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INITIATIVE/398: "Eine Frage der Haltung - Neue Wege für mehr Tierwohl" (TSB)


Pressemitteilung des Deutschen Tierschutzbundes - 22. Januar 2015

Zwischenbericht des Kompetenzkreises Tierwohl an das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft



Der Kompetenzkreis begrüßt die Initiative "Eine Frage der Haltung - Neue Wege für mehr Tierwohl" des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Im vorliegenden Zwischenbericht fasst er erste Empfehlungen zusammen.

I. Etablierung eines umfassenden Monitoringsystems

Das vom Kompetenzkreis ausdrücklich unterstützte Ziel, Tierschutz 1) und Tierwohl 2) anhand von prüfbaren Fakten besser messbar zu machen, ist die Basis für wissenschaftlich tragfähige Fortschritte bei der Haltung unserer Nutztiere.

Dieses Ziel erfordert die Entwicklung und Umsetzung eines Tierwohl-Indikatorensystems für ein flächendeckendes Monitoring des Tierschutzes in der Nutztierhaltung.

II. Bund-Länder-Koordinierung der Tierschutz- und Tierwohl-Initiativen

Der Kompetenzkreis begrüßt die Vielzahl der auf Bund-Länder-Ebene laufenden Versuche und Aktivitäten, die Tierwohlsituation in der Nutztierhaltung zu verbessern. Allerdings kann es nur mit einer koordinierten und abgestimmten Vorgehensweise gelingen, zeitnahe Fortschritte bei den auf der Agenda stehenden Tierschutzthemen zu erreichen und gleichzeitig eine gesellschaftlich akzeptierte und wettbewerbsfähige Nutztierhaltung in Deutschland zu erhalten.

1) Tierschutz ist das, was (rechtlich) getan wird, um Schmerzen, Leiden, Schäden beim Tier zu vermeiden und Wohlbefinden zu sichern.

2) Das Ausmaß von Wohlbefinden, Schmerzen, Leiden, Schäden beim Tier ist das Tierwohl als Ergebnis des Tierschutzes.

Die Vielzahl der derzeit laufenden Aktivitäten macht es erforderlich, einen gemeinsamen Bund-Länder Tierschutzplan zu erarbeiten, der die bisher vorgetragenen Initiativen der Länder und des Bundes bündelt und mit einheitlichen Zeitvorgaben untersetzt.

Der Kompetenzkreis hält eine starke koordinierende Rolle des Bundes für erforderlich.

Wo nötig, sollte der Bund auch rechtsetzend tätig werden. Dies gilt insbesondere für jene Aufgabenbereiche, in denen freiwillige Lösungen nicht erzielbar sind oder nicht greifen. Der Kompetenzkreis hält es für erforderlich, dass Bund und Länder eine gemeinsame Übersicht über alle Initiativen, Runden Tische und Tierschutzpläne der Länder erstellen. Diese Übersicht sollte auch die verschiedenen Fördermaßnahmen und die Forschungsaktivitäten und Modell- und Demonstrationsvorhaben der Länder umfassen.

In einer "Bund-Länder-Initiative" sollten sowohl nationale als auch EU-bezogene Aktivitäten berücksichtigt werden.

III. Ausstieg aus nichtkurativen Eingriffen

Der Kompetenzkreis begrüßt das Ziel, nichtkurative Eingriffe bei Nutztieren zügig zu beenden.

3) Dieser Herausforderung müssen sich die Wirtschaft, insbesondere der Handel, die Tierhalter, Politik und Verwaltung sowie die Wissenschaft stellen.


Der Kompetenzkreis begrüßt und unterstützt das freiwillige Engagement der Wirtschaftsbeteiligten. Das BMEL sollte beim Abschluss von Vereinbarungen mit Wirtschaftsbeteiligten besonders auf folgende Punkte achten:

1. Bei den verschiedenen Tierarten stellen sich unterschiedliche Probleme. Selbst wenn es für einige Tierhaltungen nur Teillösungen gibt, sollten diese als abprüfbare Zwischenschritte im Sinne konkreter Maßnahmenpläne vorangetrieben werden.

3) Der Vertreter des Deutschen Bauernverbands trägt diesen Satz nicht mit und schlägt folgende Formulierung vor: "Der Kompetenzkreis begrüßt das Ziel, nichtkurative Eingriffe bei Nutztieren schrittweise zu reduzieren und baldmöglichst zu beenden."

2. Die Landwirte müssen mitgenommen werden. Hierzu ist unter anderem eine spezifische und flächendeckende Beratung erforderlich. Nur über eine solche funktioniert der Wissenstransfer. Der Kompetenzkreis hält es für erforderlich, Leitfäden zu erarbeiten, die für den Ausstieg aus nichtkurativen Eingriffen Notfall- und Gegensteuerungsmaßnahmen beschreiben. Damit soll insbesondere verhindert werden, dass neue Tierschutzprobleme entstehen.

3. Schwanzbeißen und Federpicken sind multifaktorielle Geschehen, zu deren Vermeidung es nie die eine Lösung geben wird. Fortschritte sind nur möglich, wenn jeder einzelne Tierhalter für seinen Betrieb geeignete Wege gehen kann. Dazu sind Einzelfall bezogene Empfehlungen und Beratungen sowie Schulungen notwendig. Darüber hinaus ist ein wichtiges Element, dass der Tierhalter unverzüglich reagiert, sobald das Problem des Federpickens bei Geflügel oder des Schwanzbeissens bei Ferkeln auftritt.

4. Freiwillige Vereinbarungen müssen konkrete Fristen und messbare Schritte für eine Lösungsfindung und praktikable Umsetzung enthalten. Dabei ist eine regelmäßige Evaluierung und Folgenabschätzung vorzusehen. In der Endstufe muss die Wirtschaft organisieren, dass im Rahmen eines bestimmten Zeithorizontes nur noch tierische Lebensmittel produziert und vermarktet werden, bei deren Erzeugung keine nichtkurativen Eingriffe vorgenommen worden sind.

IV. Prüf- und Zulassungsverfahren für Stallhaltungssysteme

Die Eckpunkte des BMEL zum Prüf- und Zulassungsverfahren werden grundsätzlich begrüßt. Bei der Ausgestaltung des Verfahrens sollte das BMEL besonders auf folgende Punkte achten:

1. Die Verpflichtung zur Zulassung richtet sich ausschließlich an den Hersteller vor Inverkehrbringen der Haltungseinrichtung.

2. Ziel ist, dass serienmäßig hergestellte Stalleinrichtungen nach einer angemessenen Übergangsfrist nur noch geprüft auf den Markt kommen.

3. Das Zulassungsverfahren muss so ausgestaltet werden, dass Innovationen gefördert und nicht gehemmt werden. Deshalb sollen nicht nur komplette Systeme, sondern auch einzelnen Module zugelassen werden können. Die Innovationsfreundlichkeit ist auch bei den Verfahrensgebühren und bei der Verfahrensdauer zu beachten. Gegebenenfalls sollten vorläufige Zulassungen nach summarischer Prüfung erfolgen. Die Auswirkungen auf kleine und mittelständische Hersteller von Stalleinrichtungen müssen beachtet werden.

4. Neben der Legehennenhaltung sollen von Anfang an auch Junghennen und Elterntiere einbezogen werden. Ebenfalls von Anfang an soll die Ausweitung auf andere Nutztiere geplant werden.

V. Weitere Empfehlungen

Anträge auf Förderung von Forschung und Modell- und Demonstrationsvorhaben müssen zeitnah und zügig entschieden werden.

Die Bundesregierung sollte die Möglichkeit prüfen im internationalen Handel Lebensmittel zurückzuweisen, die unter Verstoß gegen Tierschutzbestimmungen erzeugt wurden. Die Bundesregierung sollte die Vermarktung und das Angebot des Lebensmitteleinzelhandels von Frischfleisch und Fleischprodukten in Bezug auf Preise und Mengen untersuchen und dabei insbesondere prüfen, ob es Verstöße gegen das Wettbewerbs- und Verbraucherschutzrecht gibt.

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Quelle:
Pressemitteilung des Deutschen Tierschutzbundes e.V.
vom 22. Januar 2015
Herausgeber: Deutscher Tierschutzbund e.V., Bundesgeschäftsstelle
Baumschulallee 15, 53115 Bonn
Telefon: 0228/60496-24, Telefax: 0228/60496-41
E-Mail: presse@tierschutzbund.de
Internet: www.tierschutzbund.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Januar 2015


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