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ABWASSER/279: Sitzen Konzerne am längeren Hebel? (BBU-WASSER-RUNDBRIEF)


BBU-WASSER-RUNDBRIEF - Nr. 1125 vom 02. April 2018, 37. Jahrgang

regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)


Wegfall von Großeinleiter lässt Abwassergebühren "explodieren"

Im Rahmen seiner "Konsolidierung" schließt der DKM-Molkereikonzern derzeit mehrere seiner Produktionsstätten und konzentriert die Herstellung von Milchprodukten auf weniger Standorte. Einer der wegfallenden DKM-Standorte befindet sich im sachsen-anhaltinischen Burgenland. Die derzeit eingeleitete Schließung der DKM-Burgenlandkäserei Bad Bibra wird für die dortige Einwohnerschaft eine drastische Erhöhung der Abwassergebühren nach sich ziehen. Die Geschäftsführung des Abwasserzweckverbandes Unstrut-Finne geht davon aus, dass sich für 1.800 EinwohnerInnen die Abwassergebühren verdoppeln werden. Die Abwassergebühren wären dann mit rd. 800 Euro für einen Vierpersonenhaushalt Spitze in Sachsen-Anhalt. Der Vorsitzende der Verbandsversammlung wird in der MITTELDEUTSCHEN ZEITUNG mit den Worten zitiert, dass die Kunden "mit Steinen auf uns werfen (werden), aber wir können nichts dafür".

Die jetzt vor der Schließung stehende Burgenlandkäserei ist mit 60 Prozent der Abwassermenge der maßgebliche Großeinleiter in die Verbandskläranlage Laucha. Die Auslastung der Kläranlage würde von 83 auf nur noch 17 Prozent sinken. Mit dem Wegfall der Großeinleitung ist ein Einnahmeausfall von 700.000 Euro im Jahr verbunden. Auch in den benachbarten Entsorgungsgebieten wird es zu Steigerungen der Abwassergebühren kommen, weil die Fixkosten des Abwasserzweckverbandes auf das gesamte Verbandsgebiet umgelegt werden.

Laucha: Bürgerinitiative gegen Verdoppelung der Abwassergebühren

Wegen der drohenden Verdoppelung der Abwassergebühren auf Grund der Schließung der DKM-Burgenlandkäserei haben sich jetzt im Einzugsgebiet der Kläranlage Laucha empörte BürgerInnen zu einer Bürgerinitiative zusammengeschlossen. Lt. NAUMBURGER TAGBLATT vom 27.03.18 waren zur ersten Einwohnerversammlung 250 UnterstützerInnen im Gemeindesaal Burgscheidungen zusammengekommen. Die Politik reagiert auf den Bürgerprotest mit Überlegungen, die Abwasserverbände im Burgenland zu größeren - und damit wirtschaftlicheren - Einheiten zusammen zu schließen. Das Umweltministerium in Magdeburg soll signalisiert haben, dass man bereit sein könnte, die Kosten der Umstrukturierung mit 80 Prozent zu bezuschussen. Der völlig unwirtschaftliche werdende Betrieb der Kläranlage Laucha müsste eingestellt werden. An einer der beiden verbleibenden Verbandskläranlagen müsste dann die Anlage ertüchtigt oder neu gebaut werden, damit sie die Abwässer aus dem gesamten westlichen Burgenlandkreis reinigen könnte.

Laucha: Abwassergebührensteigerung - gibt es Auswege?

Angesichts der Empörung der BürgerInnen wird auch diskutiert, die bevorstehende Verdoppelung der Abwassergebühren durch kommunale Mittel aufzufangen. Das Problem: Die kleinen Gemeinden im Burgenland sind eh verschuldet und hätten gar keine liquiden Mittel, um den Gebührenanstieg zu kompensieren. Die betroffenen Kommunen könnten zwar zu diesem Zweck beispielsweise die Grundsteuern erhöhen. Dann würden aber die Grundbesitzer - und letztlich dann auch die Mieter - über die Hintertür trotzdem betroffen. Den Einnahmeausfall durch Umlagen auszugleichen, wäre ebenfalls kein gangbarer Weg. Wegen dem Gebot zu kostendeckenden Abwassergebühren im Kommunalabgabengesetz liefen die kommunalen Verbandsmitglieder in Gefahr, "sieben Millionen Euro an Liquiditätshilfe an das Land zurück bezahlen zu müssen",
schilderte die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG das Dilemma. Gleichwohl pochen die Gemeinden im Burgenlandkreis auf Landeshilfe.

"Nach Auffassung von Jana Grandi, Bürgermeisterin der Verbandsgemeinde Unstruttal, könnte diese in nicht rückzahlbaren Bedarfszuweisungen bestehen",
berichtete das NAUMBURGER TAGBLATT. Am 14.04.18 soll hierzu ein Gespräch mit den zuständigen Landesministerien in Magedeburg stattfinden. Die Bürgerinitiative droht derweil schon mal unmissverständlich: "Wir werden keine Ruhe geben!"

Wie aussichtsreich sind Regressforderungen an den DMK-Konzern?

Die Bürgerinitiative hat auch Regressforderungen an den DMK-Konzern ins Gespräch gebracht. Maßgeblich hierfür ist die Vorgeschichte des heutigen DMK-Standortes. Der ehemaligen Molkerei Bad Bibra hatte 1992 das Aus gedroht, weil die betriebseigene Kläranlage das Molkereiabwasser (siehe Fußzeilen) nicht mehr zufriedenstellend klären konnte. Das Land hatte deshalb auf einen Anschluss an die kommunale Kläranlage Laucha gedrängt und dem DMK-Konzern hierfür zusätzliche Fördermittel zu Verfügung gestellt.

"Für den Fall einer Produktionseinstellung allerdings sind offenbar keine vertraglichen Vorkehrungen getroffen worden", schreibt das NAUMBURGER TAGBLATT. Der Abwasserzweckverband prüfe einen eventuellen Regress dennoch weiter, "aber die Aussichten seien gering".

Sitzen Konzerne am längeren Hebel?

Laucha ist kein Einzelfall in Deutschland - siehe dazu auch die nächsten Notizen. Immer wieder kommt es vor, dass große Konzerne einen ihrer Produktionsstandorte schließen und damit die dortige Kläranlage an den Rand der Unwirtschaftlichkeit bringen. Bei bestehenden Abwasserverträgen wird es kaum möglich sein, im Nachhinein Regressansprüche vertraglich zu vereinbaren. Aber bei Neuansiedlungen wäre es vernünftig, von vornherein vertraglich sicherzustellen, dass die Abwasserkosten nach einer Werksschließung nicht alleine von der verbleibenden Bevölkerung zu tragen sind. Zu befürchten ist allerdings, dass die Kommunen bei ihrer Ansiedlungspolitik über derartige Klauseln erst gar nicht sprechen werden, um ansiedlungsbereite Konzerne nicht zu verprellen. Angesichts des Standortwettbewerbs der Kommunen könnte der ansiedlungsbereite Konzern auf die Idee kommen, sich wegen der »unverschämten Forderungen« in der Nachbarkommune niederlassen. Insofern müsste schon in den Landeswassergesetzen verankert werden, dass sich Großeinleiter nicht einfach aus ihrer Verantwortung für das Gemeinwohl stehlen dürfen. -n.g.-

Nach Stilllegung der Papierfabrik Albbruck: "Stochern im Nebel"

Seit 1880 wurde in Albbruck am Hochrhein Papier produziert. 2011 kaufte der finnische UPM-Konzern die Papierfabrik Albbruck im Landkreis Waldshut auf, um sie - zwecks Marktbereinigung - bereits Anfang 2012 stillzulegen. 560 Beschäftigte hatten dadurch ihren Arbeitsplatz verloren. Das 68 ha große Werksgelände samt Kläranlage wurde von UPM anschließend an die niederbayerische Karl-Gruppe verkauft. Eines der 44 Tochter-Unternehmen dieses Konzerns hat sich auf die Konversion von brachliegenden Industriearealen zu Industrie- und Gewerbeparks spezialisiert. Auf ihrer Homepage wirbt die Karl-Gruppe mit ihrem Engagement für "soziale und gesellschaftliche Verantwortung". Abwasserrelevant ist diese Vorgeschichte deshalb, weil in der Werkskläranlage der ehemaligen Papierfabrik auch die kommunalen Abwässer der Mitgliedsgemeinden des Abwasserzweckverbandes Vorderes Albtal (AVA) mit gereinigt wurden und weiterhin werden. Für die Reinigung der Kommunalabwässer in der ehemaligen Werkskläranlage verlangte die Karl-Gruppe eine Honorierung, die dem Abwasserzweckverband nicht mehr angemessen erschien. Ziel des Zweckverbandes war es deshalb, die Anlage zu einem akzeptablen Preis zu übernehmen, um die Werkskläranlage in eigener Regie betreiben zu können. Die Karl-Gruppe ließ den Zweckverband zunächst aber jahrelang am ausgestreckten Arm verhungern. "Eigentlich stochern wir weiterhin im Nebel, weil wir immer noch nicht genau wissen, was auf uns zukommt", beklagte sich der Vorsitzende des Abwasserzweckverbandes im Jahr 2015 über die langjährige Blockadehaltung der Karl-Gruppe.

Kläranlagenverkauf für sechsfach überzogenen Betrag

Das jahrelange Ringen mit der Karl-Gruppe war auch deshalb misslich, weil die ehemalige Werks kläranlage dringend einer Sanierung bedurfte. Schließlich war die Anlage seit 1980 rund um die Uhr gelaufen. Wegen der Blockadehaltung der Karl-Gruppe war auch der längst fällige Umbau der Kläranlage jahrelang verschleppt worden. Das Risiko eines Totalausfalls wurde immer größer. 2016 hatte das Tauziehen zwischen dem kommunalen Abwasserzweckverband und der Karl-Gruppe einen neuen Höhepunkt erreicht. Die Karl-Gruppe zeigte sich zwar zu einem Verkauf der Kläranlage an den Abwasserverband (AVA) bereit - verlangte aber die sechsfache Summe dessen, was ein Gutachter als Restwert des maroden Klärwerks festgestellt hatte. "Vertraglich war mit den ehemaligen Papierfabrik-Eigentümern vereinbart worden, dass der AVA die gemeinsam genutzte Anlage zu einem 'angemessenen Preis' übernehmen kann. Darüber, was angemessen ist, wird seit Jahren verhandelt. Eine Moderation durch das Landratsamt ist ebenso gescheitert wie die erste Schlichtung", berichtete der SÜDKURIER am 17.12.16.

Im zweiten Schlichtungsverfahren unter der Regie der Industrie-und Handelskammer ergab sich "nach langen und zähen Verhandlungen" doch noch eine Einigung: Zum 1. Januar 2018 konnte die Kläranlage endlich in das Eigentum des Abwasserverbandes übergehen. Für die heruntergekommene Kläranlage konnte die Karl-Gruppe immerhin noch rund 1,1 Mio. Euro herausschlagen. Auf den Abwasserverband kommen jetzt Sanierungskosten von mindestens 7,2 Mio. Euro zu. Für die Reinigung der verbliebenen kommunalen Abwässer ist die Kapazität der Werkskläranlage zehnmal zu groß. Die Überkapazitäten müssen durch Stilllegungen und Umbauten von Klärbecken und Aggregaten abgebaut werden. Die in die Jahre gekommene Anlage muss zudem in Hinblick auf ihre Energieeffizienz auf Vordermann gebracht werden. Die Sanierungskosten kann der Abwasserverband nur stemmen, weil das Land Baden-Württemberg einen Zuschuss von 70 Prozent zugesagt hat.

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Quelle:
BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1125
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© Freiburger Ak Wasser im BBU


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Mai 2018

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