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GENTECHNIK/014: Genmanipuliert, geklont, patentiert - die Designer-Kuh (tierrechte)


tierrechte 2.08 - Nr. 44, Mai 2008
Menschen für Tierrechte - Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.

Genmanipuliert, geklont, patentiert - die Designer-Kuh

Von Marion Selig


Nicht nur durch konventionelle Zucht werden Rinder heute den Wünschen und Vorstellungen des Menschen angepasst. Gentechnische Veränderung soll die 'Milch-' und 'Fleischleistung' noch höher schrauben und die Produktion menschlicher oder anderer artfremder Eiweiße in der Milch ermöglichen. Die Designer-Kuh - vervielfältigt durch Klonen, schließlich patentiert und damit zur 'Erfindung' des Menschen gemacht.


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Im Januar 2008 gab die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA* in einer vorläufigen Stellungnahme bekannt, dass nach derzeitigem Wissensstand beim Verzehr von Milch und Fleisch geklonter Tiere keine Gefahr für die menschliche Gesundheit bestehe. Diese Stellungnahme entspricht im Wesentlichen der Einschätzung der amerikanischen Lebensmittelbehörde, die Anfang des Jahres grünes Licht für die Markteinführung von Produkten geklonter Rinder, Schweine und Ziegen gegeben hat.


Misserfolg Klonen

Weder die Frage, wer eigentlich die Produkte geklonter Tiere überhaupt braucht, noch jene nach der ethischen Zulässigkeit eines Verfahrens, das zum allergrößten Teil schiefgeht und zu missgebildeten oder lebensunfähigen Tieren führt, waren Gegenstand der EFSA-Stellungnahme.

Beim Klonen werden von dem Tier, das geklont werden soll, Zellen entnommen, z. B. aus dem Euter, der Haut oder auch aus anderem Gewebe. Diese Zellen werden im Labor kultiviert, vermehrt, und schließlich wird ihnen der Zellkern, in dem sich das Erbgut befindet, entnommen. Dieser Zellkern wird in die Eizelle eines weiteren Tieres verbracht. Aus dieser Eizelle wurde der Zellkern - und damit das Erbgut der 'Eizellspenderin' - entfernt. Der Zellkern vom ersten Tier und die Eizellhülle werden durch elektrische Impulse miteinander verschmolzen. Nach Einpflanzung dieser 'zusammengesetzten' Zelle in die Gebärmutter eines weiteren Tieres soll dann ein lebensfähiger Organismus heranwachsen, der genetisch gesehen eine 'Kopie' des ersten Tieres sein soll, dem die Körperzellen entnommen wurden.

Allerdings ist ein geringer Anteil Erbgut auch außerhalb des Zellkerns in der Zelle zu finden. Das Tier, dessen Eizelle verwendet wird, gibt damit - auch nach Entfernung des Eizellkerns - einen geringen Anteil Erbgut an den entstehenden Klon weiter.

In den allermeisten Fällen stirbt der geklonte Embryo noch im Mutterleib ab. Die überlebenden Tiere weisen oft Missbildungen oder andere Schäden auf. Laut EFSA-Stellungnahme beträgt die 'Erfolgsrate' beim Klonen lediglich 0,5 bis 5 Prozent, je nach Tierart. Das bedeutet, 95 bis 99,5 Prozent der auf diese Weise erzeugten Embryonen überleben diese Prozedur nicht.


Klonmilch und -fleisch auch in Europa?

Auch die Ethik-Gruppe der EU-Kommission EGE** hat sich zum Klonen von Tieren für Lebensmittel geäußert und kommt zu dem Schluss, dass angesichts des Leidens und der gesundheitlichen Probleme, die beim Klonen von Tieren auftreten, große Zweifel bestehen, ob das Klonen von Tieren für Lebensmittel gerechtfertigt sei. Die EGE sieht derzeit keine überzeugenden Argumente für die Produktion von Lebensmitteln geklonter Tiere oder ihrer Nachkommen.

Dennoch ist nicht klar, ob und wann Fleisch und Milch geklonter Rinder und anderer 'Nutztiere' in Europa auf den Markt kommen. Die EU-Kommission plant dazu eine öffentliche Meinungsumfrage, ein sogenanntes Eurobarometer. Wenn die Verbraucher ähnlich kritisch reagieren wie bei gentechnisch veränderten Lebensmitteln, dürften sie Lebensmittel von geklonten Tieren deutlich ablehnen. Ob das dann allerdings einen Einfluss auf die EU-Entscheidungen hat, ist fraglich.


Gen- und Klontechnik

Klonen ist keine Gentechnik, da die Gene, also das Erbgut, beim Klonen nicht gezielt durch den Menschen verändert werden. Genmanipulierte Tiere - vor allem sogenannte Nutztiere - lassen sich aber durch konventionelle Zucht häufig nicht weiter vermehren, ohne dass die gentechnische Veränderung verloren geht. Daher sollen genmanipulierte Tiere durch Klonen 'vervielfältigt' werden. Gen- und Klontechnik sollen sich also ergänzen.


Ziel: mehr Produktivität

Das Ziel bei der Genmanipulation von Kühen liegt zum einen in der Erhöhung der 'Produktivität', das bedeutet mehr Milch oder Fleisch, aber auch eine erhöhte Fruchtbarkeit oder Resistenz gegen bestimmte Erkrankungen. Fruchtbarkeit und Krankheitsresistenz sind allerdings kaum durch nur ein Gen, sondern durch sehr komplexe Vorgänge im Organismus bedingt, weshalb die gentechnische Veränderung wenig aussichtsreich ist.


Veränderte Milchzusammensetzung

Ein weiteres Ziel ist die Herstellung artfremder Eiweiße. So wurden menschliche Gene in das Erbgut von Rindern eingeschleust, die die Produktion menschlicher Eiweiße und deren Ausscheidung in der Milch bewirken sollten. Auf diese Weise sollen Blutgerinnungsfaktoren, Insulin oder auch antibiotisch wirkende Substanzen hergestellt werden. Dieses Verfahren wird auch als Gen Pharming bezeichnet. Aber auch andere artfremde Eiweiße, wie z. B. industriell nutzbare 'Spinnenseide', sind Gegenstand solcher Versuche mit Kühen und anderen Milch gebenden Tieren wie Ziegen, Schafen oder sogar Kaninchen. So hat das in Framingham, Massachusetts, ansässige Unternehmen 'GTC Biotherapeutics' transgene Ziegen 'erstellt', die den 'menschlichen' Blutgerinnungshemmer Antithrombin produzieren und in ihrer Milch ausscheiden. Die Substanz wird dann aus der Milch isoliert, gereinigt und weiter verarbeitet. Das auf diese Weise hergestellte Antithrombin ist bereits in der klinischen Prüfung und steht auch in der EU vor der Markteinführung, nachdem die EU-Kommission 2006 die Zulassung erteilt hat.

Auch die Eigenschaften der Milch sowie der Gehalt ihrer Inhaltsstoffe stehen im Visier der Gentechniker. Die Milch soll industriell leichter zu verarbeiten oder milchzuckerfrei sein und z. B. für die Käseherstellung die optimale Eiweiß-Zusammensetzung haben.


Misserfolg Gentechnik

Jedoch geht auch der Versuch, das Erbgut zu verändern, meistens schief. Zahlreiche genmanipulierte Tiere sterben bereits im Mutterleib ab. Bei anderen werden die neu eingebrachten Gene gar nicht oder an der falschen Stelle eingebaut. Die Effizienz des Einbringens fremder Gene in das Erbgut von Rindern beträgt lediglich ein Prozent.


Die Kuh - eine Erfindung des Menschen?

Der Trend, 'Milchkühe' und andere Tiere durch Gen- und Klontechnik bis ins Erbgut hinein den ökonomischen Vorstellungen des Menschen anpassen und profitabel machen zu wollen, geht jedoch noch weiter. Unternehmen und 'Erzeuger' solcher Tiere wollen durch Patente auf sie den Gewinn steigern. Ein Patent wird normalerweise auf eine Erfindung, z. B. auf technische Geräte oder auch Verfahren, erteilt und sichert dem Erfinder das Recht, anderen zu verbieten, die Erfindung zu nutzen bzw. für die Nutzung Lizenzgebühren zu verlangen. Tiere - auch gentechnisch veränderte - sind jedoch niemals Erfindungen des Menschen! Sie sind Lebewesen mit eigenen Rechten, die hier allerdings niemanden zu interessieren scheinen. So erteilte das Europäische Patentamt in München 2007 erstmals ein Patent auf genmanipulierte 'Milchkühe' und degradierte sie damit tatsächlich zur 'Erfindung'. Die 'Erfinder' erheben Anspruch auf Verfahren zur konventionellen Züchtung oder Genmanipulation von Kühen, die mehr Milch oder auch Milch mit veränderten Inhaltsstoffen geben. Auch auf Gene erstreckt sich der Patentanspruch. Damit können nicht nur für die Nutzung des Verfahrens, sondern auch für die 'Produkte' selbst, also die Kälber, sowie für ihre Weiterzucht Lizenzgebühren verlangt werden.


Die Macht nutzen

Gen- und Klontechnik liegen bei vielen Wissenschaftlern und Unternehmen im Trend. Und die Mühlen der Behörden, der Verwaltung und auch der Politik mahlen mitunter sehr langsam. Wir alle sind jedoch Verbraucher - und haben damit die Macht, die Welt über das, was wir kaufen und konsumieren, mitzugestalten. Diese Macht können und sollten wir nutzen - jeden Tag!


* European Food Safety Authority
** European Group on Ethics in Science and New Technologies

Weitere Informationen - insbesondere zum Thema Klonen - erhalten Sie in der Geschäftsstelle oder im Internet unter:
www.mag.tierrechte.de/43 (Klonen)
www.mag.tierrechte.de/44 (Gentechnik)


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Quelle:
tierrechte - Nr. 44, Mai 2008, S. 12-13
Infodienst der Menschen für Tierrechte -
Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.
Roermonder Straße 4a, 52072 Aachen
Telefon: 0241/15 72 14, Fax: 0241/15 56 42
E-Mail: info@tierrechte.de
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Juni 2008