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POLITIK/608: "Tierschutz" - viel Verpackung, wenig Inhalt (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 342 - März 2011,
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

"Tierschutz" - viel Verpackung, wenig Inhalt Aigners und Lindemanns Pläne - Detailverbesserungen statt Systemwechsel

Von Eckehard Niemann


Ein "Tierschutz-Paket" hat Bundesagrarministerin Aigner angekündigt. Die Einzelheiten des Pakets sind noch nicht bekannt. Dennoch ist zu erwarten, dass Frau Aigner die besonders gravierenden Missstände in der Nutztierhaltung nicht anpacken und sogar mit ihren Teil-Zugeständnissen davon ablenken will. So betonte sie in einem Interview, bei der Geflügelmast komme es lediglich auf "die konsequente Umsetzung geltender Bestimmungen an". Demnach dürften auch weiterhin in den 40.000er-Ställen einseitig qualgezüchtete 20 Masthühner und mehr auf einem Quadratmeter gehalten werden. Frau Aigner will stattdessen die Legehennenhaltung im "ausgestalteten Käfig" verbieten. Diese Ankündigung, die in Medien und Politik großen Wirbel auslöste, klingt weniger gewichtig vor dem Hintergrund der Tatsache, dass der Anteil der Legehennen in diesen so genannten "Kleinvolieren" bereits unter 5 Prozent liegt und angesichts mangelnder Nachfrage nach Käfigeiern weiter rückläufig ist. Der neue niedersächsische Agrarminister Lindemann, der zunächst heftigen Protest gegen einen deutschen Alleingang bekundet hatte, zeigte sich denn auch kurz darauf verständigungsbereit in dieser untergeordneten Frage. Lediglich Bauernverbands-Chef Sonnleitner ereiferte sich im Verbund mit Geflügelbaronen und CDU-Agrariern weiter über die "populistische" Diskriminierung dieser Käfig-"Kleingruppen" mit ihren "erheblichen Vorteilen im Tier- und Gesundheitsschutz".


Artgerechte Haltung in bäuerlicher Hand!

Natürlich muss man sich freuen über die anstehende Befreiung auch dieser gequälten Legehennen aus dem Käfig, ebenso über die angekündigte Abschaffung des Brandzeichens bei Pferden, über "scharfe Haltungsregeln" für Mastkaninchen und Wildtiere in Zoos und Gehegen. Natürlich ist es gut, wenn Frau Aigner das längst beschlossene Verbot der Ferkel-Kastration ohne Betäubung noch einmal bekräftigt. Aber man darf sich davon nicht ablenken lassen von der grundsätzlichen Forderung nach einem raschen Systemwechsel in der gesamten Nutztierhaltung - mit mehr Platz und Auslauf für die Tiere, mit der Haltung auf Stroh statt auf Spaltenböden, mit einem Verbot der Verstümmelung von Schnäbeln oder Ringelschwänzen, mit der Abschaffung der einseitigen Qualzucht auf Leistung auf Kosten der Tiergesundheit, mit bäuerlich-mittelständischen Strukturen mit eigener Futtergrundlage, mit einem Verbot der Privilegierung und des Baus von Agrarfabriken. Nur deutliche Schritte in diese Richtung dürften auch dem von Aigner befürworteten Tierschutz-Label zugrunde gelegt werden.

Die bisherigen Zugeständnisse und Ankündigungen Aigners sind Ausdruck einer neuen, breiten gesellschaftlichen Bewegung, die sich im Motto des Netzwerks "Bauernhöfe statt Agrarfabriken" ebenso ausdrückt wie in der Demonstration von 22.000 Menschen in Berlin. Unter diesem Druck ist auch der so genannte "Neue Tierschutzplan für Niedersachsen" von Agrarminister Lindemann entstanden, der wesentlich aus der Ankündigung von Untersuchungsprogrammen und Abstimmungsprogrammen mit "Betroffenen" besteht.


Umsetzung statt Ankündigung!

Die AbL Niedersachsen bewertete dies als Verzögerungstaktik: Es gebe zu den Ursachen und zur Beseitigung des tierquälerischen Schnabelkürzens oder des Abschneidens der Ringelschwänze seit vielen Jahren ausreichende Untersuchungen und EU-Vorgaben - statt zusätzlich verzögernder Untersuchungen seien jetzt rasche Tierhaltungsvorgaben für mehr Platz, Auslauf, Einstreu und maximale Herdengrößen angesagt. Erfahrungen in Programmen artgerechter Tierhaltung zeigten, dass sich dadurch Probleme wie Federpicken, Kannibalismus und Schwanzbeißen weitgehend erübrigen würden und dass dadurch auch der Druck zu neuen Zuchtlinien erhöht werde.

Die NRW-Landesregierung geht in diese Richtung und will das Agrarinvestitions-Förderprogramm zu Gunsten artgerechter Tierhaltung umstellen. Bestandsaufstockungen werden nur noch gefördert, wenn die Schweine auf Stroh gehalten werden. Beim Kupieren von Schwänzen gibt es erste verschärfte Maßnahmen unter Einbeziehung der Tierärzte. Bundesratsinitiativen sollen das Verbot von Qualzuchten und den Bau von Agrarfabriken voranbringen. Über einen Gesetzesentwurf soll in NRW ein Klagerecht von Tierschutzverbänden verankert werden.


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 342 - März 2011, S. 11
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Mai 2011