Im Rahmen des Sommerfestivals 2017 hat das Dream-Pop-Duo Beach House aus Baltimore Kampnagel zum wiederholten Mal besucht. 2006 hatte das amerikanisch-französische Künstlerpaar Victoria Legrand und Alex Scally sein erstes Album "Beach House" veröffentlicht. Inzwischen gelten die beiden zu Recht als führende Vertreter jenes Musikgenres, das die schottischen Cocteau Twins Elizabeth Fraser und Robin Guthrie 1980 aus der Taufe gehoben haben. 2016 spielte Beach House beispielsweise als Hauptact auf dem sommerlichen Musikfest der Szenezeitschrift Pitchfork in Chicago.
Beach House
Foto: © 2017 by Schattenblick
Begleitet von dem Schlagzeuger James Barone machen Legrand (Gitarre und Orgel) und Scally (Gitarre) in diesem Sommer eine Minitournee durch Europa und die USA, um ihre neue Platte "B-Sides and Rareties", eine Sammlung noch nicht veröffentlicher Lieder aus den letzten elf Jahren gemeinsamen Schaffens, vorzustellen. Der Auftritt in Hamburg war der Auftakt zur transatlantischen Rundreise.
Man legt sich ins Zeug
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Einer Gruppe gemäß, zu deren Repertoire Lieder mit Titeln wie "Elegy for the Void" gehören, war der Bühnenshow von Beach House düster, während die Lichteffekte grell bis katatonisch ausfielen. Die Musik selbst war eine großartige Mélange aus traumhaften Gesangsmelodien und krachendem Gitarrengedröhne.
Psychedelische Erinnerungen
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Die verzerrten Schlußakkorde des "Klagelieds für den Abgrund" fielen so heftig aus, daß ihre Klangwellen den Brustkorb der Zuhörenden spürbar zum Vibrieren brachten. Mit ihrer scheinbaren Teilnahmslosigkeit - den Kopf gesenkt und den Blick nach unten gerichtet - demonstrierten Legrande und Scally, das sie auch das Genre Shoegaze beherrschen.
Shoegazing
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Gespielt wurden nicht ausschließlich Lieder von "B-Sides and Rareties", sondern auch bekannte Single-Auskopplungen aus früheren Platten wie "Master of None" und "Wishes". Als Zugabe gab es "Myth" von dem 2012 erschienenen Album "Bloom".
Blue Note
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Die ausgelassene Stimmung auf dem Konzert wurde ein klein bißchen durch die energischen Bemühungen der Ordner getrübt, die sicherstellen wollten, daß ja keine Videoaufnahmen per Mobiltelefon aus dem Publikum gemacht wurden. Dies hing offenbar mit dem Umstand zusammem, daß das Konzert live bei YouTube ausgestrahlt wurde, ließ aber zugleich den Widerspruch zwischen Kunst und Kommerz erkennen.
Wie Orphée in der Unterwelt
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Vor dem letzten Lied des Konzerts bedankte sich Legrande bei den Kampnagel-Verantwortlichen dafür, daß sie und Scally - "two weirdos" - immer wieder eingeladen würden, "no matter who the fucking president [of the USA] is". Dafür gab es viel Applaus und Gelächter. Man kann nur hoffen, daß für Beach House daheim in "The Home of the Free and the Land of the Brave" die auf europäischem Boden erfolgte Distanzierung vom Commander-in-Chief Donald Trump nicht dieselben negativen Konsequenzen haben wird wie für die Dixie Chicks ihre Kritik an George W. Bush beim Konzert 2003 in London.
Magisch-Musikalisches
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Wer angesichts der allegorischen Texte meint, Beach House sei eine Gruppe, die sich für das politische Geschehen nicht interessiert oder niemals dazu äußert, kann sich anhand des Videos zu ihrem neuesten Lied "Chariot" - einer traurigen, bewegenden Hommage an die Camelot-Ära im Weißen Haus JFKs und zugleich versteckten Frage nach den Urhebern deren Endes - vom Gegenteil überzeugen.
12. August 2017
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