BUND Regionalverband Südlicher Oberrhein [1]
An die Medien - 14. Juli 2016
Schmetterlingssterben - Insektensterben (nicht nur) am Oberrhein
In den letzten Jahrzehnten hat die Zahl der Schmetterlinge (nicht nur) am Oberrhein stark abgenommen. "Zwischen 1990 und 2011 brach die Population von 17 in der EU verbreiteten Schmetterlingsarten um rund die Hälfte ein", schreibt die Europäische Umweltagentur (EEA) 2013 in ihrem Bericht. Das deutet auch auf den Rückgang vieler anderer Insektenarten hin. Selbst Nicht-Biologen fällt auf, dass der Artenreichtum und die Anzahl der Schmetterlinge massiv abgenommen haben.
Dies gilt nicht nur für die Maissteppe am Oberrhein, sondern erschreckenderweise auch für die wertvollsten, immer dem Gifteintrag ausgesetzten Naturschutzgebiete am Kaiserstuhl oder für die Orchideen-Wiesen am Bollenberg im Elsass. Der beste "Indikator" für das große, stille Insektensterben ist Ihre Windschutzscheibe. War diese nach sommerlichen Fahrten vor 30 Jahren noch heftig "insektenverschmiert", so ist sie jetzt erschreckend "sauber". Schnaken gibt's natürlich noch, aber die "dicken Brummer" fehlen.
Während das Bienensterben, [2] ausgelöst nicht zuletzt durch Neonicotinoide, zumindest noch öffentlich diskutiert wird, ist das stille Sterben der Schmetterlinge, der Wildbienen und anderer Insekten leider kein öffentliches Thema. "Schuld am Sterben der Schmetterlinge sind insbesondere die intensive Bodennutzung durch Flächenverbrauch, industrielle Landwirtschaft und Pestizide", sagt ein Bericht der Europäischen Umweltagentur (EEA) [3]. Auch wenn wir uns in dieser südwestlichen Ecke Deutschlands über gelegentliche Neufunde (Purpurweiden-Jungfernkind...) und klimabedingte "Wanderungsgewinne" aus dem Süden freuen, ändert dies nichts am Grundproblem.
"Ich untersuche die Tag- und Nachtfalter in der Oberrheinebene seit 30 Jahren regelmäßig und sowohl die Artenzahlen als auch die Faltermengen gehen insgesamt stark zurück. Es fällt auf, dass auch Wiesen, die selbst nicht zerstört wurden, aber in der Agrarlandschaft unmittelbar den Randeinflüssen der gespritzten Kulturen ausgesetzt sind, nur noch von wandernden Faltern besucht werden. Wiesen im Wald sind oft noch nicht so betroffen. Die bunten Wiesen der Hochwasserdämme in der Aue sind vom Wald abgeschirmt und geschützt und darum immer noch Falter-reich. Im Kaiserstuhl haben sich einige Arten nur noch in den windgeschützten Tälern gehalten. Da wundert man sich natürlich nicht, dass neben Schmetterlingen und anderen Insekten auch Singvögel und Fledermäuse selten werden." sagt Jörg-Uwe Meineke, Schmetterlingsexperte und ehemaliger Leiter des Referats für Naturschutz und Landschaftspflege im Regierungspräsidium Freiburg.
Immer mehr Studien [4] zeigen, dass nicht nur Honigbienen, Wildbienen, Hummeln und andere Insekten durch Neonikotinoide geschädigt werden, sondern dass die Biodiversität in Gefahr und zum Teil schon geschädigt ist.
Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit bekämpfen deutsche Chemiekonzerne mit allen juristischen Mitteln und ausgestattet mit Geld und Macht jede kritische Stimme, die ihre lohnenden Giftgeschäfte gefährden könnten. Gerade der Konflikt um die heftig umstrittenen Neonicotinoide wird mit großer Härte ausgetragen [5] und hat den kleinen BUND-RV am südlichen Oberrhein schon viel Geld gekostet.
Aus bunten Schmetterlingswiesen wird Einheitsgrün,
Auch am Oberrhein wurden viele Wiesen umgebrochen. Aus bunten
Blumenwiesen im Schwarzwald und in den Vogesen wird zunehmend
monotones, artenarmes, gedüngtes Einheitsgrün, das immer häufiger im
Jahr gemäht wird. Unsere Landwirte, die einer brutalen internationalen
Konkurrenz (Freihandel!) ausgesetzt sind, müssen immer mehr Futter für
Kühe erzeugen und auch die Biogasanlagen müssen "gefüttert" werden. Wo
früher eine artenreiche Acker-, Wiesen- und Streuobstlandschaft war,
steht heute fast überall giftgeduschter Mais. Viele, der in der
Landwirtschaft eingesetzten Spritzmittel und Gifte (Neonicotinoide /
Glyphosat ...) sind ein Grund für den massiven Rückgang der
Artenvielfalt auf Ackerböden und in deren Umgebung. Doch nicht der
einzelne Landwirt ist das Problem, sondern die mächtige
Agrochemielobby und ihr massiver Einfluss auf Studien, Universitäten,
Wikipedia, Politik und auf das BfR (Bundesinstitut für
Risiko-Bewertung). Das industriegelenkte Wegschauen staatlicher
"Kontroll"instanzen beim Dieselskandal, erleben wir auch bei
Neonicotinoiden und Glyphosat.
"Sterben der Schmetterlinge" ist eigentlich ein verharmlosender Neusprechbegriff, denn er verschweigt den Hintergrund des Sterbens. Schmetterlinge und andere Arten werden global und regional ausgerottet. Es lassen sich viele Einzelursachen dieses Ausrottungsprozesses auflisten. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass unser verschwenderischer, auf unbegrenztem Wachstum beruhender Lebensstil nicht kompatibel mit dem Überleben von Schmetterlingen, Nashörnern, Feldhamstern, Insekten und vielen anderen Arten ist. Ob unser Lebensstil sich mit dem Überleben unserer eigenen Spezies verträgt, darf bezweifelt werden.
Das Schmetterlingssterben ist nur ein kleiner Teil des globalen
Artensterbens.
Von Jahr zu Jahr stehen mehr gefährdete Tiere und Pflanzen auf der
Roten Liste der bedrohten Arten. Und die Rote Liste zeigte noch nicht
einmal das ganze Ausmaß des weltweiten Artensterbens. Durch das was
wir "Wachstum und Fortschritt" nennen, hat sich das globale und
regionale Artensterben derart beschleunigt, dass Forscher mittlerweile
vom sechsten Massensterben der Erdgeschichte sprechen. Neue
Untersuchungen gehen davon aus, dass die derzeitige Aussterberate von
3 bis 130 Arten pro Tag um den Faktor 100 bis 1000 über dem
natürlichen Wert liegt.
Natürlich werden auch in Südbaden, im Elsass und in der Nordschweiz
neue Naturschutzgebiete ausgewiesen.
Aber der Gifteintrag macht auch vor dieser Restnatur nicht halt und
die Zahl der Schmetterlinge schwindet. Während neue Naturschutzgebiete
unter öffentlichem Beifall eingeweiht werden, verschwinden
gleichzeitig wesentlich größere Flächen unter Beton und Asphalt.
Zwischen Offenburg und Freiburg gibt es noch einen minimalen Freiraum
von 17,7 km und Siedlungsstrukturen von 50,3 km. Gerade auch am
Oberrhein - in der selbsternannten Ökoregion (in der gerade die
Autobahn auf 6 Spuren erweitert werden soll) - gilt: "Der Naturschutz
arbeitet am kleinen Detail, die Naturzerstörer arbeiten am großen
Ganzen".
Axel Mayer, BUND-Geschäftsführer
Schmetterlingssterben - Studien, Untersuchungen, Medienbeiträge &
Links finden Sie hier:
http://www.bund-rvso.de/schmetterlingssterben.html
[1] http://www.bund-rvso.de/
[2] http://www.bund-rvso.de/bienensterben.html
[3] http://www.eea.europa.eu/publications/the-european-grassland-butterfly-indicator-19902011
[4] http://www.zukunftsstiftung-landwirtschaft.de/media/Dokumente_Lesenswertes/Entomolog__Zschr__Heft_2-2015_-_Wenzel_K_W_.pdf
[5] http://www.bund-rvso.de/buchsbaum-buchsbaumzuensler.html
http://www.bund-rvso.de/schmetterlingssterben.html
*
Quelle:
Mitteilung an die Medien vom 14.07.2016
Herausgeber:
Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland e.V.
BUND Regionalverband Südlicher Oberrhein
Wilhelmstr. 24a, 79098 Freiburg
Tel.: 0761/30383, Fax: 0761/23582
E-Mail: bund.freiburg@bund.net
Internet: www.bund-rvso.de
veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Juli 2016
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