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ATOM/1321: Ausschlusskriterium Bohrungen - Der Salzstock Gorleben ist nicht unverritzt (Gorleben Rundschau)


Gorleben Rundschau I-II/2020 - 43. Jahrgang, Ausgabe 1073
Wir sind die Wenden: Energie · Klima · Mobilität · Gesellschaft

Serie Endlagersuche
Ausschlusskriterium Bohrungen
Der Salzstock Gorleben ist nicht unverritzt

von Wolfgang Ehmke


Gorleben
Die Bundesgesellschaft für Endlagerung will bei der Ausweisung von Teilgebieten, die für die Endlagerung in Frage kommen, einen Abstand von 25 Metern zu ehemaligen Bohrungen halten. Zur Dokumentation der Bohrungen im Raum Gorleben hat auch die Bürgerinitiative Umweltschutz beigetragen.


Der Kulturhistoriker Ulrich Reiff stieß bei seinen Recherchen zum "Kalifieber" zu Beginn des letzten Jahrhunderts darauf, dass wenigstens fünf Bergbaugesellschaften zwischen 1907 und 1929 "mindestens acht Tiefbohrungen auf Kali beziehungsweise Erdöl direkt im Bereich der Salzstruktur Gorleben-Rambow oder in deren unmittelbarer Nachbarschaft" niedergebracht hatten. Teufen von 481, 840 und 1035 Metern wurden erreicht. Dabei wurden Bohrlöcher nicht ordnungsgemäß verfüllt, Reiff fand zum Teil chaotische Zustände vor, so blieb unter anderem wegen Insolvenzen das Bohrgestänge in den Bohrlöchern. Schon damals, so schließt Reiff aus den historischen Protokollen aus dem Jahr 1907, warnten Revierbeamte und Bergamt vor der "großen Gefahr durch eindringendes Wasser".

In den Zwanzigerjahren wurde zudem versucht, am Rand des Salzstocks Erdöl zu finden. Dabei wurde bei Meetschow der Salzstock noch einmal angebohrt. 1957 wurde an der Norwest-Flanke des Salzstocks mit der Bohrung Gorleben Z1 unter dem Fuß des Salzstocks nach Erdgas gesucht. Mit den - für eine Endlagerung relevanten - negativen Ergebnissen befasste sich der Diplom-Geologe Dirk Weißenborn in seiner Studie "Gase in Salinar und Subsalinar des Salzstocks Gorleben" im Jahr 2012).

Bohrungen wurden gemeldet

Bohrungen auf der Suche nach Gas und Öl sowie hydrogeologische Bohrungen in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts runden die Bohrpalette ab. Diese Bohrungen bei Meetschow, Gorleben, Brünkendorf und Dünsche hat die Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg (BI) rechtzeitig bei der BGE angezeigt und später erfahren, dass diese auch seitens des geologischen Landesamtes für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) in Hannover an den Vorhabensträger bei der Endlagersuche übermittelt wurden.

Bohrungen der DDR

Am 25. Juli 1969 explodierte in Lenzen bei einer Tiefbohrung ein Gas-Gasolin-Gemisch, der Bohrstellenleiter verstarb, sechs weitere Arbeiter erlitten schwere Verbrennungen. Nachdem sich die Bohrung durch auskristallisiertes Salz zugesetzt hatte, gelang es, das ausströmende Gemisch abzufackeln, bis in den November hinein brannte es ...

Es war nicht die einzige Bohrung, die in ehemaligen DDR-Sperrgebiet an der Grenze bis über 3000 Meter Tiefe in den Salzstock Gorleben-Rambow niedergebracht wurde. Auch die vorhergehende Bohrung 11/68 reichte so tief. Beide Bohrungen mussten wegen der unbeherrschbaren Bedingungen abgebrochen werden und konnten nicht richtig verfüllt werden. Bei der Suche nach Erdgas wurde auch schräg 150 Meter bis unter die Elbe gebohrt und die DDR-Geologen stießen in 3264 Metern Tiefe auf Erdgas.

Erkenntnis durch Explosion

Von den über 30 DDR-Gasbohrungen bis 3500 Metern Tiefe waren zwei Bohrungen gasfündig, die am nächsten zu Gorleben liegen: die bei Wootz direkt an der Elbe und die explodierte Bohrung beim Fähranleger Lenzen. Durch die Explosion des Bohrturmes wurde auch bekannt, dass der Salzstock an seiner Unterseite nicht, wie behauptet, gasdicht, sondern zerklüftet ist. Denn die Explosion geschah noch einige hundert Meter vor Erreichen der gasführenden Schicht unter dem Salzstock!

Todesstoß für Atommülllager

Für Professor Klaus Duphorn dokumentierten diese DDR-Aktenfunde, dass Gorleben als Endlagerstandort endgültig ausscheidet. "Wenn bereits in 3300 Metern Tiefe im Salzstock größere Gas-Gasolin-Gemische anstanden, dann bedeutet dies für ein Atommülllager den Todesstoß", zitierte der "General-Anzeiger" im September 2010 den Kieler Geologen. Duphorn hat die Bohrprotokolle gesichtet und sieht belegt, "dass sowohl im geplanten Einlagerungshorizont zwischen 800 und 1200 Metern Tiefe als auch im Bereich bis über 3000 Meter Tiefe dicke, zerklüftete Anhydritschichten für eine Durchlässigkeit von Wasser und Lauge als auch Gasen und flüssigen Kohlenwasserstoffen sorgen können." Damit sei das geplante Endlager durch Gebirgsschlag gefährdet.

Gorleben nicht unverritzt

Zählt man, wie es wissenschaftlich geboten ist, die Gasbohrungen auf der "anderen Elbseite", also im Bereich der ehemaligen DDR, zu all den Bohrungen im Raum Gorleben hinzu, dann ist der Salzstock Gorleben-Rambow von einem Bohrlochteppich überzogen - unverritzt ist er nicht.

Es geht bei dem Thema "Bohrungen" aber nicht nur um eine Abstandsregel, also nicht nur um mögliche Wasserwegsamkeiten, über die radioaktive Partikel in die Biosphäre ausgetragen werden können. Es geht auch um eine Diagnostik, denn allein die Ergebnisse der Gasbohrungen ermöglichen einen tiefen Einblick in die Beschaffenheit des Salzstocks Gorleben-Rambow. Deshalb ist es mehr als angebracht, auf Professor Duphorns Stellungnahme hinzuweisen.

Daten aus der Erkundung

Wichtig sind deshalb auch die Bohrungen, die zur Erkundung des Salzstocks niedergebracht wurden. Die BGE hatte auf eine Anfrage der BI, wie mit den bisherigen Daten zu Gorleben umgegangen wird, bereits im Mai 2019 erklärt: "Das bedeutet für die derzeitige Phase des Standortauswahlverfahrens, dass als Datenbasis für die Ermittlung der Teilgebiete, die von den Behörden des Bundes und der Länder zur Verfügung gestellten Geodaten dienen. Bei den Geodaten, die durch die Behörden zur Verfügung gestellt werden bzw. wurden, wird es sicherlich auch um solche handeln, deren Ursprung die Erkundung Gorlebens ist."

Ein Sprecher der BI betonte daraufhin: "Daran werden wir den Zwischenbericht der BGE messen."


Glossar

BGE
Die Bundesgesellschaft für Endlagerung ist designierter Vorhabenträger und Betreiber von Endlagern für radioaktive Abfälle. Sie gehört zum Geschäftsbereich des Bundesumweltministeriums. Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde ist das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE).

BASE (ehem. BfE)
Das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung ist eine Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesumweltministeriums. Es ist für die Genehmigung, Aufsicht und Regulierung in den Bereichen End- und Zwischenlagerung sowie für den Umgang und Transport von radioaktiven Abfällen zuständig.

BfS
Das Bundesamt für Strahlenschutz ist eine Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesumweltministeriums. Zu den Aufgaben zählen die Sicherheit und der Schutz von Mensch und Umwelt vor Schäden Strahlung.

GRS
Die Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit ist eine Forschungs- und Sachverständigenorganisation. Sie bewertet und verbessert die Sicherheit technischer Anlagen. Ihr Schwerpunkt liegt auf den Gebieten der nuklearen Sicherheit und der Entsorgung radioaktiver Abfälle.

BGR
Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe ist eine Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundeswirtschaftsministeriums und fungiert als zentrale geowissenschaftliche Beratungseinrichtung. Die BGR ist auch als Forschungsinstitut tätig und bearbeitet u.a. die Geologie der kontinentalen, marinen und Energierohstoffe sowie der Bodenkunde.

LBEG
Das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie ist eine niedersächsische Fachbehörde und dem niedersächsischen Wirtschaftsministerium nachgeordnet. Es unterstützt im Zusammenhang mit Bergbau, Energie und Geologie.

StandAG
Gesetz zur Suche und Auswahl eines Standortes für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle (Standortauswahlgesetz)

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Quelle:
Gorleben Rundschau - I-II/2020 - Januar, Februar 2020, Seite 24 - 25
Lizenz: CC BY NC SA
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Februar 2020

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