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INITIATIVE/424: Die Kuh auf der Wiese - Nur noch auf der Milchpackung? (PROVIEH)


PROVIEH MAGAZIN - Ausgabe 3/2016
Magazin des Vereins gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.

KAMPAGNE
Die Kuh auf der Wiese: Nur noch auf der Milchpackung?

Von Stefanie Pöpken


Ein Vorschlag für ein einfaches öffentliches Label durch Haltungskennzeichnung

Ein Großteil der Verbraucher wünscht sich Milch von Kühen aus Weidehaltung. Trotzdem werden aus wirtschaftlichen Gründen immer weniger Kühe auf der Weide gelassen. Um diesem Trend entgegenzuwirken und den Kühen wieder eine tiergerechtere Haltung zu ermöglichen, empfiehlt PROVIEH eine einfache Milchkennzeichnung von 0-3 nach dem Vorbild der Eierkennzeichnung. So werden Landwirte für den Mehraufwand der Weidehaltung entlohnt und die Verbraucher können sich auf einen Blick über die Haltungsform ihrer Milchkühe informieren.


Die Kühe verlieren ihre Weiden

In den letzten Jahren ist die Weidehaltung von Milchkühen deutschlandweit stark zurückgegangen. In Schleswig-Holstein werden nur noch 40.000 Hektar von Kühen beweidet, obwohl rund die doppelte Fläche beweidet werden könnte, Tendenz sinkend. Auch die Weidenutzung durch Jungtiere und Trockensteher, das heißt der Kühe, die gerade keine Milch geben, nimmt immer weiter ab. Die Kühe bleiben vermehrt in ihren Laufställen, die Wiesen und Weiden werden für die Erzeugung von Silagen genutzt.

Hochleistungskühe lassen sich individuell besser in geschlossenen Stallsystemen betreuen. Sie können hier mehr Kraftfutter aufnehmen und dementsprechend ist auch ihre Milchleistung höher. Die Weidehaltung hat momentan für einen Landwirt keinen positiven Effekt auf den erwirtschafteten Gewinn. Im Gegenteil: Die Weidehaltung kostet den Landwirt Arbeitskraft, Zeit und Geld. Diese Zusatzleistung wird allerdings nicht durch einen höheren Verkaufspreis der Milch entlohnt. Die Hofaufgaben im Milchviehbereich liegen in Schleswig-Holstein prozentual gesehen mittlerweile im zweistelligen Bereich.


Ganzjährige Stallhaltung für den Verbraucher nicht akzeptabel

Die meisten Verbraucher wünschen sich Milch von Kühen auf der Weide. Deshalb haben viele Molkereien die "Weidemilch" in die Kühlregale gebracht. Leider ist dieser Begriff ungeschützt und unterliegt daher den Festlegungen durch die Molkereien. Für mehr Geld wird hier die Haltung von Kühen auf der Weide propagiert, obwohl den Kühen möglicherweise nur Mais- und Grassilagen oder Grünschnitt von den Weiden angeboten wird. Diese Praxis hat unserer Meinung nach nichts mit echter Weidehaltung zu tun. Das Verbrauchermagazin Ökotest untersuchte 2015 die Weidemilch verschiedener Anbieter. Fazit: Viele Weidemilchanbieter versicherten Ökotest, die Tiere an mindestens 120 Tagen im Jahr für sechs Stunden (mit einem Besatz von einem Tier pro 0,1 Hektar) auf die Weide zu lassen. Überprüfbare Nachweise anhand von geführten Weidekalendern wurden Ökotest allerdings strikt verweigert. Auch zeigten die Laboranalysen der Milch auf grünfuttertypische Fettsäuren, dass die Werte oftmals im Bereich der konventionellen Milch lagen, ein Indiz dafür, dass keine oder nur eine kurze Haltung auf der Weide stattfand.

PROVIEH ist davon überzeugt, dass es zukünftig seitens des Verbrauchers eine vermehrte Nachfrage nach tiergerechter Haltung, also auch der Haltung der Kühe auf der Weide, geben wird. Höfe, die bislang die Weidehaltung als festen Bestandteil in ihrem Hofkreislauf integriert haben, können davon profitieren.


Die Milch von 0 bis 3 - wie beim Ei

Es muss doch möglich sein, Betriebe, die ihren Tieren mehr als nur ganzjährige Stallhaltung bieten und die Weide nicht aufgeben wollen, durch ein System für ihre Mehrarbeit und die höheren Tierschutzstandards zu entlohnen. Unsere Antwort ist "die Milch von 0 bis 3", ein öffentliches Label zur Haltungskennzeichnung auf den Milchpackungen. Erfolgreicher Vorreiter ist die Kennzeichnung der Eier. Die Klassifizierung hat letzten Endes zu der Auslistung der "Dreier-Eier" aus der Kleingruppenhaltung aus den Regalen der Lebensmittelhändler geführt. Eier aus der Kleingruppenhaltung finden sich momentan noch in verarbeiteten Produkten, aber auch die Haltung der Legehennen in den Kleingruppen wird glücklicherweise ab 2025 in Deutschland endlich der Vergangenheit angehören.

Durch eine Haltungskennzeichnung auf Milchprodukten bekäme der Verbraucher auch bei der Milch ein marktwirtschaftliches, wirkungsvolles Instrument an die Hand, das klar verständlich und schnell zu (be)greifen ist.

Jeder Milchviehbetrieb ist auf seine Art und Weise einzigartig. Dennoch kann eine Kategorisierung aufgrund der Länge des Weideaufenthalts der Tiere und der Stallform vorgenommen und den Ziffern "0" bis "3" zugeordnet werden. Der Weidetrieb muss selbstverständlich geplant und dem Wetter angepasst werden. Nachfolgend werden die wichtigsten Parameter der jeweiligen Ziffern vorgestellt:

Rund ein Drittel der Rinder im Zyklus eines Milchviehbetriebes sind Jungtiere und trockenstehende Kühe. Diese Gruppen können unabhängig von der Struktur des Betriebes 150 Tage im Jahr auf Vollweide gehalten werden. Um neben dem Tierwohl und der besonderen Lebensmittelqualität auch die Artenvielfalt im Land durch Weidehaltung zu stärken, haben wir auch diese Gruppe mit in die Haltungskennzeichnung eingebunden (siehe Infobox).

Grundsätzlich sollte die Weide die Ernährung der Tiere sicherstellen. Es ist nicht zielführend, wenn die Tiere so zugefüttert werden, dass die Weide als Nahrungsquelle nur noch eine untergeordnete Rolle spielt. Rinder haben den entscheidenden Vorteil, dass sie nicht in direkter Nahrungskonkurrenz zum Menschen stehen. Als Wiederkäuer sind sie optimal in der Lage allein von Gräsern zu leben und diese sogar in für den Menschen verwertbare Nahrung (Fleisch und Milch) umzuwandeln. Die Fütterung von Getreide und Soja sorgt zwar für ein schnelleres Wachstum und eine höhere Milchleistung der Tiere, führt aber - neben der Nahrungsmittelkonkurrenz mit dem Menschen - zu zahlreichen Erkrankungen, weil ihr Verdauungssystem nicht daran angepasst ist.

Die Milch von 0 bis 3 wäre einfach und durch die Kennzeichnungspflicht verbindlich. Die Verbraucher wüssten, wie die Tiere gehalten werden und die Landwirte würden für eine bessere Milchviehhaltung entlohnt.

Für Qualität, Tierwohl und Artenvielfalt.

ZIFFER 0:
Milchviehhaltung nach EU-Ökorichtlinien bzw. den Richtlinien der verschiedenen Verbände des Ökolandbaus.
Jungtiere und Trockensteher müssen auf die Weide

ZIFFER 1:
Milchviehhaltung im Laufstall plus Vollweide (24 Stunden, Tag und Nacht) oder "Medium"weide (elf Stunden) von Spätfrühjahr bis Spätherbst (mindestens 150 Tage im Jahr)
Vollweide für Jungtiere und Trockensteher
Nur diese Milch darf auch als "Weidemilch" vermarktet werden. Der Begriff könnte so in Zukunft geschützt werden.

ZIFFER 2:
Milchviehhaltung im Laufstall plus Weide "light" (6 Stunden) von Spätfrühjahr bis Spätherbst (mindestens 120 Tage im Jahr), im Winter Zugang zum Laufhof
Bei Anbindehaltung: Vollweide im Sommer, ausgestalteter Laufhof im Winter
Vollweide für Jungtiere und Trockensteher

ZIFFER 3:
ganzjährige Stallhaltung


INFOBOX
 
Artenreichtum durch Beweidung

Ein artenreiches Grünland mit seinen Wiesen und Weiden lebt durch die Beweidung. Die biologische Vielfalt (Biodiversität) um einiges höher, als auf nur gemähten Flächen. Auf beweidetem Grünland befinden sich wesentlich mehr unterschiedliche (Blüh-)pflanzen und Insekten, als auf reinen Wirtschaftsflächen mit einem hohem Weidegrasanteil. Aufgrund des erhöhten Nahrungsangebotes durch Insekten steigt auch die Zahl der verschiedenen Vögel, Amphibien und kleinen Säugetiere deutlich.

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Quelle:
PROVIEH MAGAZIN - Ausgabe 3/2016, Seite 6-9
Herausgeber: PROVIEH - Verein gegen
tierquälerische Massentierhaltung e.V.
Küterstraße 7-9, 24103 Kiel
Telefon: 0431/248 28-0
Telefax: 0431/248 28-29
E-Mail: info@provieh.de
Internet: www.provieh.de
 
PROVIEH erscheint viermal jährlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. November 2016

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