Schattenblick → INFOPOOL → SPORT → BOXEN


PROFI/671: Halbmittelgewicht - Entscheidung in letzter Sekunde ... (SB)



Jarrett Hurd knapper Punktsieger über Erislandy Lara

Im mit 2579 Zuschauern ausverkauften Saal des Hard Rock Hotel & Casino in Las Vegas hat sich Jarrett Hurd (IBF) in einem Kampf zweier Weltmeister im Halbmittelgewicht knapp nach Punkten gegen Erislandy Lara (WBA) durchgesetzt (114:113, 114:113, 113:114). Hurd lag bei allen drei Punktrichtern im Rückstand, als er den Kubaner 15 Sekunden vor Ende der zwölften Runde mit einem linken Haken zu Boden schickte. Wenngleich der WBA-Champion sofort wieder auf die Beine kam, kostete ihn der erste Niederschlag, den er seit fünf Jahren hinnehmen mußte, Sieg und Titel. Dies war erst die siebte Vereinigung zweier Titel in der Geschichte dieser Gewichtsklasse und die erste, seitdem Floyd Mayweather mit seinem Punktsieg über Saul "Canelo" Alvarez im September 2013 dieses Kunststück gelungen war, der nun als Co-Promoter der Veranstaltung am Ring saß. Während der 27jährige Hurd aus Accokeek, Maryland, in seiner zweiten Titelverteidigung die Bilanz auf 22 gewonnene Auftritte ausbaute, stehen für den sieben Jahre älteren Lara aus Houston nach seiner siebten Titelverteidigung nunmehr 25 Siege, drei Niederlagen sowie zwei Unentschieden zu Buche.

In einem hochklassigen und spannenden Kampf machten Hurds höhere Schlagfrequenz und die größere Wucht seiner Treffer letzten Endes den Unterschied, obgleich ihn der technisch überlegene Kubaner des öfteren ausgekontert hatte. Der IBF-Weltmeister vernachlässigte im Zuge seines Angriffsdrucks häufig die Deckung und konnte insofern von Glück reden, als Laras Schläge nicht wirksam genug ausfielen, um ihn zu erschüttern. Der Kubaner pflegte seine Kämpfe bislang unter ständigem Ausweichen und schnellen Kontern zu führen, was ihm viele Siege, aber auch den Ruf eines langweiligen Boxers eingebracht hatte. Diesmal stellte er sich häufiger dem Schlagabtausch, was unter dem Strich Hurd zugute kam. Laut der Statistik von CompuBox hatte Jarrett Hurd 217 von 824 Schlägen ins Ziel gebracht (26 Prozent), während Erislandy Lara bei 176 Versuchen 572 Treffer gelangen (26 Prozent). Hurd schlug nicht nur härter zu, sondern verbuchte in den letzten vier Runden klar die Mehrzahl der Schläge.

Der in der Rechtsauslage boxende Lara, dessen Börse eine Million Dollar betrug, während sein Gegner 500.000 Dollar erhielt, eröffnete den Kampf mit schnellen Jabs und Kombinationen zu Kopf und Körper. Er kämpfte wesentlich offensiver, als man es von ihm kennt, und stellte den deutlich größeren Hurd zunächst vor enorme Probleme, da er dessen Schlägen dank seiner überragenden Defensivkünste zumeist auswich. Von der dritten Runde an kam der IBF-Champion besser zur Geltung, indem er den Kontrahenten nun häufiger zurücktrieb. Hurd machte unablässig Druck, und da sich Lara keineswegs auf die Defensive beschränkte, wogte das Geschehen zur Freude des begeisterten Publikums lebhaft hin und her.

In der sechsten Runde brachte Lara einen Uppercut ins Ziel, der Hurd jedoch ebensowenig erschütterte wie seine Rechte, die den Kubaner kurz vor Ende des siebten Durchgangs voll traf. Beide Akteure legten beachtliche Nehmerqualitäten an den Tag und schlugen in der neunten Runde heftig aufeinander ein, während keiner von ihnen auch nur einen Fußbreit zurückwich. Auch die beiden folgenden Durchgänge zeigten ein ähnliches Bild, so daß ihr Duell ein Anwärter auf den "Kampf des Jahres" sein dürfte. In der zwölften und letzten Runde machte Hurd den frischeren Eindruck, denn er deckte Lara mit Schlägen ein, dem nun die Luft auszugehen schien. Der Kubaner, dessen rechtes Auge zugeschwollen war und blutete, so daß seine Sicht eingeschränkt war, mußte zwei Uppercuts einstecken, worauf er sich hinter seiner Deckung zu verschanzen versuchte. Hurd setzte jedoch mit weiteren Treffern nach und erzwang schließlich wenige Sekunden vor Ende des Kampfes den besagten Niederschlag, der ihm den Sieg bescherte.

Wie Jarrett Hurd in einer ersten Stellungnahme gegenüber dem Sender Showtime erklärte, habe er wie angekündigt zwölf Runden lang Druck gemacht und auf diese Weise einen harten Kampf für sich entschieden. Seiner Einschätzung nach sei nicht allein der Niederschlag entscheidend gewesen, da er schon zuvor das Geschehen im Ring dominiert habe. Erislandy Lara hob demgegenüber hervor, daß er diesmal den Kampf angenommen und damit den Zuschauern eine großartige Vorstellung geboten habe. Er habe sich trotz des Niederschlags als klarer Sieger gefühlt, da schließlich ein einziger Treffer seine überlegene Kampfesweise nicht wettmache. Die Entscheidung sei jedoch abermals gegen ihn ausgefallen, weshalb er auf jeden Fall eine Revanche wünsche.

Aufmerksamer Beobachter am Ring war der in 30 Kämpfen ungeschlagene WBC-Weltmeister Jermell Charlo, nach Einschätzung der meisten Experten derzeit der gefährlichste Akteur im Halbmittelgewicht. Gewinnt er seinen nächsten Kampf am 9. Juni, wofür noch ein Gegner gesucht wird, steht wohl im Herbst eine weitere Zusammenführung der Titel mit Jarrett Hurd an, da Showtime plant, einen einzigen führenden Champion in dieser Gewichtsklasse zu küren. Wie Charlo zutreffend bilanzierte, hätte Lara mit seiner bislang üblichen defensiven Kampfesweise höchstwahrscheinlich gewonnen. Zudem müsse Hurd an seiner Deckung arbeiten, da er ihn andernfalls binnen weniger Runden auf die Bretter schicken würde. [1]

Charlos Mutmaßung, Hurd habe den Kampf gegen Lara nur deshalb angenommen, um ihm aus dem Weg zu gehen, ließ der frischgebackene Weltmeister zweier Verbände natürlich nicht auf sich sitzen. Auf die Frage Jim Grays vom Sender Showtime, ob er sich nun mit Jermell Charlo messen werde, erwiderte Jerrett Hurd, er sei jetzt die Nummer eins im Halbmittelgewicht und fürchte keinen Gegner. [2]


Fußnoten:

[1] www.espn.com/boxing/story/_/id/23072088/jarrett-hurd-defeats-erislandy-lara-split-decision-junior-middleweight-unification-bout

[2] www.boxingnews24.com/2018/04/jarrett-hurd-unifies-the-154-pound-division-with-split-decision-over-erislandy-lara-in-action-packed-fight-saturday/

8. April 2018


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang