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MASSNAHMEN/117: Können die sächsischen Flussperlmuschelbestände gerettet werden? (BBU WASSER-RUNDBRIEF)


BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 995, vom 09. Juni 2012, 31. Jahrgang

regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)

Können die sächsischen Flussperlmuschelbestände gerettet werden?



Über Jahrhunderte existierten im Grenzgebiet zwischen Bayern, Böhmen und Sachsen reiche Perlmuschelvorkommen und begründeten im Oberen Vogtland die Tradition der Perlfischerei und später der Muschelschleiferei. Mittlerweile aber ist die Flussperlmuschel (Margaritifera margaritifera - "die Perlen tragende") in ganz Europa vom Aussterben bedroht. Von ehemals mehr als 120 Kilometern besiedelten Fluss- und Bachstrecken allein im Einzugsgebiet der Weißen Elster blieben nur drei Gewässerabschnitte mit weniger als vier Kilometern als letzte Heimstätte dieser Tierart erhalten. Im sächsischen Vogtland will man der raren Muschel jetzt wieder auf die Beine helfen. Dazu hat der Dresdener Umweltminister Frank Kupfer am 16. Mai 2012 im Vogtland eine Anlage für die Nachzucht von Flussperlmuscheln in Betrieb genommen. In der Muschelzuchtstation werden Bachforellen gehalten, die im Vorjahr mit den Larven (Glochidien) der Flussperlmuschel infiziert worden sind. Ungefähr zehn Monate lang dienen die Forellen dann als Wirtsfische, bevor sich die ca. einen halben Millimeter großen Jungmuscheln abstoßen. Dann werden die Jungmuscheln von Fachleuten selektiert und in Spezialkäfige gesetzt, wo sie unter kontrollierbaren Bedingungen die ersten Lebensjahre bis zu einer Größe von ca. einem Zentimeter heranwachsen. Mit dieser Schalenlänge werden die Tiere anschließend in ihre Ursprungsgewässer gesetzt und graben sich für die nächsten sieben Jahre zum Wachsen in den Bachgrund ein. Erst mit 18 bis 20 Jahren werden sie geschlechtsreif und können sich an der natürlichen Reproduktion beteiligen.

Nachdem Renaturierungsmaßnahmen durchgeführt und die Gewässergüte durch Abwassersanierungen verbessert werden konnte, muss allerdings noch die Verschlammung der Bach- und Flusssohlen deutlich reduziert werden. Ohne sauberes Sand- und Kieslückensystem (vgl. RUNDBR. 810/4, 689/4) haben die Muscheln nur wenig Fortpflanzungschancen. Bis dahin soll ein kontinuierlicher Besatz mit Jungmuscheln die Zeit überbrücken und das Gelingen des Artenschutzprojektes sichern. In unseren Breiten wird die Flussperlmuschel ungefähr 70 bis 100 Jahre alt. Nur etwa jede dreitausendste Flussperlmuschel enthält tatsächlich eine Perle. Diese hat bei einer Größe von vier Millimetern eine Entstehungszeit von etwa 20 bis 25 Jahren hinter sich. Die Flussperlmuschel ist ganzjährig streng geschützt. Verstöße gegen die artenschutzrechtlichen Zugriffsverbote können als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldstrafe bis zu 50.000 Euro geahndet werden. In einem Kooperationsvertrag haben sich mehrere Partner gemeinsam mit dem Vogtlandkreis die Erhaltung der Flussperlmuschel im Vogtland zum Ziel gesetzt: die Sächsische Landesstiftung Natur und Umwelt (LaNU) als Verwalterin des Sächsischen Naturschutzfonds, der Naturpark Erzgebirge/Vogtland, der Anglerverband Südsachsen Mulde/Elster e. V. und das Natur- und Umweltzentrum Vogtland e. V.

Die Broschüre "Perle der Natur - Schutz der Flussperlmuschel in Sachsen" enthält noch viele weitere Informationen und kann im Internet unter https://publikationen.sachsen.de/bdb/artikel/11511 heruntergeladen bzw. bestellt werden (Pressemitt. des sächsischen Umweltministeriums vom 16.05. 12).
Mehr zum komplexen Lebenszyklus der Flussperlmuschel sowie zu den Rettungsversuchen in den Bächen im Bayerischen Wald in den RUNDBR. 866/4, 818/4, 728/3, 648/4, 350, 261.

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Quelle:
BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 995
Herausgeber:
regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser
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© Freiburger Ak Wasser im BBU


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Juli 2012