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INTERVIEW/014: Tierrechte human - Links vom Leben ... Kölner Aktivist im Gespräch (SB)


Interview mit dem Kölner Tierrechtsaktivisten Ralph

Herbstakademie der Assoziation Dämmerung, 9. November 2013, im Acker pool Co., Hamburg-Eidelstedt



"Gegenstand unserer Arbeit und Kritik ist vor allem die kapitalistisch verfasste Gesellschaft, insbesondere ihr Verhältnis zur Natur und zu den Tieren", stellt sich die Organisation Assoziation Dämmerung auf ihrer Internetseite vor. [1] Mit dieser Aussage wird auch die inhaltliche Ausrichtung der zweitägigen Herbstakademie, zu der die Initiative geladen hatte, treffend umrissen. Es geht letztlich um die Befreiung von Tier und Mensch aus den herrschenden Verhältnissen.

Am Freitag, den 8. November, fand im Magda-Thürey-Zentrum (MTZ) in Hamburg eine Podiumsdiskussion unter dem Thema "One Struggle - One Fight!? Die Tierbefreiungsbewegung und die antikapitalistische Linke" statt. Am Samstag, den 9. November, standen vier Workshops und ein kultureller Ausklang auf dem Programm. [2]

Am Rande des Treffens sprach der Schattenblick mit dem Tierrechtsaktivisten Ralph aus Köln, der in der sozialen Arbeit tätig ist.

Blick von schräg oben auf riesiges Schlachthofgelände mit einem Labyrinth an Viehpferchen - Foto: © U.S. National Archives and Records Administration

Schlachthof Union Stock Yards, Chicago, Juli 1941 - Befreiung der Tiere und Menschen von der Herrschaft des Kapitals
Foto: © The U.S. National Archives and Records Administration

Schattenblick (SB): Ralph, du bist eigens aus Köln angereist. Wie hast du von der Veranstaltung erfahren und was waren deine Motive hierherzukommen?

Ralph (R): Ich habe davon über die üblichen Online-Adressen der Tierrechtsbewegung, die den Termin publizierten, und durch persönliche Kontakte zu Leuten, die ich kenne und die ebenfalls teilnehmen, erfahren. Da dachte ich, das ist schon ein interessantes Thema. Es gibt doch in Deutschland eine sehr aktive linke Bewegung mit verschiedenen Strömungen, aber es gibt tatsächlich noch nicht so sehr die Verbindung zu Tierrechten und Tierbefreiung, daß man von einem gemeinsamen Weg sprechen könnte.

Außerdem habe ich eine eigene Erfahrung in Köln gemacht, als wir dort als Tierrechtsgruppe für eine Attac-Gruppe ein veganes Catering auf die Beine stellten. Dort waren Linke verschiedener Strömungen vertreten. Leider beschwerten sich dann doch sehr viele, daß wir keine Fleischfrikadellen anboten. In dem Moment hatte mich das schockiert. Das Beispiel zeigt, daß das ein Thema ist. Mich interessiert, welche Hemmnisse zusammenzukommen und was die traditionelle oder etablierte Linke daran hindert, sich der Tierrechtsbewegung zu öffnen und sich mit ihren Fragen auseinanderzusetzen.

SB: Es gibt ja die drei großen Kategorien Tierschutz, Tierrechte und Tierbefreiung. Wo würdest du dich selber zuordnen und worin würdest du dich gegenüber den anderen beiden abgrenzen?

R: Tierschutz ist für mich kein Thema, weil es nichts mit Tierrechten und Tierbefreiung zu tun hat. Ich will keine besseren Bedingungen der Ausbeutung, sondern letztendlich die ausbeuterischen Verhältnisse und das Nichtachten der Tiere als Lebewesen möglichst beendet wissen. Das ist für mich eine zentrale Forderung der Tierbefreiung, die sich letztendlich aus den Tierrechten her begründet. Ich sehe das so, daß diese Begriffe durchaus nebeneinander stehen können.

SB: Du bist in der sozialen Arbeit tätig, kannst du dabei die Themen Tierrechte und Tierbefreiung einbringen?

R: Nicht direkt, aber ich bringe es natürlich durch meine eigene Person, vielleicht auch durch meine persönliche Entwicklung, ein. Ich habe viele Jahre lang das vegetarische oder vegane Leben als eine individuelle Entscheidung angesehen, aber vertrete das heute sehr viel vehementer nach außen. Ich stelle mich dann der Diskussion und merke, daß dadurch, daß ich scheinbar Widerspruch provoziere, eine Diskussion entsteht. So habe ich die Möglichkeit, darüber zu reden und meine Motive und Gründe darzulegen.

SB: Arbeitest du auch mit Leuten mit Migrationshintergrund?

R: Auch, natürlich.

SB: Entstehen da spezifische Probleme, wenn die aus einem anderen Kulturkreis kommen und möglicherweise noch einen anderen Umgang mit Tieren und diesem Thema haben?

R: Das ist ganz unterschiedlich. Es gibt muslimische Kinder, die mir, als sie hörten, daß ich kein Fleisch und keine tierischen Produkte esse, sagten: 'Ach, das ist ja interessant, mein Vater ist auch Vegetarier.' Man kann da nichts verallgemeinern. Sowohl bei Migranten als auch religiösen Gemeinschaften gibt es durchaus Gruppen, die sich gegen den Fleischverzehr entscheiden oder sich damit auch auseinandersetzen.

SB: Bringst du dein Interesse für Tierrechte und Tierbefreiung auch in eine Organisation ein?

R: Ähnlich wie bei den etablierten oder organisierten Linken gibt es im Bereich der Tierrechte Gruppen, die eine sehr klare Organisationsstruktur haben, und es gibt welche, die sich eher als Plattform verstehen, wo es ein paar Aktive gibt. Beispielsweise haben wir alle Jahre in Köln - allerdings letztes Jahr nicht, da hatte es nicht geklappt - die Kampagne "Köln pelzfrei". Nur eine Handvoll Leute gehört da zum festen Kern. Aber um eine Demo zu organisieren, muß natürlich einiges mehr aufgeboten werden, und zu so einer Veranstaltung kommen natürlich dann sehr viele. Da würde ich mich selbst positionieren. Wenn es Veranstaltungen gibt, die ich für wichtig halte, bin ich auch dabei und unterstütze die, ohne daß ich regelmäßig bei einer Gruppe mitmache.

SB: Welchen Eindruck hat die gestrige Podiumsdiskussion bei dir hinterlassen?

R: Für mich war es ein ganz wichtiges Signal, von Anfang an zu sagen, daß es vielleicht etwas Historisches hat, daß die Linke und die Tierrechtsbewegung zusammengekommen sind und über Fragen diskutiert haben. Das war meines Erachtens nicht übertrieben. Erschreckend fand ich jedoch vor allen Dingen, daß bei den traditionellen linken Organisationen eine starke Verkrustung hinsichtlich des Themas Tierrechte besteht. Da haben wir, wenn ich mich da mit einschließen darf, als Tierrechtsbewegung noch einiges vor uns, um in die Linke reinzukommen und sie für dieses Thema zu öffnen.

SB: Es geht dir also, wie es auf der gestrigen Podiumsdiskussion gesagt wurde, um die Befreiung von der Herrschaft des Menschen über Tier und Mensch?

R: Ja.

SB: Von welcher Seite hast du dich der Tierrechts- und Tierbefreiungsbewegung genähert - war das eher von der theoretischen, empathischen oder einer ganz anderen Seite her?

R: Es war ein sehr persönlicher Werdegang. Ich habe die meiste Zeit meines Lebens vegetarisch gelebt und tatsächlich nicht gesehen, daß auch die anderen tierischen Produkte letztendlich mit der tierischen Ausbeutung zu tun haben. Mir war nicht bewußt, was es bedeutet, wenn du beispielsweise Käse ißt oder Milch trinkst, daß für diese Produkte Kühe jedes Jahr zwangsgeschwängert werden. Nach vier Jahren geben die ihre Milchleistung nicht mehr und enden wie jedes andere Fleischtier auch. Das heißt, daß du auch mit deinem Milch- und Käsekonsum genauso dafür verantwortlich bist.

Zum Glück hat mich unser Kind darauf gebracht, das mit zwölf Jahren erklärte, es wolle vegan leben. Das hat mir die Augen geöffnet und mir dazu verholfen, von der für mich damals richtigen Lösung Vegetarismus wegzukommen und zu sagen, das kann nicht die Lösung sein, du mußt vegan leben. Das tue ich aus ethischen Motiven, möchte aber auch politisch die Verhältnisse verändern, in denen Tiere, ich sage es polemisch, in Knechtschaft gehalten werden.

SB: Du hast einmal eine Recherche zu Gabriele Wittek durchgeführt. Um was ging es dabei und was hast du herausgefunden?

R: Es ging um ein Thema, das die Tierrechtsbewegung schon lange bewegt und durchzieht. Es versuchen immer wieder verschiedene Gruppierungen, die letztendlich überhaupt nicht mit den politischen Zielen der Tierrechtsbewegung übereinstimmen, auf die Gruppen Einfluß zu nehmen und dort reinzugehen. Und da existiert eben auch die Sekte "Universelles Leben" mit Gabriele Wittek. Sie ist deren Führerin, das muß man so nennen, weil man es hier doch mit einem sehr hierarchisch-kapitalistischen Organisationsmodell zu tun hat. Es wird versucht, verschiedene Gruppierungen der Tierrechtsbewegung letztendlich zu unterwandern, und ich habe einfach mal geguckt, in welchen Gruppen sind denn welche Verbindungen, wer hat welche Links zu welchen Zeitungen gesetzt.

Das war schon interessant, und ich denke, man muß sehr genau gucken, mit wem man wo was zusammen macht, wenn man diesen politischen Anspruch hat und sich nicht auf Tiere oder Tierrechte beschränkt. Das ist für mich unvereinbar mit Menschenrechten und der Achtung auch vor dem Menschen. So wie ich nicht mit der NPD zusammen vor dem Zirkus demonstriere, schaue ich mir an, bei welchen Bündnissen ich mitmachen will und ob ich bestimmte Sachen dabei haben will. Wenn andere Gruppen sagen, die sollen dabei sein, dann wiederum muß ich für mich überlegen, ob ich das will.

SB: In Köln sind rechte, bürgerliche Bewegungen ziemlich verbreitet. Befaßt sich beispielsweise "pro Köln" auch schon mit Tierschutz und Tierrechten oder richtet sich die Initiative nur gegen Migranten?

R: In Köln hauptsächlich gegen Migranten. Da kam es einmal zu einer interessanten Entwicklung. Noch bevor die Organisation "pro Köln" aktiv werden und überhaupt irgendein Statement verfassen konnte, haben verschiedene Bündnisse schon erste Aktionen gestartet, um Flüchtlinge zu begrüßen und ähnliches. Das hatte dann also eher positive Auswirkungen.

SB: Vielen Dank für das Gespräch.

Frau mit Pelzstola schreitet nachts durch Reihen von Grabsteinen mit Abbildern verschiedener 'Pelztiere' - Foto: HAYTAP, freigegeben als CC-BY-SA-3.0 via Wikimedia Commons

Befreiung der Tiere ist eine kultur- und glaubensübergreifende Frage.
"Mord für Mode?" - Poster der türkischen Tierrechtsinitiative HAYTAP, 3. Dezember 2012
Foto: HAYTAP, freigegeben als CC-BY-SA-3.0 via Wikimedia Commons


Fußnoten:


[1] http://www.assoziation-daemmerung.de/daemmerung/

[2] Zur Herbstakademie der Assoziation Dämmerung bisher im Schattenblick erschienen:

INFOPOOL → TIERE → REPORT:

BERICHT/005: Tierrechte human - Abgründe ... (SB)
Neue Horizonte für antikapitalistische Bewegungen

INTERVIEW/008: Tierrechte human - das eine, was man will ... Eva Bulling-Schröter im Gespräch (SB)
INTERVIEW/009: Tierrechte human - sowohl als auch, im Zweifel nicht, Maciej Zurowski im Gespräch (SB)
INTERVIEW/010: Tierrechte human - Mit Beispiel voran, David von der Gruppe Hilarius im Gespräch (SB)
INTERVIEW/011: Tierrechte human - Gegen den Strom, Albino im Gespräch (SB)
INTERVIEW/012: Tierrechte human - Niemand stirbt für sich allein, Tobias Hainer im Gespräch (SB)
INTERVIEW/013: Tierrechte human - Fortschritt gemeinsam, Kritik voran ... Matthias Rude im Gespräch (SB)


13. Dezember 2013