Schattenblick →INFOPOOL →TIERE → TIERSCHUTZ

INITIATIVE/324: Die Rindergilde Geesthacht (PROVIEH)


PROVIEH Heft 2 - Juni 2009
Magazin des Vereins gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.

Die Rindergilde Geesthacht
Eine Selbstversorger-Initiative für artgerechte Tierhaltung und gesundes Fleisch

Von Dr. Clivia Häse


Es gibt viele Gründe, nicht einfach das erstbeste Fleisch von der Ladentheke zu kaufen. Nicht nur die Fleischskandale der letzten Jahre, auch die unzumutbaren Haltungsbedingungen der Tiere verleiden manch Konsumenten die Lust am Fleischverzehr. Was liegt da näher, als eine Kooperative zu gründen und die Sache selbst in die Hand zu nehmen? So jedenfalls dachten die Gründungsmitglieder der Rindergilde Geesthacht, die im Jahr 2008 ihr 20-jähriges Jubiläum feierte. Frei nach dem Motto "Jetzt helfen wir uns selbst" entwickelte sich die Privatinitiative von der ersten Idee zu einem äußerst erfolgreichen Projekt. Grund genug, Ihnen diese Alternative zur üblichen Fleischversorgung vorzustellen. Neben der Erzeugung von gesundem Öko-Fleisch aus artgerechter Tierhaltung profitiert auch die Umwelt von der extensiven Bewirtschaftung und der Biotop-Pflege, zu der sich die Rindergilde Geesthacht aus Überzeugung verpflichtet hat.

Uwe Kiesewein - ein Lehrer und Ratsherr aus Geesthacht - ging im Sommer 1987 auf die Suche nach engagierten Mitstreitern. Seine Idee war folgende: ein Kreis von Selbstversorgern pachtet eine Fläche zur extensiven Weidehaltung und schafft für den Eigenbedarf Tiere einer robusten Rinderrasse an. Im Februar 1988 war es dann soweit: 14 Gründungsmitglieder finanzierten durch einen entsprechenden Jahresbeitrag die ersten Tiere vor. Von dem Geld wurden vier Jungtiere der Rinderrasse "Deutsche Angus" angeschafft und zunächst bei einem Landwirt untergestellt.


Die hornlose Rinderrasse Deutsch Angus ist von Natur aus robust und gutmütig. Sie wird vor allem in der Mutterkuhhaltung zur Fleischproduktion, aber auch zur Landschaftspflege eingesetzt. Ihren schottischen Vorfahren, den Aberdeen-Angus, verdanken sie die Hornlosigkeit und die sog. Leichtkalbigkeit. Deutsche Zweinutzungsrassen brachten die lange Körperform und die gute Bemuskelung ein. Deutsch Angus können ganzjährig im Freien gehalten werden. Die Mutterkühe bringen ihre Kälber problemlos ohne menschliches Zutun auf der Weide zur Welt.


Im Mai 1988 konnte dann endlich ein Pachtvertrag abgeschlossen und die vier Jungtiere auf die Weide entlassen werden. Das hatte viel Überzeugungskraft gekostet. Die meisten Landwirte winkten damals nur kopfschüttelnd ab und hielten die ganze Sache für eine ausgemachte Spinnerei. Letztlich überzeugte das Projekt aber doch. Ein Landwirt in Kollow erklärte sich bereit, drei Hektar aus der Intensivnutzung heraus zu nehmen und an die Rindergilde zu verpachten.

In den ersten Jahren wurden die Tiere jeweils im Frühjahr gekauft und im Herbst geschlachtet. Mit der Zeit aber kam der Wunsch nach einer eigenen Zuchtherde auf, die ganzjährig auf der Weide gehalten werden kann. Dazu mussten weitere Flächen gepachtet, ein offener Stall als Winterunterschlupf gebaut, eine frostsichere Tränke installiert und die winterliche Heuversorgung sichergestellt werden. Mehr als 30 Mitglieder setzten dies durch finanzielle Mittel und unermüdlichen Arbeitseinsatz in die Tat um. Ab Mai 1991 durfte dann die eigene Zuchtherde, damals noch bestehend aus drei tragenden Mutterkühen und drei Kälbern, die Flächen in Kollow beweiden. Seitdem sorgte jedes Jahr ein Bulle für Nachwuchs. Aus den Kuhkälbern baute der Erdmannshof in Krukow sich eine Herde auf, während die Bullenkälber jeweils im Herbst geschlachtet wurden.

Insgesamt wurden inzwischen in Kooperation mit dem Erdmannshof 40 ha Weideland gepachtet und aus der intensiven Nutzung heraus genommen. Der Bewirtschaftungsvertrag schreibt eindeutig vor: keine Düngung, keine Pflanzenschutzmittel, kontrollierte Mahd, keine Nachsaat, kein Walzen, maximal 1-2 Tiere pro Hektar, kein Zufüttern und darüber hinaus biotopgestaltende Maßnahmen. Der an die Weideflächen grenzende Bach wurde über eine Bachpatenschaft renaturiert. Außerdem wurden die Knicks durch Wildobstgehölze bereichert, sowie 3500 laufende Meter neu angelegt. Die Natur dankte es durch eine erhöhte Artenvielfalt: so finden sich in der extensiv bewirtschafteten Knicklandschaft heute wieder u.a. Neuntöter, Nachtigall, Goldammer, Kuckuck, Rebhuhn, Laubfrosch und Schlüsselblume. Dank der gemeinsamen Bemühungen erhielt die Gemeinde Kollow im Jahr 2004 den Blunck Umweltpreis der Stiftung Herzogtum Lauenburg.

Heute zählt die Rindergilde über 70 aktive Mitglieder, die regelmäßig Arbeits- und Weidedienst ableisten. Mittlerweile weidet die Herde des Erdmannshofes auf den Flächen in Kollow. Sie dient heute der Fleischversorgung der Mitglieder, da die Rindergilde die eigene Zucht vor einigen Jahren wieder aufgegeben hat. Die Herde wuchs derweil auf 35 Tiere an, die nach den anspruchsvollen Demeter-Richtlinien gehalten werden. Durch das Weidegrünfutter und die ständige Bewegung wachsen die Tiere nur langsam. Das schlägt sich in einer erstklassigen Fleischqualität nieder. Über die Jahre gehörten der Rindergilde sogar Vegetarier an, die in der aktiven Mitarbeit einen Beitrag zum Umweltschutz sahen.


Dr. Clivia Häse,
Rindergilde Geesthacht

Weitere Informationen und Kontakt:
www.rindergilde-geesthacht.de


*


Quelle:
PROVIEH Heft 2, Juni, 2009, Seite 20-21
Herausgeber: PROVIEH - Verein gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.
Küterstraße 7-9, 24103 Kiel
Telefon: 0431/248 28-0
Telefax: 0431/248 28-29
E-Mail: info@provieh.de
Internet: www.provieh.de

PROVIEH erscheint viermal jährlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Juli 2009