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POLITIK/785: Ausstieg aus dem Kükenmord 2017 - ein Wunschtraum des Bundeslandwirtschaftsministers? (PROVIEH)


PROVIEH MAGAZIN - Ausgabe 2/2016
Magazin des Vereins gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.

KAMPAGNE
Ausstieg aus dem Kükenmord 2017 - ein Wunschtraum des Bundeslandwirtschaftsministers?

Von Stefanie Pöpken


Umweltminister Johannes Remmel wollte bereits 2013 die Tötung männlicher Eintagsküken in Nordrhein-Westfalen verbieten lassen. Er ist damit gescheitert. Auch im März dieses Jahres hat das Landgericht Münster eine Klage der Staatsanwaltschaft zur gängigen Praxis des Kükentötens abgelehnt. Am 20. Mai hat nun das Oberverwaltungsgericht Münster diese Urteile bestätigt. Es hat entschieden, dass es nicht gegen das Tierschutzgesetz verstößt, männliche Küken nach dem Schlüpfen zu töten. Es begründet seinen Entschluss damit, dass die Aufzucht der ausgebrüteten männlichen Küken für die Brütereien mit einem unverhältnismäßig großen Aufwand verbunden sei und es deshalb keine Alternative gäbe.

Im Tierschutzgesetz ist geregelt, dass Tiere nicht ohne vernünftigen Grund getötet werden dürfen. Als vernünftiger Grund wird die menschliche Ernährung angeführt. Allerdings werden keine Küken verzehrt. Die Brüder der auf hohe Legeleistung gezüchteten Legehennen setzen schlichtweg zu wenig Fleisch an und sind daher uninteressant für die Mast. Der vernünftige Grund ist somit rein wirtschaftlicher Natur. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichtes bedeutet weiterhin bis zu 50 Millionen vergaste männliche Eintagsküken jedes Jahr.


Geschlechtsbestimmung im Ei

"Ich will, dass wir in Europa Vorreiter für mehr Tierschutz in der Eierproduktion werden." So hat Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt 2015 den Ausstieg aus der Kükentötung eingeläutet. Die Bundesregierung lehnt ein Verbot der Tötung männlicher Eintagsküken zwar ebenfalls ab, hofft aber auf eine technische Lösung "des Problems". Schmidts Ziel ist es, dass das sinnlose Töten der Küken 2017 aufhört. Dafür wurden der Forschung Gelder in Millionenhöhe zur Verfügung gestellt. Es gibt verschiedene Methoden, das Geschlecht an drei Tage alten Eiern zu bestimmen und die männlichen Föten nicht weiter bebrüten und schlüpfen zu lassen. Die bislang erfolgversprechendste Methode ist die Spektroskopische Geschlechtsbestimmung (In-ovo-Geschlechtsbestimmung).

Im Verbund haben die Universitäten in Dresden und Leipzig ein Gerät entwickelt, das mittels der sogenannten "Ramanspektroskopie" im nahinfraroten Wellenlängenbereich die Bestimmung des Geschlechts ermöglicht. Im ersten Schritt schneidet ein Laser ein Loch in das Ei, dann wird die Bestimmung durchgeführt und danach das Ei wieder verschlossen. Der große Vorteil zu anderen Methoden ist, dass hier völlig kontaktlos gearbeitet werden kann. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt benötigt das Gerät 15 bis 20 Sekunden je Ei. Eine Verkürzung auf weniger als 10 Sekunden wird angestrebt. Fraglich ist, ob 2017 tatsächlich schon genug Geräte zur Verfügung stehen, die 100 Millionen Eier bearbeiten können.

Die aussortierten Eier sollen in der Futtermittelindustrie, der chemischen Industrie oder für andere industrielle Anwendungen eingesetzt werden.

Seit Jahrzehnten wird eine Praxis toleriert, die nur eines im Sinn hat: die Gewinnmaximierung der Geflügelwirtschaft. Verlierer sind die Hühner. Sie werden erbarmungslos auf hohe Legeleistung gezüchtet. Ihre Brüder sind Abfall. Die Politik und der Bundeslandwirtschaftsminister helfen der Geflügelindustrie, ihr System weiterhin aufrecht zu erhalten. Denn diese droht ansonsten mit einer Abwanderung der Brütereien ins Ausland, wo die Praxis des Kükentötens weiter zum Tagesgeschäft gehört.

Sollte die Geschlechter-Früherkennung im Ei kommen, wird das Problem für die Öffentlichkeit allerdings viel subtiler. Denn dann gibt es keine flauschigen Küken mehr, um die getrauert werden kann, sondern nur noch 50 Millionen unausgebrütete Eier, die so aussehen wie die, die wir sonntags zum Frühstück essen.


Alternativen zur Kükentötung

Gibt es auch andere Wege aus der Misere? Die Lösung liegt in jedem von uns und manchmal auch direkt vor unserer Nase. Bruderhahnprojekte ziehen auch die männlichen Küken mit auf. Die zusätzlichen Kosten werden über einen höheren Verkaufspreis der Eier ausgeglichen (www.bruderhahn.de). Der Trend geht außerdem hin zur eigenen Hühnerschar im Garten (www.bauerhahn.de). Natürlich kann nicht jeder seine eigenen Hühner halten, aber ein bewussterer Umgang mit der Thematik und verändertes Kaufverhalten können eine Menge dazu beitragen, dass es schon bald keine Eintagsküken mehr geben wird.

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Quelle:
PROVIEH MAGAZIN - Ausgabe 2/2016, Seite 18-19
Herausgeber: PROVIEH - Verein gegen
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PROVIEH erscheint viermal jährlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. August 2016

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