zehn Jahren, ja nicht einmal mehr derselbe wie vor zwei Jahren bei seiner vermeintlichen Abschiedsvorstellung gegen Andre Berto. Wenngleich diese mehrfach zur Sprache gebrachte Minderung seiner Möglichkeiten natürlich darauf abzielte, seine allzu klare Favoritenstellung zu dementieren, war sie doch nicht gänzlich aus der Luft gegriffen. Mayweather ist nach wie vor ein außergewöhnlicher Sportler, der sich gewissenhaft auf seine Auftritte vorbereitet und stets in bestmöglicher körperlicher Verfassung antritt. Aber auch er muß dem Alterungsprozeß und Verschleiß Tribut zollen, weshalb er beispielsweise das Sparring eine Woche früher als geplant abbrach, als Schmerzen in beiden Händen einsetzten.

Wer mit seiner Kampfesweise vertraut ist, bemerkte durchaus, daß er nicht mehr ganz so schnell auf den Beinen wie früher war und häufiger vor dem Gegner stehenblieb. Mayweather, der seit jeher als begnadeter Defensivkünstler und weltbester Konterboxer seine Kontrahenten auf eine Weise ausmanövrieren konnte, die seine Auftritte nicht selten zu Langweilern machte, hatte angekündigt, er werde um der Zuschauer willen diesmal die direkte Konfrontation suchen. Auf diese Weise bot er McGregor ein relativ leicht zu erreichendes Ziel, ohne ihm freilich Gelegenheit zu einem Wirkungstreffer zu geben. Der Ire ist nun einmal kein Keith Thurman, Errol Spence oder gar Gennadi Golowkin, denen Mayweather auf solche Weise nicht Paroli bieten könnte. Conor McGregor ist ein außergewöhnlicher Kämpfer der Mixed Martial Arts, aber kein gelernter Boxer, so daß er unmöglich binnen weniger Monate langjährige Erfahrungen in diesem Metier mittels eines Crashkurses nachholen konnte.

Wie Mayweather hinterher erklärte, habe er die Taktik konsequent umgesetzt, sich McGregor zunächst in den Weg zu stellen, damit sich der Ire müde schlagen könne. Wer die Aufzeichnung des Kampfes studiert, wird feststellen, daß der US-Amerikaner gekonnt den Eindruck erweckt, er könne sich McGregor nicht entziehen. Zugleich zeichnet sich deutlich ab, daß der Ire voll und ganz auf Angriff setzt, aber kaum eine Deckung aufbaut. Er läßt die linke Schlaghand hängen, verfügt über keinen nennenswerten Jab und signalisiert seine Schwinger und Haken, so daß er immer wieder offen wie ein Scheunentor ist. Mayweather, der nach wie vor schneller schlägt als die meisten anderen Akteure seiner Zunft, zielte mehrfach nicht zum Kopf, sondern zur linken Schulter des Gegners, was nur dann Sinn macht, wenn er frühzeitige Volltreffer vermeiden wollte, die das Spektakel womöglich schneller als erwünscht beendet hätten. [2]

Wer aber meint, die Darbietung sei eine reine Show gewesen, macht sich die Sache aus Unkenntnis zu leicht. Die Kontrahenten lieferten einander durchaus einen Kampf, in dem beide einen Niederschlag riskierten. Indem Mayweather Risiken einging und seinen Vorteil über weite Strecken nur sparsam wahrnahm, lieferte er zumindest phasenweise die angekündigte Unterhaltung, die er dem Publikum nach dem gewaltigen Vorspiel des Kampfs schuldig war. Daß Conor McGregor in seinem eigenen Metier eine absolut dominante Erscheinung ist, steht außer Frage. Ihn aber auch im Boxring zur Entfaltung kommen zu lassen und dennoch die Kontrolle nicht zu verlieren, kann man durchaus als Meisterleistung Mayweathers würdigen, der vermutlich ein letztes Mal alle Register gezogen hat. [3]

Floyd Mayweather geht es nicht allein um sein sportliches Vermächtnis, sondern noch viel mehr um seinen Kontostand. Nicht von ungefähr stellte ihm zum Ende des Abends der legendäre Reporter Jim Gray die Frage, ob er sich mit dem Gedanken an eine Revanche und damit einen weiteren gigantischen Zahltag trage. "Nein", antwortete Mayweather. "Das war mein letzter Kampf, das kann ich euch versichern. Heute habe ich mir den richtigen Partner zum Tanzen ausgesucht." Und als Gray nachhakte: "Auch nicht, wenn dabei noch einmal 300 Millionen Dollar rausspringen?" "Auf keinen Fall", versicherte Mayweather. "Ich werde für immer aufhören." [4]


Fußnoten:

[1] http://www.espn.com/boxing/story/_/id/20477496/mayweather-mcgregor-floyd-mayweather-50-0-even-defeat-father

[2] http://www.boxingnews24.com/2017/08/mayweather-vs-mcgregor-circus-end/#more-241445

[3] http://www.boxingnews24.com/2017/08/mayweather-transcends-boxing-become-time-legend-world-sport/#more-241560

[4] https://www.welt.de/print/welt_kompakt/print_sport/article168045934/Ein-Kampf-zum-Vergessen.html

29. August 2017


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