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JUSTIZ/212: Anwalt der Tiere - Verbandsklagerecht (PROVIEH)


PROVIEH MAGAZIN - Ausgabe 3/2013
Magazin des Vereins gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.

Anwalt der Tiere: Verbandsklagerecht

Von Christina Petersen



Am 19.06.2013 hat der Landtag in Nordrhein-Westfalen das Verbandsklagerecht für Tierschutzvereine beschlossen. Eine Woche später zog der saarländische Landtag nach und führte ebenfalls die Möglichkeit einer Tierschutz-Verbandsklage ein. Damit folgen die beiden Bundesländer dem Vorbild von Bremen, das schon 2007 als erstes deutsches Bundesland das Verbandsklagerecht eingeführt hat.


Verbandsklagerecht - was steckt dahinter?

Bisher durften Tierschutzorganisationen Verstöße gegen das Tierschutzrecht lediglich bei der Staatsanwaltschaft anzeigen. Ob daraufhin Anklage erhoben oder die Ermittlung eingestellt wurde, lag ganz allein in ihrem Ermessen. Tierschutzvereine selbst konnten bislang nicht klagen, wenn zum Beispiel behördliche Tierschutzauflagen nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurden. Besonders pikant: Gewerbliche Tiernutzer wie Tiermäster oder Tierexperimentatoren durften im Gegensatz dazu sehr wohl gegen ein "zu viel" an Tierschutz, beispielsweise gegen zu hohe Tierschutzauflagen, durch alle Instanzen der Behörden klagen. Die Einführung des Tierschutz-Verbandsklagerechts hilft nun, dieses rechtliche Ungleichgewicht auszugleichen. Damit haben Tierschutzvereine erstmals auch die Möglichkeit, gegen die gängige Praxis vorzugehen, EU-Richtlinien und Bundes- und Landesgesetze durch Ausnahmeregelungen zu umgehen. Außerdem erhalten Tierschutzvereine durch dieses Gesetz die Chance, Behördenentscheidungen noch einmal zu überprüfen und gegebenenfalls gerichtlich stoppen zu lassen. Im Saarland wurde zudem noch die Position des ehrenamtlichen Tierschutzbeauftragten geschaffen, der zwischen den Tierschutzverbänden, den Behörden und der Öffentlichkeit vermitteln soll.


Gegner und Ängste

Die Einführung des Verbandsklagerechts stieß zunächst auf Widerstand. So fürchteten beispielsweise Tierärztekammern und Wissenschaftler im Tierversuchs-Bereich verzögerte Genehmigungen bei Forschungsvorhaben und daraus resultierende finanzielle Verluste. Der Rheinische Landwirtschaftsverband e.V. behauptete schlicht, dass das Tierschutzgesetz schon jetzt "ausreichende Sicherungsmechanismen" böte und dieses neue Gesetz deshalb überfl üssig sei. Zudem herrschen Befürchtungen, dass die Einführung der Verbandsklage zu einer Prozessflut führen könnte. Diese Angst ist jedoch unbegründet: Zum einen wird eine "Prozessflut" allein aus finanziellen Gründen nicht machbar sein. Die Vorbereitungskosten einer Klage werden in jedem Fall vom Verein getragen - und im Falle des gerichtlichen Unterliegens auch die Verfahrenskosten. Zum anderen sind nur gemeinnützige, anerkannte Tierschutzorganisationen klageberechtigt, die ihren Hauptsitz oder eine satzungsgemäße Teilorganisation im jeweiligen Bundesland haben. Damit fallen alle Vereine heraus, die zwar überregional agieren, jedoch keinen Haupt- oder Nebensitz im Saarland, Bremen oder NRW haben - wie zum Beispiel auch PROVIEH. Deshalb fordert unser Fachverband die Bundesländer auf, dem Gesetzentwurf von Schleswig-Holstein zu folgen und den Kreis der Verbandsklageberechtigten auf überregional tätige Tierschutzverbände auszudehnen. Die Kompetenz, Tiere mit Sachverstand sozusagen als ihr Anwalt zu vertreten, sollte Vorrang gegenüber dem Kriterium haben, aus welchem Bundesland heraus die Vereine handeln. Auch deshalb stimmt PROVIEH für die Einführung eines bundesweiten Verbandsklagerechts.

Ein weiterer Punkt, der gegen eine mögliche Prozessflut spricht, ist die Möglichkeit, dass nun Vereine im Fall von tierschutzrelevanten Problemen zu amtlichen Beratungen hinzugezogen werden und gegebenenfalls eine außergerichtliche Einigung erzielen können, die sowohl dem Schutz der Tiere als auch den ebenfalls schützenswerten Interessen von Tierhaltern entsprechen. Das Beispiel der anerkannten Naturschutzverbände, die schon im Jahr 2000 das Verbandsklagerecht zugesprochen bekamen, zeigt weiterhin, dass Beteiligungs- und Klagerechte maßvoll und verantwortungsbewusst wahrgenommen werden.

Die Anträge zur Einführung vom Verbandsklagerecht sind bisher zumeist von B90/die Grünen eingebracht worden; zudem jeweils einmal von der SPD und Die Linke. An der CDU und FDP sind diese Einträge bisher regelmäßig gescheitert.


Ausblick

Die Einführung des Verbandsklagerechts entspricht den Bestimmungen des Artikels 20a des Grundgesetzes, das als Staatsziel den Schutz der Tiere vorsieht. Die Möglichkeit zum Beschwerde- und Klagerecht für anerkannte Tierschutzverbände ist ein weiterer Schritt, dieses Staatsziel zu erreichen. Zurzeit steht die Einführung des neuen Gesetzes in den Koalitionsverträgen der Landesregierungen von Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein. In Hessen hat die SPD als Oppositionsfraktion einen Gesetzentwurf eingebracht. PROVIEH begrüßt den bisherigen Erfolg und hofft, dass bald noch weitere Bundesländer diesen positiven Beispielen folgen.

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Quelle:
PROVIEH MAGAZIN - Ausgabe 3/2013, Seite 42-43
Herausgeber: PROVIEH - Verein gegen
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Oktober 2013