Schattenblick → INFOPOOL → TIERE → REPORT


INTERVIEW/038: Veganes Straßenfest - Reißleine Tierversuch, Halteseil Mensch ...    Katharina Feuerlein im Gespräch (SB)


Die Hamburger Ärztin im Ruhestand, Katharina Feuerlein, ist Mitglied im Vorstand der Organisation Ärzte gegen Tierversuche e.V. Auf dem 6. Veganen Straßenfest in Hamburg [1] referierte sie über die mangelhafte Aussagekraft qualvoller und tödlich endender Tierversuche hinsichtlich der Verwendung der dabei getesteten Medikamente bei Menschen und stellte Ersatzverfahrene von weit höherer Relevanz für die Humanmedizin vor, die Medikamententests an Tieren vollständig ersetzen könnten. Im Anschluß daran beantwortete sie dem Schattenblick einige Fragen.



Im Gespräch - Foto: © 2019 by Schattenblick

Katharina Feuerlein
Foto: © 2019 by Schattenblick

Schattenblick (SB): Frau Feuerlein, durch Tierversuche für medizinische Zwecke soll Schaden am Menschen abgewendet werden. Angenommen, Tierversuche würden komplett eingestellt, weil sie sich als überflüssig erwiesen hätten, käme es dann zu einer Häufung gefährlicher Menschenversuche?

Katharina Feuerlein (KF): Nein, denn die gefährlichen Menschenversuche finden jetzt schon statt. Zunächst einmal zu den grundsätzlichen Vorgängen bei der Zulassung eines Medikamentes: An erster Stelle steht der Tierversuch, danach kommen vier verschiedene Stadien von Menschenversuchen, wenn man das einmal so plakativ sagen will. In der Phase eins wird das an Tieren bereits getestete Medikament an einigen jungen gesunden Männern getestet, gerne Männer, weil Frauen schwanger sein könnten, was das Risiko vergrößern würde. Als nächstes wird eine größere Gruppe von Gesunden getestet, dann eine große Gruppe Kranker, und dann erst kann das Medikament zugelassen werden, aber als neu zugelassenes Medikament mit einem schwarzen Dreieck versehen und dadurch noch unter besonderer Beobachtung stehend. Das ist vorgeschrieben, da führt kein Weg daran vorbei. Wenn der Tierversuch vorher weggelassen würde und gleich mit Hilfe dieses Microdosing, was ich eben erwähnte, an den jungen Menschen getestet würde, dann hätten sie eine sehr viel höhere Sicherheit, als wenn sie sich auf das fehlerbehaftete Prozedere der Tierversuche stützen.

SB: Die von Ihnen erwähnten Organoide werden aus Stammzellen gebildet. Besteht ein Zusammenhang zu der umstrittenen Nutzung menschlicher Stammzellen, die im Rahmen der Reproduktionsmedizin unter Bedingungen erwirtschaftet werden, gegen die nicht nur Feministinnen Einwände erheben?

KF: Das sind völlig andere Stammzellen, deswegen sind diese induzierten pluripotenten Stammzellen (iPS) eine solch bahnbrechende Erfindung. Sie nehmen das Haar eines Menschen und machen daraus pluripotente Zellen. Damit wird die sogenannte personalisierte Medizin möglich. Sie haben wirklich die Organe eines bestimmten Menschen, genauer geht es nicht, genauer kann man nicht forschen.

SB: Also ist die Pluripotenz auch in einem Haar enthalten?

KF: Ja, wenn man diese spezialisierten Zellen in einen embryonalen Zustand zurückentwickelt. Für die Entdeckung dieser Stammzellen haben John B. Gurdon und Shinya Yamanaka 2012 den Nobelpreis erhalten.

SB: Xenotransplantation ist ein besonders grausames Verfahren. Wie lautet die Kritik der Ärzte gegen Tierversuche an der Forschung an Tieren zwecks Produktion von Ersatzorganen für Menschen?

KF: Es wird seit Jahren versucht, die Abstoßungsreaktion zu unterdrücken, und es gelingt nicht, trotz jahrzehntelanger grausamster Tierforschung. Man setzt zum Beispiel Pavianen Schweineherzen ein. Ich glaube, die längste Überlebensdauer betrug sechs Monate, dann sterben diese Tiere. Es klappt einfach nicht. Man kann diese Abstoßungsreaktionen nicht so unterdrücken, daß sie nicht mehr stattfinden. Das ist eigentlich der grausamste Forschungszweig.

SB: Unter VeganerInnen wird mitunter kritisiert, daß mit pharmazeutischen Mitteln eine Art Scheingesundheit erhalten wird, während eine bessere Ernährungsweise für gesundheitliche Zwecke viel förderlicher wäre. Wie sehen Sie dieses Verhältnis von medizinischer Substitution und eigenem Bemühen in Sachen Gesundheit?

KF: Man sollte für seine Gesundheit tun, was immer man kann. Ausreichende Bewegung, gesunde Ernährung, nicht rauchen, keine schädlichen Dinge zu sich nehmen. Wenn man jedoch krank wird und nichts dafür kann, weil es sich nicht mittels Ernährung oder Lifestyle-Änderung beheben läßt, dann bleibt einem nichts anders übrig, als Medikamente zu nehmen, die im Tierversuch getestet wurden, weil es keine anderen gibt. Die soll man auch nehmen, man rettet kein Tier, wenn man die Medikamente nicht nimmt und sich selber schadet.

SB: Wir sind hier auf einem veganen Straßenfest, haben Sie als Verband eine Position zum Veganismus?

KF: Ja, wir sind da sehr zugewandt und unterstützen ihn. Die meisten von uns sind auch Veganer. Manche mehr, manche weniger.

SB: Frau Feuerlein, vielen Dank für das Gespräch.


Fußnote:


[1] http://www.schattenblick.de/infopool/tiere/report/trbe0015.html


30. Juli 2019


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang