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PROFI/670: Schwergewicht - drei Gürtel in einer Hand ... (SB)



Anthony Joshua besiegt Joseph Parker nach Punkten

Im Gipfeltreffen der ungeschlagenen Weltmeister Anthony Joshua (WBA/IBF) aus England und Joseph Parker (WBO) aus Neuseeland, das vor 78.000 Zuschauern in Cardiff über die Bühne ging, hat der 28 Jahre alte Brite einstimmig nach Punkten die Oberhand behalten (118:110, 118:110, 119:109). Damit fehlt ihm nur noch die Trophäe des Verbands WBC, die der US-Amerikaner Deontay Wilder in seinem Besitz hat, um als unumstrittener Champion im Schwergewicht Boxgeschichte zu schreiben. Dieses Kunststück gelang zuletzt seinem Landsmann Lennox Lewis, der von 1999 bis 2000 die Titel von WBA, WBC und IBF vereinigte. Die WBO gehörte damals noch nicht zu dem erlauchten Kreis. Joshua ist auch Weltmeister des kleinen Verbands IBO, der jedoch nur eine marginale Rolle spielt.

Während Anthony Joshua seine makellose Bilanz auf 21 gewonnene Kämpfe ausbaute, mußte sich der 26jährige Neuseeländer nach 24 Erfolgen erstmals geschlagen geben. Parker kann sich bei aller Enttäuschung angesichts der Niederlage zumindest zugute halten, als erster Gegner des Olympiasiegers von London 2012 über die volle Distanz durchgehalten zu haben. Beide dürfen sich über stattliche Börsen freuen, da Joshua dem Vernehmen nach 17 Millionen Euro kassiert und Parkers Börse auf acht Millionen Euro geschätzt wird. Ihr Duell im Principality-Stadion war jedoch in sportlicher Hinsicht nicht gerade eine Sternstunde, langweilten die Kontrahenten das Publikum doch mit einer recht unansehnlichen Darbietung. Das galt um so mehr in Kontrast zu dem spektakulären Kampf zwischen Anthony Joshua und Wladimir Klitschko vor elf Monaten im Londoner Wembley-Stadion, in dem beide Akteure zu Boden gehen mußten, der Ukrainer in der sechsten Runde gewonnen zu haben schien, aber den Briten vom Haken ließ, der in der elften Runde das Blatt wendete.

Für das bescheidene Niveau des Kampfs in Cardiff war nicht zuletzt Ringrichter Giuseppe Quartarone verantwortlich, der den Infight durchweg verhinderte, indem er unterbrach, sobald sich Parker an den Gegner herangearbeitet hatte, und die Kontrahenten voneinander trennte. Da der Australier kleiner und an Reichweite unterlegen war, mußte er Joshua dicht zu Leibe rücken, um etwas auszurichten. Er sah in solchen Situationen tatsächlich gefährlicher als sein Gegner aus, konnte dies aber nie konsequent ausspielen, da der Referee es nicht zuließ. Wenngleich es zu weit ginge, von einer gezielten Manipulation zu Lasten des Neuseeländers zu sprechen, spielte doch das Bestreben des Ringrichters, eine sauberen Kampf ohne Klammern und Wühlen zu gewährleisten, dem Favoriten maßgeblich in die Hände.

Dies galt auch für eine Situation der sechsten Runde, als Parker mit einer Rechten traf und Joshua an die Seile trieb, wo er heftig auf ihn einschlug. Der Referee ging aus unerfindlichen Gründen dazwischen und verschaffte Joshua, der angeschlagen wirkte, eine Erholungspause. Von der achten Runde an kontrollierte der Brite mit seinem Jab das Geschehen aus der Distanz, was gut funktionierte, da Parker nun allzu passiv agierte und den erforderlichen Drang vermissen ließ, einen Sieg zu erzwingen. Das Publikum stand zwar durchweg auf Joshuas Seite, war aber inzwischen mangels spektakulärer Aktionen im Ring eher still geworden. Daß dieser Kampf vor der größten Kulisse ausgetragen wurde, die sich jemals unter einem Hallendach eingefunden hatte, um einen Boxkampf mitzuerleben, hörte man in dieser Phase längst nicht mehr.

Als habe Joshua von Klitschko gelernt, streckte er erstmals den linken Arm weit nach vorn, um den kleineren Gegner fernzuhalten, und wich zurück, sobald er angegriffen wurde. Diese Methode hatte der Ukrainer im Laufe seiner Karriere sehr erfolgreich praktiziert und damit das Schwergewicht zur langweiligsten Gewichtsklasse degradiert. Anthony Joshua scheint dabei zu sein, sich ein ähnliches Muster zuzulegen, um nur nicht zu verlieren, egal wie unattraktiv sein Auftritt dadurch auf die Zuschauer wirkt. Klitschko bekam bekanntlich Probleme, sobald ein Gegner konsequent angriff, und das gilt gleichermaßen für den Briten. Hätte der Referee nicht jedesmal interveniert, sobald Parker an Joshuas Jab vorbeigekommen war, wäre der Kampf vermutlich anders verlaufen. [1]

Parker schien auf die Dauer nicht so sehr deswegen zu resignieren, weil ihm die Luft ausging, sondern weil ihm das einzig erfolgversprechende Mittel untersagt wurde. Selbst in den letzten beiden Runden setzte er keineswegs alles auf eine Karte, um den Rückstand auf den Zetteln der Punktrichter durch einen Niederschlag wettzumachen, sondern beschränkte sich weitgehend darauf, Joshuas Schlägen auszuweichen, der ihm den Rest geben wollte. Alles in allem bot Anthony Joshua abermals keine beeindruckende Vorstellung, wirkte er doch statisch, langsam und verletzlich. Obgleich er etliche Kilo weniger auf die Waage gebracht hatte als vor seinem letzten Kampf gegen Carlos Takam, schlug sich das nicht in einer größeren Beweglichkeit nieder. Joseph Parker war deutlich mobiler, konnte diesen Vorteil aber lediglich in der Defensive nutzen, da seine Vorstöße in den Armen des Ringrichters endeten.

Joshua schien die Enttäuschung der Zuschauer zu verstehen und beteuerte hinterher, er habe sehr konzentriert hinter seinem Jab geboxt und den Krieg nicht zugelassen, den Parker entfesseln wollte. Manchmal sei es eben geboten, einem taktischen Vorgehen den Zuschlag zu geben. Entscheidend sei doch, daß er die Titel vereinigt habe. Parker zog die Punktwertung nicht in Zweifel und räumte unumwunden ein, von dem körperlich überlegenen und besseren Boxer besiegt worden zu sein. Es wäre günstiger für ihn gewesen, mehr im Infight kämpfen zu dürfen, aber das lasse sich jetzt nicht mehr ändern. Er werde nach Hause zurückkehren, hart arbeiten und sich dann erfolgreich zurückmelden.

Auf die naheliegende Frage, ob er nun gegen Deontay Wilder antreten werde, erwiderte Joshua, nun sei der Amerikaner an der Reihe, ohne allerdings zeitliche Angaben zu machen. Stehe er mit Wilder im Ring, werde er ihn auf die Bretter schicken. Als möglicher Austragungsort ist das Londoner Wembley-Stadion im Gespräch, doch zeichnet sich ab, daß es frühestens in der zweiten Hälfte dieses Jahres dazu kommen könnte. Anthony Joshua wich auffallend schnell auf die Erklärung aus, er wolle und werde selbstverständlich alle vier maßgeblichen Gürtel in seinen Händen zusammenführen. Auf die Nachfrage, gegen wen er denn nun tatsächlich als nächstes kämpfen werde, erklärte Joshua vage, entweder Wilder oder Tyson Fury. Daß sein Promoter Eddie Heran längst einen Kampf gegen Jarrell Miller im Sommer plant, erwähnte der Brite gar nicht erst. [2]

Deontay Wilder, der es entgegen seiner ursprünglichen Absicht vorgezogen hatte, dem Kampf in Cardiff fernzubleiben, gratulierte Joseph Parker per Twitter zu einer großartigen Leistung. Der Neuseeländer habe alles richtig gemacht, sei aber um den Sieg betrogen worden. [3] Der WBC-Weltmeister fordert seit Jahren einen Kampf gegen Anthony Joshua, wird aber von Eddie Hearn hingehalten, der dieses Risiko offenbar noch nicht eingehen möchte. Statt dessen schiebt er Dillian Whyte vor, der ebenfalls bei ihm unter Vertrag steht, was Wilder verständlicherweise zurückweist, da er sich nicht abspeisen lassen will.

Nun hat Eddie Hearn abermals nachgelegt und Wilders Team vorgeworfen, es habe nie Kontakt mit ihm aufgenommen. Wilder rede viel, handle aber nicht, und das gelte auch für seine Leute. Joshua boxe vor 80.000, Wilder vor 7000 Zuschauern. Das sage doch alles, wer von beiden populärer und die eigentliche Zugnummer sei. Offenbar geht es Hearn darum, den US-Amerikaner systematisch kleinzureden, um den Kampf gegen ihn zu verschieben und ihn von vornherein auf eine geringere Börse festzulegen.

Auch Joshua hebt hervor, daß er nicht in den USA antreten werde. Das britische Boxen sei nicht nur im Schwergewicht führend, so daß heute niemand mehr nach Amerika reisen müsse, um erstklassige Kämpfe zu sehen. Wembley oder Cardiff seien die maßgeblichen Schauplätze, und er selbst führe als Weltmeister dreier maßgeblicher Verbände das Feld an, habe er doch in 21 Profikämpfen bereits sechsmal um einen Titel geboxt. So sehr es zutreffen mag, daß das Boxgeschäft auf der Insel derzeit in vielen Gewichtsklassen tonangebend ist, mutet es doch seltsam an, daß Joshua und sein Promoter die Bedingungen diktieren, noch bevor überhaupt mit Deontay Wilder über die Konditionen eines Kampfs verhandelt wird.

Der WBC-Weltmeister hat zuletzt den Kubaner Luis Ortiz in einem hochklassigen Kampf vorzeitig besiegt und damit den gefährlichsten Herausforderer bezwungen, den die Branche derzeit aufbieten kann. Anthony Joshua ging gegen Joseph Parker hingegen auf Nummer Sicher und gab eine eher enttäuschende Vorstellung. So steht zu befürchten, daß Eddie Hearn das seit langem geforderte Duell der rivalisierenden Weltmeister auf die lange Bank schieben und statt dessen Jarrell Miller und im Herbst möglicherweise den Russen Alexander Powetkin vorziehen wird, die seinem Zugpferd weit weniger das Wasser reichen können als Deontay Wilder, der mit einem Volltreffer seiner gefürchteten Rechten die Ära des hoch gehandelten Briten zu pulverisieren drohte.


Fußnoten:

[1] www.boxingnews24.com/2018/03/anthony-joshua-vs-joseph-parker-results/#more-260087

[2] www.boxingnews24.com/2018/03/anthony-joshua-outpoints-joseph-parker-in-heavyweight-world-championship-unification-saturday-on-showtime/#more-260089

[3] www.boxingnews24.com/2018/04/joshua-vs-parker-results/#more-260106

1. April 2018


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