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KOMMENTAR/180: Leistungsdienst Militärsport nein danke (SB)


Olympiastützpunktleiter schlägt neues Motto "Wir. Sportsoldaten. Dienen. Deutschland." vor



Nach Meinung des Sportwissenschaftlers Dr. Harry Bähr, Leiter des Olympiastützpunktes (OSP) Berlin, sollte die Bundeswehr mit "den Erfolgen ihrer Sportlerasse medial stärker in die Öffentlichkeit preschen. Nach der Aussetzung der Wehrpflicht wären die Militärathleten ideale Werbeträger, findet Bähr. Ein Werbeslogan nach dem Motto 'Wir. Sportsoldaten. Dienen. Deutschland.' würde da genau passen". [1]

Solche "Multiplikatoren" oder "Entscheider", nach denen die Bundeswehr händeringend Ausschau hält, um Werbung in eigener Sache zu machen, braucht das Land. "Mister Olympiastützpunkt", wie das Bundeswehr Sport-Magazin den Leiter des Berliner Kaderschmiede apostrophiert, scheint als Multiplikator bestens geeignet. Als Spitzensportmanager zeichne Bähr mit seinem rund 50köpfigen Mitarbeiterstab - darunter Sportmediziner, Psychologen, Trainingswissenschaftler und Physiotherapeuten - für die Koordination und Steuerung des hauptstädtischen Hochleistungssports und die Unterstützung vieler deutscher Nationalteams verantwortlich. Zudem verfüge er über ein Netzwerk von 120 Trainern, berichtet das Bundeswehr Sport-Magazin. An der "Operation Diskusgold", die dem Stabsunteroffizier (Feldwebelanwärter) Robert Harting nicht nur EM- und WM-Gold, sondern bei den Sommerspielen in London auch den obersten Podestplatz bescherte, habe Bähr ebenfalls erfolgreich mitgewirkt.

Zu den insgesamt rund 500 Spitzensportlern, die im OSP organisiert sind, gehören auch 100 Sportsoldaten, die personell in der Sportfördergruppe Berlin geführt werden. Für die Förderung, die ihnen die Bundeswehr als einer der größten Spitzensportsponsoren Deutschlands gewährt, sollen die Sportsoldaten auch etwas geben: Nicht nur Leistung und Medaillen, wie von Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) unlängst gefordert, sondern auch ein Bekenntnis zur Bundeswehr. In diesem Sinne würde das Motto "Wir. Sportsoldaten. Dienen. Deutschland.", wie es "Mister OSP" vorschlägt, den Militärplanern in Bonn und Berlin tatsächlich entgegenkommen.

Bekanntlich geht das Verteidigungsministerium seit 2011 mit der Kampagne "Wir. Dienen. Deutschland" auf Rekrutenfang und versucht, die vaterländischen Dienste durch eine Identifikationspolitik zu untermauern, die stark an Gemeinschaftsgefühle und Nationalstolz appelliert, damit das Töten und Sterben für Deutschland leichter von der Hand geht. "Wir. Dienen. einer guten Sache, unserer Verfassung - freiwillig und überzeugt", heißt es auf Werbetafeln der Bundeswehr. "Dienen. verdient Anerkennung." [2]

Auch Bundespräsident Joachim Gauck ist froh, dem "Mut-Bürger in Uniform" Orden verleihen zu dürfen. Das Wort "dienen" habe keinen "altmodischen Klang", die Bundeswehr sei zu einem "Friedensmotor" geworden, in der die Soldaten mit Hingabe Verantwortung für ihr Heimatland übernähmen, predigte der ehemalige Pastor in der Führungsakademie der Bundeswehr. [3]

"Wir übernehmen Verantwortung. Verantwortung nicht nur für uns selbst, sondern in erster Linie für andere, für alle", wird auch Thomas de Maizière nicht müde, den Interventions- und Besatzungsvorwänden der Berliner Republik einen verantwortungsethischen Anstrich zu verleihen, damit die neue "Kernbotschaft" der Bundeswehr verfängt. Laut Selbstverständnis der Bundeswehr gehe es "um das offene kameradschaftliche Miteinander in der Bundeswehr und den festen Platz aller ihrer militärischen und zivilen Angehörigen in der Gesellschaft". Dienen sei "der Kern des Selbstverständnisses", heißt es in der Internetpräsenz der Bundeswehr, die sich auf eine entsprechende Aussage von Thomas de Maizière beruft, der zudem meinte: "Wir dienen mit unseren individuellen Stärken, ehrenvoll und - wenn es im äußersten Fall gefordert ist - unter Einsatz unseres Lebens." [4]

Um das einst eherne Motto "von deutschem Boden soll nie wieder Krieg ausgehen" endgültig in den Staub der Geschichte treten zu können, bedarf es einer Superlegitimation, die den Soldaten zum sakrosankten Wertekrieger erhöht, der für nichts weniger als für "Freiheit, Demokratie und Menschenrechte" sein Leben riskiert. Das fade Gericht abstrakter Werte würde jedoch nicht munden, würde es nicht durch Emotionalität, Leidenschaft und gemeinschaftliches Erleben schmackhaft gemacht.

Hier kommt auch der Sport als Emotionsbeschaffer ersten Ranges ins Spiel. Die Bundeswehr nutzt die Sportbegeisterung der Jugend, um sich selbst als eine Art Extrem- oder Risikosport darzustellen - kraß und nicht ungefährlich, aber alles im grünen Bereich. Zur Nachwuchsgewinnung und Imageaufbesserung veranstaltet die Bundeswehr nicht nur eigene Sportevents und -wettbewerbe, sie steuert auch gezielt Sportvereine an. Zur neuen Werbelinie gehören seit kurzem Fußball-Bundesligisten wie Hannover 96, HSV Hamburg und Hertha BSC, ohne daß die militärfreundlichen Sponsoring-Partnerschaften und Reklameaktionen auf breiten Widerstand in den kritischen Teilen der Fanszene stoßen würden [5].

Unterdessen werden die Sportfördergruppen der Bundeswehr, die 1968 während des Kalten Krieges aus der Taufe gehoben wurden, unverwandt als "Erfolgsmodell" gefeiert. Nicht im Sinne einer Vorschule zur Wehrertüchtigung und zur Bildung guter Untertanen, wie noch während des letzten Weltkrieges im Zuge der Militärisierung des Sports, sondern als unverzichtbare Medaillenbringer und gesellschaftspolitisches Instrument zur Repräsentation von Größe und Ansehen Deutschlands in der Welt.

Seit der Neuausrichtung der Streitkräfte treten Sportsoldatinnen und -soldaten auch wieder verstärkt als Imageträger in Erscheinung - "für ein positives Bild der Bundeswehr", wie sich DOSB-Generaldirektor Michael Vesper (Grüne) einmal ausdrückte. Die organisatorische Verquickung von Spitzensport und Bundeswehr, die Abhängigkeit der Sportdachverbände von den Steuergeldern der Hardthöhe sowie die hohe Affinität zwischen sportlichen und militärischen Tugenden spielen der Truppe bei ihren Werbefeldzügen dabei in die Karten.

Je länger man bei der Bundeswehr sei, um so mehr unterstütze sie einen, sagte die bald vier Jahre im Sold stehende Stabsunteroffizierin der Sportfördergruppe Frankenberg Christina Schwanitz im Sportgespräch des Deutschlandfunks. Schließlich habe man Deutschland verteidigt, fügte die Halleneuropameisterin im Kugelstoßen augenzwinkernd, aber nicht ohne Ernst hinzu. "Wir führen ja Krieg in dem Sinne auf sportlicher Ebene. Jeder will der Beste und der Erste sein." [6] Allerdings birgt der Medaillenkrieg auf höchstem Leistungsniveau auch Schattenseiten. Existenzangst habe sie jeden Tag, bestätigte Christina Schwanitz. "Wenn du deine Leistung nicht bringst, wenn du dich verletzt, fliegst du gleich raus bei der Bundeswehr." [7]

Wohl die meisten Spitzensportlerinnen und -sportler gehen nicht deshalb zur Bundeswehr, weil sie sich mit den Kriegszielen oder den "neuen Kernbotschaften" des "Wir. Dienen. Deutschland." identifizieren würden, sondern weil es für sie die einzige Möglichkeit darstellt, bei halbwegs ausreichendem finanziellen Auskommen Hochleistungssport betreiben zu können. Daß die Athleten in Uniform damit auch zu Werbeträgern für ein "positives Bild" der Bundeswehr werden, wo doch die immer blutiger werdenden Auslandseinsätze in Afghanistan und anderen Orten der Welt hochumstritten sind, nehmen viele stillschweigend in Kauf, zumal sie ja nur an der Heimatfront aktiv sind.

Allerdings schickt sich die Bundeswehr an, auch auf der Ebene der sogenannten Sekundärtugenden das gemeinschaftliche Band zu festigen. Dem Sportler- und Rekrutenmaterial soll wieder stärker bewußt gemacht werden, daß Sport und Militär in vielerlei Hinsicht die gleichen Tugenden und Werte verbinden.

In indirekter Rede gibt das Bundeswehr Sport-Magazin unter der Überschrift "Leitbildfunktion des Militärs besonders im Spitzensport wichtig" den Berliner Olympiastützpunktleiter Dr. Harry Bähr mit den Worten wieder, daß das Militär gerade für Topathleten eine wichtige Leitbildfunktion ausübe: "Hier stünden charakterliche Werte wie Disziplin, Einsatzbereitschaft, Tapferkeit und Kameradschaft im Vordergrund. Tugenden also, die auch Spitzensportler bräuchten, um auf internationalem Parkett zu bestehen." [1]

Auch der Bundesliga-Aufstiegsaspirant Hertha BSC findet, daß Bundeswehr und Fußball in sehr vielen Bereichen "mehr als gut" zusammenpaßten. "Tradition, Zusammenhalt, Teamgeist, Durchsetzungsstärke und Fairness verbinden uns in allen Bereichen und auf unterschiedlichen Ebenen", heißt es in der Partnererklärung. Sowohl auf dem grünen Rasen als auch in der Bundeswehr gelte es "stets und ständig Verantwortung zu übernehmen. Für den Nebenmann, für das Team, für den gemeinsamen Erfolg". [8]

Bereits in den dreißiger und vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts war der Sport ein Teil der Militarisierung der ganzen Gesellschaft, ehe ihn der Niedergang des Dritten Reiches kurzzeitig wieder zurück in den Rang einer Privat- oder Nebensache versetzte. Längst ist der Sport in der Bundesrepublik wieder zu einem veritablen Instrument für politische, ökonomische und militärische Interessen geworden. Allein der ideologische Rauch um "Freiheit und Demokratie" vernebelt die nüchterne Sicht auf seine ungebrochene Instrumentalisierungsfunktion, so auch im Bundeswehr Sport-Magazin. Dort wird der Olympiastützpunkt im Berliner Stadtbezirk Hohenschönhausen als Stätte beschrieben, die "schon zu DDR-Zeiten als elitäre Athletenschmiede galt und dessen politisch instrumentalisierte Spitzensportler während des Kalten Krieges in den internationalen Arenen neben Spitzenplatzierungen vor allem vom Ruhm des Sozialismus, als dem Kapitalismus überlegenem Gesellschaftssystem, künden sollten". Mittlerweile seien die Athleten "gänzlich in der real existierenden Demokratie des vereinten Deutschlands angekommen", schreibt das Bundeswehr Sport-Magazin [1], so, als ob damit ihre medaillenfixierte Vereinnahmung und politische Instrumentalisierung aufgehoben wäre. Daß die DDR nie so weit ging, ihre "Diplomaten im Trainingsanzug" dafür einzusetzen, Werbung für real existierende Kriege im Ausland zu machen, wie sie die Bundesrepublik in zunehmendem Maße führt, gehört wohl auch zu den lästigen Erinnerungen, die mit Slogans wie "Wir. Sportsoldaten. Dienen. Deutschland." abgeschüttelt werden sollen.

Fußnoten:

[1] "Harry Bähr ist Berlins dritter 'Mister Olymipastützpunkt'". 13.01.2013.
http://www.bwsportmag.de/2013/01/harry-bahr-ist-berlins-dritter-mister-olymipastutzpunkt/#more-1722

[2] http://www.wirdienendeutschland.de/selbstverstaendnis/dienen.html

[3] Gaucks Rede im Wortlaut. 12.06.2012
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/gaucks-rede-bei-der-bundeswehr-a-838435.html

[4] http://www.bundeswehr.de/portal/a/bwde/!ut/p/c4/DccxDoAwCADAt_iBsrv5C3WjBZW0QQNov29z08EOg-InJ4bcig1W2IrMuafciZOHsUQ15CPGuGWPj80DWUnFUxcjYR3jN7xcDZXgqcv0A-wQykU!/

[5] "Militär-Offensive im Fußball". Von Ralf Buchterkirchen. ZivilCourage Nr. 1 - März/April 2013.
http://www.schattenblick.de/infopool/buerger/fr-gesel/dfber294.html

[6] "Druck, Doping, Depressionen". Sportgespräch am 24.03.2013.
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/sport/2051596/

[7] "Existenzangst gehört zum Spitzensport dazu". 24.02.2013.
http://m.faz.net/aktuell/sport/mehr-sport/leichtathletik-existenzangst-gehoert-zum-spitzensport-dazu-12092969.html

[8] http://www.hertha-vip.de/sponsoring/sponsoring-news/bundeswehr-ist-neuer-hertha-partner/

5. April 2013