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INTERVIEW/003: Zur Besetzung des Bauplatzes für eine Hähnchenmastanlage in Teplingen (SB)


Interview mit der Sprecherin der BesetzerInnen am 27. Juni 2011


Die in der Nacht zum Sonntag, den 26. Juni, erfolgte Besetzung des Bauplatzes für eine Hähnchenmastanlage im niedersächsischen Teplingen richtet sich gegen einen Betrieb der industriellen Fleischproduktion, der zur Infrastruktur der größten Hühnerschlachtfabrik Europas in Wietze bei Celle gehören soll. Während dort die Tötung von 2,5 Millionen Tieren wöchentlich geplant ist, soll in Teplingen eine von etwa 420 Mastanlagen entstehen, die die dafür erforderlichen Hühner bereitstellen. In dem Maststall sollen jährlich 300.000 Hühner unter Bedingungen herangezogen werden, die so knapp kalkuliert sind, daß vier Prozent der Tiere laut Informationen der Gegner der Anlage gar nicht erst zur Schlachtreife gelangen, sondern zuvor sterben. Dieser Strukturwandel in der bäuerlichen Landwirtschaft hat darüberhinaus erhebliche ökologische Auswirkungen auf die betroffene Region. Der Kampf gegen Tierfabriken wird von AktivistInnen und Bürgerinitiativen geführt, die sich, wenn auch aus verschiedenen Gründen, über die Verhinderung dieser Entwicklung einig sind.

Nur kurz nachdem eine Sprecherin der BesetzerInnen dem Schattenblick am Montag nachmittag telefonisch Auskunft über den Stand der Dinge erteilte, kam es zu einem erneuten Angriff des Landwirtes, der das Gelände nutzt und die BesetzerInnen zu vertreiben versucht. Über den aktuellen Stand der Dinge berichten die BesetzerInnen auf ihrem Blog http://stopteplingen.blogsport.de/.

Hühner auf Bauernhof - © 2011 by Schattenblick

© 2011 by Schattenblick

Schattenblick: Wie ist der Stand der Besetzung im
Augenblick?

Sprecherin: Momentan ist die Lage ruhig. Die Polizei fährt ab und zu mit dem Streifenwagen vorbei. Der Bauer hat heute morgen vorbeigeschaut, aber momentan sind weder Polizei noch der Bauer auf dem Gelände.

SB: Wieviel AktivistInnen sind zur Zeit auf dem Gelände?

Sprecherin: Es sind momentan circa 20 Leute auf dem Gelände. Es kommen jedoch immer wieder Menschen aus der Umgebung vorbei oder auch Leute, die in der BI aktiv sind. Dadurch schwankt die Zahl der Leute, die auf dem Gelände sind, stark.

SB: Könntest du den bisherigen Verlauf der Besetzung schildern, vor allen Dingen hinsichtlich der versuchten Räumung und des Eingreifens des Bauern, der das Gelände nutzt?

Sprecherin: Zunächst ist der Bauer mit seinem Auto vorbeigekommen und hat sich alles angeschaut. Dann kam sein Sohn, der recht handgreiflich wurde und mit einem Knüppel auf einige BesetzerInnen losgegangen ist. Außerdem hat er Leute vom Fahrrad getreten, die auf das besetzte Gelände wollten. Der Bauer hatte wohl die Polizei verständigt, denn kurze Zeit später erschienen zwei Streifenwagen. Bald darauf tauchten immer mehr Polizisten auf, die dann angefangen haben, die BesetzerInnen vom Feld zu tragen. Einige sind auch freiwillig gegangen. Die Räumung wurde schließlich abgebrochen, obwohl sich noch einige BesetzerInnen auf dem Feld befanden. Sie befanden sich auf einem Tripod, also ein Dreibein aus Holz, oder waren an ein Faß gekettet. Nachdem die Polizei wieder abgezogen war, hat die Familie des Bauern versucht, eigenständig das Feld zu räumen, indem sie mit Gabelstapler und Traktor versucht hat, den Tripod umzuwerfen. Sie ist dabei jedoch von der Polizei behindert worden, weil das lebensgefährlich für die Leute gewesen wäre, die auf den Tripod geklettert waren oder darunter saßen. Mit einer Motorsäge hat der Bauer dann das Holz, das dort noch von den Hütten herumlag, kleingesägt.

SB: Ging der Sohn des Bauern tatsächlich so rabiat vor und hat zugeschlagen?

Sprecherin: Er hat Leute vom Fahrrad getreten, die auf die Besetzung kommen wollten, und ist auch mit einem Knüppel auf die Leute losmarschiert. Es ist zum Glück keiner verletzt worden.

SB: War die Polizei zu diesem Zeitpunkt schon auf dem Platz gewesen?

Sprecherin: Die war schon da und hat noch versucht, den Bauern zurückzuhalten und zu beschwichtigen, damit er nicht handgreiflich wird.

SB: Sind Leute von euch festgenommen worden?

Sprecherin: Drei Leute sind festgenommen worden, die auf dem Feld waren, als es von der Polizei geräumt wurde. Sie wurden nach Lüchow in die Gefangenesammelstelle gebracht, wurden aber nach nur einer halben Stunde wieder freigelassen.

SB: Hat die Polizei euch gegenüber rechtliche Ansprüche oder Forderungen geltend gemacht?

Sprecherin: Gestern hat die Polizei die Räumung damit begründet, daß eine Sachbeschädigung vorliegen würde. Der Bauer will jedenfalls Anzeige erstatten. Wir haben davon bisher nichts mitbekommen. Uns wurde von der Polizei sonst weiter nichts gesagt.

SB: Die Polizei soll verbreitet haben, daß das Feld bereits geräumt wurde. Wie ist es dazu gekommen? Wurde eine Pressemitteilung mit dieser Behauptung herausgegeben?

Sprecherin: Davon habe ich nicht viel mitbekommen. Ich habe in der Presse nur gelesen, daß das Feld geräumt sei, was aber nicht richtig ist. Es ist auf jeden Fall noch besetzt.

SB: Wie setzt sich das Spektrum der BesetzerInnen zusammen?

Sprecherin: Es ist eine Mischung aus TierrechtsaktivistInnen und Leuten, die im Umweltschutz aktiv sind. Es sind aber auch eine Menge Menschen aus der BI mit dabei, die sich auf dem Feld aufhalten und die Besetzung nach Kräften unterstützen. Hauptsächlich sind es aber Leute aus dem Tierrechtsbereich.

SB: Wie ist das Verhältnis zu den lokalen Bürgerinitiativen?

Sprecherin: Soweit sie können, bringen sie Decken vorbei und helfen mit, das Camp aufzubauen.

SB: Wir haben auf einem Foto eine Anti-AKW-Fahne gesehen. Gibt es Querverbindungen in die diese Szene?

Sprecherin: Im Wendland gibt es eine starke Protestbewegung. Die Menschen leben damit und sind auch selber vor allen Dingen im Anti-AKW-Bereich aktiv. Das ist im Wendland ein großes Thema, und deswegen haben wir das mitaufgegriffen.

SB: Worum handelt es sich bei der Offensive gegen die industrielle Tierhaltung (www.ogit.blogsport.de), die auf eurem Flyer erwähnt ist?

Sprecherin: Zu ihr gehören verschiedene Kampagnen, die im Bereich Massentierhaltung oder Tierhaltung geführt werden. Unter anderem eine Kampagne gegen Wietze, zu der auch diese Bauplatzbesetzung gehört. In Süddeutschland wird ein Maststall für Hähnchen von Wiesenhof gebaut. Dort hat sich eine Gruppe gefunden, die eine Kampagne gegen die industrielle Tierhaltung führt. In Hannover ist ein Tierversuchslabor geplant, wogegen sich ebenfalls Protest unter dem Begriff "Offensive gegen die industrielle Tierhaltung" formiert hat.

SB: Läßt sich das als Versuch verstehen, die Kräfte des Protests organisatorisch zusammenzuschließen?

Sprecherin: Richtig. Es soll eine Kommunikation zwischen den einzelnen Menschen, die dagegen aktiv vorgehen, hergestellt werden, damit nicht alles vereinzelt läuft, sondern daß man sich zusammenschließt.

SB: Habt ihr Kontakte mit der Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft, PROVIEH oder dem Deutschen Tierschutzbund, die nicht aus der Tierbefreiung oder Tierrechtsbewegung kommen, aber sich dem Tierschutz verpflichtet fühlen?

Sprecherin: Wir arbeiten nicht direkt mit diesen Vereinen zusammen, sondern mit Einzelpersonen, die in diesen Vereinen aktiv sind. Die Zusammenarbeit klappt gut. Wir möchten aber nicht von Labels unterstützt werden, freuen uns aber, wenn Privatpersonen aus diesem Umfeld ihre Unterstützung anbieten.

SB: In der Pressemitteilung habt ihr Kritik daran geübt, daß politische Entscheidungen unter Ausschluß der Öffentlichkeit und ohne jede Einbeziehung der Betroffenen stattfinden. Könntest du diesen Punkt näher erläutern?

Sprecherin: Meistens wird den Menschen, die in der Nähe wohnen, die Möglichkeit eingeräumt, Einwände gegen eine Mastanlage zu formulieren und zu begründen, warum sie nicht gebaut werden soll. Wenn es diese Möglichkeit jedoch nicht gibt, werden ihre Interessen einfach übergangen und Entscheidungen über ihre Köpfe hinweg getroffen. Die Anwohner haben ein Recht darauf, und gleiches gilt für Menschen, die nicht in der Nähe wohnen. Alle sollten die Möglichkeit haben, ihre Meinung zu äußern, und daß dies berücksichtigt wird.

SB: Gibt es Unterstützung von Bauern, die ebenfalls gegen den Bau eines Maststalls sind?

Sprecherin: Bisher habe ich davon noch nichts mitbekommen.

SB: Ist überhaupt eine Infrastruktur vorhanden für die bis zu 420 Mastställe mit je 40.000 Hühnern, die in Wietze gebaut werden sollen? Gibt es einen aktuellen Stand hinsichtlich der Zahl der Zulieferbetriebe?

Sprecherin: Ein fertiggestellter Betrieb, der schon in die Produktion gegangen ist, steht in Sprötze in der Nähe von Hamburg. Er war letztes Jahr abgebrannt, wurde aber inzwischen wieder aufgebaut und eröffnet. Ich weiß von fünf Zulieferbetrieben, die gebaut werden sollen. Sie befinden sich jedoch in der Bauphase, zwei sind sogar noch in der Genehmigungsphase.

SB: Ist die Anlage in Wietze schon in Betrieb?

Sprecherin: Nein, die ist noch im Bau, soll aber noch in diesem Jahr in Produktion gehen.

SB: Wie beurteilt ihr, daß es bisher erst acht Ställe gibt bei einer geplanten Zahl von über 400? Ist das für die Bauern in der Region aus wirtschaftlichen Gründen nicht so interessant oder hat das andere Gründe, daß kein stärkerer Strukturwandel im Bereich der sogenannten Tierproduktion stattfindet?

Sprecherin: Einerseits mag es wirtschaftliche Gründe geben. Letztes Jahr wurde eine Studie von einem Universitätsprofessor veröffentlicht, der prophezeit hat, daß der Geflügelmarkt in kürzester Zeit zusammenbrechen kann, wenn weiter so viel produziert wird. Andererseits kann es auch an den Protesten der letzten Jahre gegen die Massentierhaltung liegen.

SB: Ist es auch Teil eurer politischen Arbeit, über das persönliche Anliegen in Bezug auf Tierrechte oder Tierbefreiung hinaus bürgerliche Kreise in diesen Kampf einzubeziehen?

Sprecherin: Auf jeden Fall. Es geht ja nicht nur darum, daß sich ein kleiner Kreis dafür engagiert, sondern darum, einen gesellschaftlichen Wandel herbeizuführen und viel mehr Menschen dafür zu gewinnen.

SB: Habt ihr einschlägige Erfahrungen gesammelt, wie Leute auf radikalere Lebensweisen und Aktionsformen, um einmal den Veganismus zu nennen, reagieren?

Sprecherin: Ich habe durchweg positive Erfahrungen gemacht, vor allen mit Menschen, die sich bereits in Bürgerinitiativen engagieren, zum Beispiel gegen Massentierhaltung. Die reagieren sehr positiv darauf und freuen sich auch, wenn radikalere Aktionen passieren wie jetzt mit der Besetzung, und die eigentlich auch bereit sind, diese Leute zu unterstützen und ihnen zuzuhören, mit ihnen zu diskutieren und auch teilweise ihre Meinung zu ändern und dann auch anfangen, zum Beispiel vegan zu leben, wenn sie es nicht schon vorher getan haben.

SB: Könntest du abschließend noch einmal erklären, wen ihr mit eurer jetzigen Aktion erreichen möchtet und wie ihr euch eine Unterstützung in der Sache vorstellt?

Sprecherin: Wir versuchen vor allen Dingen Menschen hier in der Umgebung zu erreichen, die vorbeikommen möchten, um das Camp zu unterstützen, vor allen Dingen durch Spenden. Wir brauchen ganz dringend immer Lebensmittel - hauptsächlich vegane, wir leben fast alle vegan auf dem Camp -, aber auch Bauholz, Werkzeug, Decken, Isomatten, Schlafsäcke, Zelte, Wasser. Wenn Menschen, die hier in der näheren Umgebung wohnen, einen Wasseranschluß haben, könnten wir dort unsere Wasserkanister auffüllen. Wir freuen uns aber auch, wenn Menschen einfach nur vorbeikommen, irgendwie aktiv mithelfen, das Camp aufzubauen, zu diskutieren.

SB: Heißt das, ihr richtet euch tatsächlich auf eine längere Zeit ein, es sei denn, daß ihr geräumt werdet?

Sprecherin: Genau, mit einer Räumung sollte mensch jederzeit rechnen, aber wir wollen uns davon nicht beeindrucken lassen und richten uns auf jeden Fall darauf ein, daß wir länger bleiben können und sind auch dabei, das Camp so auszurichten.

SB: Dann wünsche ich euch gutes Gelingen. Vielen Dank für das Gespräch.

27. Juni 2011