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INTERVIEW/035: Vegane Fronten - Überborden Haifisch morden ...    Oliver Feist und Julian Engel im Gespräch (SB)


Wenn Haie bösartig sind, was sind dann die Menschen?

Veganes Straßenfest in Hamburg-St. Georg am 5. September 2015


Die Aktivistinnen und Aktivisten von Stop Finning Deutschland e.V. [1] setzen sich für den Erhalt in ihrem Bestand durch die Fischindustrie und die Verschmutzung der Meere bedrohter Haiarten ein. Oliver Feist, 1. Vorsitzender, und Julian Engel, 2. Vorsitzender des Vereins, informierten beim Veganen Straßenfest auf dem Hansaplatz in Hamburg-St. Georg über das Ausmaß dieser Bedrohung und klärten über den irreführenden Charakter des weitverbreiteten Bildes auf, das Haie als höchst aggressive und auf Menschenjagd gehende Räuber darstellt. Der Schattenblick hatte Gelegenheit, Oliver Feist und Julian Engel an ihrem Infostand einige Fragen zu stellen.


Am Stand von Stop Finning Deutschland e.V. - Foto: © 2015 by Schattenblick

Julian Engel und Oliver Feist
Foto: © 2015 by Schattenblick

Schattenblick(SB): Sie sind in einer ganz speziellen Mission unterwegs, nämlich, den Mord, wie Sie es nennen, an den Haien zu stoppen. Woher kommt das Eintreten für eine Tierart, die in der Öffentlichkeit alles andere als einen guten Ruf genießt?

Julian Engel (JE): Es gibt zwei Gründe, Haie zu schützen. Der eine ist eher ein emotionaler, weil wir Taucher sind und von daher schnell gelernt haben, daß der Mythos vom Hai als böses Monster, das Menschen frißt, nur vom Film "Der weiße Hai" herrührt, aber nichts mit der Realität zu tun hat. Wer mit ihnen taucht, weiß, daß Haie schöne und bewunderswerte Tiere sind. Der zweite Grund ist ein ökologischer: Haie spielen für das Ökosystem eine ebenso wichtige Rolle wie die Bienen für die Menschen. Letztlich kann der Mensch ohne Haie nicht überleben. Das hängt mit den Algen zusammen, die den Sauerstoff produzieren, den wir atmen. Das wäre ohne Haie nicht möglich.

Man muß außerdem sehen, daß Haie, die sich sehr langsam reproduzieren, vom Aussterben bedroht sind. Jedes Jahr werden zwischen 100 und 120 Millionen Haie getötet. Diese Zahlen sind wissenschaftlich belegt und stellen eine unglaublich große Problematik dar, die unbedingt mehr Aufklärung braucht.

SB: Insbesondere an den Küsten Australiens werden Menschen von Haien verletzt bzw. getötet. In welchen Verhältnis steht die Häufigkeit solcher Vorfälle zu den organisierten Kampagnen, Haie systematisch umzubringen?

Oliver Feist (OF): Es geht hier nicht um gezielte Angriffe von Haien. Wenn man sich das Habitat anschaut, in dem diese Unfälle passieren, dann handelt es sich zum Großteil um Bereiche, wo viele Robben vorkommen. An der australischen Küste vor Perth, wo es mehrfach zu Haiattacken gekommen ist, finden sich auf den vorgelagerten Inseln Robbenkolonien. Hinzu kommt, daß die Wellen in Westaustralien beeindruckend schön sind und dort dementsprechend viele Surfer ins Wasser gehen. Daraus ist auch der Mythos entstanden, daß Haie Robben und Surfer verwechseln würden. Mittlerweile haben diverse Fachleute diese Behauptung widerlegt. Der Hai kann sehr wohl unterscheiden, ob er Jagd auf eine Robbe macht oder nicht.

Wenn man die ganzen Geschichten betrachtet, wird man schnell begreifen, daß Haie keine bösartigen Tiere sind. Zigtausende Menschen, die an den Küsten Australiens ins Wasser gehen, kriegen das selber mit. Dementsprechend entsteht in Australien derzeit fast schon ein Hai-Aktivismus. Das betrifft nicht nur den Westen, der immer wieder in die Medien kommt. Das passiert genauso in Queensland und in New South Wales.

Angesichts der Touristenaktivitäten in Australien muß die Regierung früher oder später die jetzt erlassenen Richtlinien wieder kippen, damit der Tourismus weiterhin Bestand hat. Es gibt durchaus Alternativen zu den Hainetzen bzw. Drumlines, die wesentlich ökologischer und für das gesamte maritime Ökosystem nachhaltiger sind. Nur kosten sie leider mehr Geld. In Zahlen läßt sich kaum ausdrücken, was innerhalb eines Jahres an Meeresgetier in diesen Netzen bzw. an den Langleinen, die gezielt gelegt werden, verendet ist. Die Langleinen werden mit Ködern ausgelegt, angeblich um die Strände vor Haien, die zufällig vorbeikommen, zu schützen. Tatsächlich werden Haie durch die Köder angelockt.

JE: Nachweislich findet man an der Küste von Westaustralien seitdem mehr Haie als vorher. Alle Wissenschaftler in Australien, die sich mit dem Thema beschäftigt haben, erklärten der Regierung, daß ihr Plan genau das Gegenteil erreicht. Eigentlich sollte der Weiße Hai durch diese Maßnahme gezielt in seinem Bestand dezimiert werden, obwohl er stark vom Aussterben bedroht ist. Das Ganze ist schon deshalb absurd, weil der Weiße Hai mit dieser Methode gar nicht getötet oder gefangen wird. Dazu ist er letztlich viel zu klug und beißt nicht an den Drumlines an. Statt dessen wurden sehr viele Tigerhaie getötet, was gar nicht beabsichtigt war. Allein im ersten Monat dieser Maßnahme wurden nur an der Küste von Westaustralien über 400 Tigerhaie getötet.

SB: Wahrscheinlich haben die Taucher aus Ihrer Organisation und Sie selber schon etliche Begegnungen mit Haien gehabt.

OF: Wir wählen unsere Tauchurlaube sogar danach aus. Wir gehen gezielt zum Haitauchen.

SB: Und Sie haben immer nur gute Erfahrungen gemacht?

OF: Ja, und das waren die verschiedensten Begegnungen vom Kleinen Riffhai über Hammerhai, Walhai und Hochseehai bis hin zum Weißen Hai.

SB: Wie erklären Sie sich den in Medien und Gesellschaft kolportierten Mythos vom Hai als einer räuberischen Bestie der Meere?

OF: Das Bild des Hais, wie es in den Köpfen herumspukt, ist eine reine Hollywoodgeschichte, entstanden durch den "Weißen Hai". Der Film hat einen medialen Hype ausgelöst, der bis heute Bestand hat. Interessanterweise ist dies dem Macher des Streifens selber bewußt geworden. Er ist der Gründer einer der mittlerweile größten Haischutzorganisationen der Welt. Er selber lebt nicht mehr, aber seine Frau führt sie in Amerika fort.

SB: Sie sind hier auf dem Veganen Straßenfest. Ist es eher Zufall, daß es hier um Veganismus geht, oder stellt das für Sie eine persönliche Option dar?

JE: Wir sprechen uns als Organisation ganz klar für den Veganismus aus. Fast alle unserer Mitglieder leben selbst vegan. Man muß die Zusammenhänge sehen. Beim Fischfang werden fast 50 Millionen Haie durch Beifang getötet. Wenn man Haischutz betreibt, kann man keinen Fisch essen. Das paßt nicht zusammen. Darüber hinaus wird dieser Beifang meistens als Fischmehl an Hühner oder Schweine verfüttert. Das heißt letztendlich, Meeresschutz und Veganismus sind zwei Dinge, die dringend miteinander verbunden werden müssen.

SB: Könnten Sie schildern, was es mit dem Finning auf sich hat?

OF: Finning kommt von dem englischen Wort Fin, was Flosse bedeutet. Das Finning beschreibt die Praxis des Abschneidens der Rückenflossen bzw. auch Seitenflossen oder Schwimmflossen der Haie bei lebendigem Leibe. Verwendung finden sie für die Haifischflossensuppe im asiatischen Markt.

SB: Und was passiert dann mit den Tieren?

OF: Der Rest vom Hai geht über Bord, weil er wirtschaftlich gesehen wertlos ist. Das heißt, der Profit kommt durch die Flossen.

JE: Beim Blauhai beispielsweise ist es so, daß die Flossen zwischen 500 und 800 US-Dollar wert sind, der Körper bringt etwa 60 US-Dollar ein. Flossen kann man sehr gut stapeln. Selbst mit einem kleinen Fischerboot kann man ohne Probleme Flossen von 50 Haien lagern. Dagegen kann man vielleicht nur drei Haie insgesamt an Bord kriegen, und deswegen ist das wirtschaftlich nicht lukrativ. Weniger Masse bringt mehr Profit.

SB: Vielen Dank für das Gespräch.


Fußnote:

[1] http://www.stop-finning.com/


Zum Veganen Straßenfest 2015 im Schattenblick:

BERICHT/011: Vegane Fronten - Nicht nur der Verzehr ... (SB)
http://www.schattenblick.de/infopool/tiere/report/trbe0011.html

BERICHT/012: Vegane Fronten - Der Pelzraub-Renaissance die Stirn bieten ... (SB)
http://www.schattenblick.de/infopool/tiere/report/trbe0012.html

INTERVIEW/029: Vegane Fronten - Heimstatt für verbrauchte Leben ...    Verena Delto im Gespräch (SB)
http://www.schattenblick.de/infopool/tiere/report/trin0029.html

INTERVIEW/030: Vegane Fronten - Gabelhumor ...    Der Graslutscher im Gespräch (SB)
http://www.schattenblick.de/infopool/tiere/report/trin0030.html

INTERVIEW/031: Vegane Fronten - Tische ohne Fische ...    Valeska Diemel im Gespräch (SB)
http://www.schattenblick.de/infopool/tiere/report/trin0031.html

INTERVIEW/032: Vegane Fronten - Doppelfluchten ...    Wanja Kilber im Gespräch (SB)
http://www.schattenblick.de/infopool/tiere/report/trin0032.html

INTERVIEW/033: Vegane Fronten - Menschenrecht Gesundheit ...    Lukas Rosen im Gespräch (SB)
http://www.schattenblick.de/infopool/tiere/report/trin0033.html

INTERVIEW/034: Vegane Fronten - Wo der Mensch auch hintritt ...    Daniel Mettke im Gespräch (SB) http://www.schattenblick.de/infopool/tiere/report/trin0034.html

13. Oktober 2015


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