Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → ABFALL

ABWASSER/201: Dezentrale Abwasserreinigung - Gemeinsam geht's billiger (BBU AK Wasser)


BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 896 vom 14. Juli 2008 27. Jahrgang

Freiburger Arbeitskreis Wasser im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)

Dezentrale Abwasserreinigung: Gemeinsam geht's billiger


"In der Regel ist es ein völliger Irrsinn, einzelne Hauskläranlagen zu bauen", so die deutliche Warnung von Prof. Dr.-Ing. H. LÖFFLER auf dem 49. kommunalpolitischen Treffen vor rund 100 VertreterInnen von Bürgerinitiativen und Kommunalpolitikern aus Ostdeutschland am 28. Juni 2008 in Dresden. Auf der von der sächsischen LINKSFRAKTION einberufenen Konferenz sprach sich der Abwasserexperte dezidiert für Gruppenlösungen aus, weil mit semidezentralen Anlagen die beteiligten GrundstücksbesitzerInnen gegenüber grundstücksbezogenen Einzelanlagen enorm viel Geld sparen könnten. Während bei einer Hauskläranlage für vier Personen mit 1.500 bis 2.000 Euro pro angeschlossenem Einwohner gerechnet werden müsse, würden die Kosten bei einer Gruppenlösung für 10 bis 20 Nachbarn nur noch bei einem Viertel dieser Kosten liegen. LÖFFLER ging hart ins Gericht mit der gegenwärtigen Praxis der meisten Abwasserverbände in Sachsen. Diese mussten bis zum 30. Juni 2008 Abwasserbeseitigungskonzepte vorlegen, in denen die Verbände die Gemeindeareale auszuweisen hatten, die künftig dezentral entsorgt werden müssen (siehe Kasten). Die Mehrzahl dieser Abwasserbeseitigungskonzepte bezeichnete LÖFFLER "als Flop", weil sie nach "Schema F" erstellt worden seien. Die Mitarbeiter der Abwasserverbände seien "auf zentrale Varianten geeicht und im Kopf nicht frei für dezentrale Varianten". Die BürgerInnen, die man noch bis vor kurzem an die zentrale Kanalisation habe zwingen wollen, lasse man jetzt bei der Planung für dezentrale Abwasserbeseitigungskonzepte im Regen stehen. Die fatale Folge dieser Ignoranz sei, dass jeder Haus- bzw. Grundstücksbesitzer selbst nach einer halbwegs kostengünstigen Lösung suchen müsse. Somit drohten im ländlichen Raum in Sachsen und in anderen ostdeutschen Bundesländern suboptimale und viel zu teure Individuallösungen. LÖFFLER rief die Bürgerinitiativ-Vertreter und Kommunalpolitiker dazu auf, von den Abwasserver bänden offensiv einzufordern, dass diese nicht nur die Ortsteile ausweisen, in denen künftig eine dezentrale Abwasserreinigung vorgesehen sei, sondern dass die Verbände und die abwasserbeseitigungspflichtigen Kommunen qualifizierte Hilfestellung bei der Erarbeitung von kostengünstigen Gruppenlösungen anbieten sollten. Es sei "ein Unding", dass die Grundstücks- und Hausbesitzer bislang selbst die Erstellung von dezentralen Entsorgungskonzepten finanzieren mussten. Außerdem kritisierte LÖFFLER, dass die Abwasserverbände zumindest in der Vergangenheit semidezentrale Gruppenlösungen kaputtgerechnet hätten - insbesondere weil sie die Anschlussrohre von den Grundstücken zur Gruppenkläranlage durch den öffentlichen Straßenraum projektiert hätten. Dies sei ungleich teuerer, als wenn man die Kanalröhren über die Grundstücke führen würde. Die hohen Vernetzungskosten bei einer Trassierung im öffentlichen Straßenraum würden dann den Kostenvorteil der kleinen Gruppenkläranlagen wieder aufgefressen. Um derartige Fehlplanungen künftig zu vermeiden, verlangte LÖFFLER, dass das Dresdener Umweltministerium eine Fortbildungsoffensive für die planenden Ingenieure bei den Abwasserverbänden initiieren müsse.

(Die Vorschläge von Prof. LÖFFLER und Frau Prof. SIEGL zu kostengünstigen Gruppenlösungen sind in der Ausgabe 6/08 der Fachzeitschrift WASSERWIRTSCHAFT-WASSERTECHNIK (wwt; Huss-Medien GmbH, www.wwt-online.de) zusammen mit mehreren weiteren Beiträgen zur dezentralen Abwasserreinigung veröffentlicht worden.)


Wie gewinnt man Nachbarn für eine Abwassergenossenschaft?

Die Favorisierung von Gruppenanlagen durch Prof. LÖFFLER auf der Dresdener Abwasserkonferenz provozierte aus dem Publikum die Frage, wie man bei der wachsenden Individualisierung der Gesellschaft die Nachbarn überhaupt an einen Tisch bekommen könne. In vielen Fällen seien sich die Nachbarn in herzlicher Feindschaft einander zugetan und würden sich nicht nur um Maschendrahtzäune an den Grundstücksgrenzen erbitterte Fehden liefern. Für LÖFFLER kann die Gründung von Abwassergenossenschaften bzw. von Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR) zwischen benachbarten Grundstücksbesitzern nur gelingen, wenn folgende Voraussetzungen aktiv gewährleistet werden könnten.

1. müsse ein Grobkonzept für eine Gruppenlösung erarbeitet werden. Wichtig sei dabei, dass die Bürger aktiv bereits in die Konzep entwicklung einbezogen würden.

2. müsse eine Bewertung möglicher Alternativen an Hand eines Bewertungsrasters erfolgen - und zwar basierend auf Projektkostenbarwerten. D.h. dass deutlich werden müsse, was Einzel- und was Gruppenlösungen einschließlich der Betriebs-, Wartungs- und Kontrollkosten sowie der Abschreibung nach 25 oder 50 Jahren jeweils kosten werden. Die Alternativen, deren Bewertung und deren Folgekosten müssten eingehend mit den Grundstücksbesitzern diskutiert werden. Am Ende dieses Prozesses solle man den Nachbarn noch einmal 14 Tage Bedenkzeit geben. Danach könnten die Nachbarn geheim auf "Wahlzetteln" ihre Meinung, Zustimmung oder Ablehnung des Grobkonzepts aufzeichnen.

3. Aus dieser Diskussion ergibt sich dann ein Feinkonzept, dass in der Regel gegenüber Fehlplanungen künftig zu vermeiden, verlangte LÖFFLER, dass das Dresdener Umweltministerium

4. Das Feinkonzept müsse anschließend gegenüber dem Abwasserverband "verteidigt" werden, um es noch einmal einer Prüfung zu unterziehen. Durch die Bewertung sowie durch die "Verteidigung" werde die Gruppenlösung so stabil, dass man sich durch "Dummschwätzer" nicht mehr aus der Bahn werfen lasse. Dabei könne auch entschieden werden, ob der Abwasserverband im Auftrag der Genossenschaft die semidezentrale Anlagen bauen und betreiben könne - gfs. auch in einem Contracting-Modell (siehe RUNDBRIEF 877/1).

Anschließend stehe dann die Unterzeichnung eines verbindlichen Finanzierungsvertrages zwischen den Mitgliedern der Abwassergenossenschaft bzw. der GbR an. Hier sei auch das Ministerium gefordert, praktikable Satzungsmodelle für die Genossenschaften und GbRs zu erarbeiten.


Klarwasserablauf: "Um Gottes Willen nicht in den Kanal!"

Prof. LÖFFLER erachtete es als ungemein wichtig, dass man sich nach der Einigung auf ein Feinkonzept umgehend an den Bau der Anlage mache. Die Zielvorgabe 2015 durch das Ministerium (siehe obenstehenden Kasten) sei verhängnisvoll, weil viele Grundstücksbesitzer davon ausgehen würden, dass man ja noch einige Jahre Zeit habe. LÖFFLER forderte "einen heilsamen Zwang zu progressiv-wirtschaftlichen Lösungen" ein. Dieser Auffassung schloss sich auch Rechtsanwältin MARTINA SAUER als zweite Rednerin der Dresdener Abwasserkonferenz an: Die auf 2015 ausgerichtete Förderrichtlinie für dezentrale Abwasseranlagen in Sachsen lasse "die Einheitsfront der Bürger zerbrechen". Wenn die Realisierung der dezentralen Konzepte verschleppt würde, sei erneut mit Auflagen der Behörden zu rechnen, wobei "die Leute auseinanderdividiert" würden. Kritisch setzte sich Frau SAUER mit den "Abrundungsmaßnahmen" in der sächsischen Siedlungswasserwirtschaft auseinander: Um zentral entsorgte Gemeindegebiete "abzurunden", würde in den Ausbau der zentralen Kanalisation noch einmal ungeheuer viel öffentliches Geld verbraten. Der Protest der Bürger gegen die Zwangsanschlüsse habe nicht dazu geführt, zentrale Konzepte in Randlagen aufzugeben. Stattdessen seien für die Abrundungsmaßnahmen die öffentlichen Zuschüsse erhöht worden, um die Anschlussbeiträge auf einem halbwegs erträglichen Niveau zu halten. In den Ortsteilen die jetzt für die dezentrale Abwasserentsorgung ausgewiesen werden, werde sich künftig die rechtlich heikle Frage stellen, wohin man mit dem Klarwasserablauf der dezentralen bzw. der semidezentralen Kläranlagen solle. Bei der Einleitung in den nächsten Bach oder ins Grundwasser sei auf jeden Fall eine wasserrechtliche Erlaubnis der Unteren Wasserbehörden erforderlich, so die Mahnung der Rechtsanwältin. Prof. LÖFFLER riet in diesem Zusammenhang dringend davon ab, das gereinigte Abwasser in eventuell vorhandene "Bürgermeisterkanäle" oder Regenwasserkanalisationen einzuleiten: "Um Gottes Willen nicht in den Kanal!" Sonst werde man zu den Kosten für den Kanal herangezogen. Bei entsprechender Grundstücksgröße solle man Verdunstungsteiche anlegen. Hier sei es ein Vorteil von Pflanzenkläranlagen (siehe Fußzeilen!), dass diese im Sommer aufgrund der hohen Verdunstung des Schilfs oft gar keinen Klarwasserablauf aufweisen würden. Ansonsten sei zu überlegen, ob das gereinigte Abwasser nach einer hochwertigen Reinigung (beispielsweise in Membrananlagen) als Brauch- und Bewässerungswasser verwendet werden könne.


*


Quelle:
BBU-WASSER-RUNDBRIEF - Nr. 895/2008
Herausgeber:
Freiburger Arbeitskreis Wasser im Bundesverband
Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)
Rennerstr. 10, D-79106 Freiburg
Tel.: 0761/275693; 45687153
E-Mail: nik@akwasser.de
Internet: http://www.akwasser.de

Der BBU-WASSER-RUNDBRIEF kann abonniert werden durch Voreinzahlung
von 30 Euro für 30 Ausgaben auf das Postbankkonto Arbeitsgruppe
Wasser, Kto-Nr. 41952 757, Postbank Klrh., BLZ 660 100 75.

Meinungsbeiträge geben nicht in jedem Fall die Position des BBU
wieder! Die Weiterverwendung der Informationen in diesem RUNDBRIEF
ist bei Quellenangabe (!) erwünscht!
© Freiburger Ak Wasser im BBU


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Februar 2009