Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → ARTENSCHUTZ

PFLANZEN/131: 668 Pflanzenarten in Gütersloh gezählt (Stadt Gütersloh)


Stadt Gütersloh - Pressemitteilung, 17. Mai 2011

Besenheide, Sandglöckchen und Sumpffingerkraut

668 Pflanzenarten in Gütersloh gezählt - 109 wilde Pflanzen sind gefährdet


Gütersloh (gpr). Für Pflanzen, die Heideflächen, Bruchwälder und Feuchtwiesen lieben, sind die Zeiten in Gütersloh im Laufe der Jahre immer schlechter geworden. Die Landschaftsprägenden Heideflächen sind in der ursprünglich kleinen Heidestadt Gütersloh längst den Siedlungen, Straßen, Gewerbe- und Industrieflächen gewichen.

"Trotz dieser Entwicklung ist in Gütersloh noch manche seltene Pflanzenart zu finden", wissen Peter und Gerald Kulbrock, die sich seit über 30 Jahren mit der heimischen Flora beschäftigten. Die seit etwa 1990 laufende floristische Kartierung von NRW hat für das Gütersloher Gebiet einen aktuellen Bestand von mindestens 668 Pflanzenarten ergeben, was immerhin einen Anteil von gut 40 Prozent des aktuellen Arteninventars von Nordrhein-Westfalen ausmacht.

Zahlenmäßig, vor allem aber flächenmäßig stark abgenommen haben Arten, die an nährstoffarme Standorte wie Heiden, Sandäcker, Heidetümpel, Feuchtgrünland, naturnahe Bäche und Wälder gebunden sind. Gerade diese Pflanzenarten sind es, die die Roten Listen der gefährdeten Arten füllen und denen die besondere Aufmerksamkeit gelten muss. "109 Arten (cirka 16 Prozent) des Gütersloher Gesamtbestandes sind heute als gefährdet einzustufen, weitere neun Arten sind mittlerweile ausgestorben", warnen Peter und Gerald Kulbrock.


Die Besenheide braucht trockene Heide

Größere Heidebestände oder Sandrasenflächen sind in Gütersloh kaum noch zu finden. Gehalten haben sich kleine Reste auf dem Militärflugplatz an der Marienfelder Straße, auf dem Gelände des ehemaligen Tanklagers in Niehorst oder auf einzelnen Dünen in Pavenstädt. Kleinste Heiderelikte mit der Besenheide findet man auch noch zerstreut an Weg- und Grabenrändern, in Säumen und auf lichten Stellen der wenigen Kiefernwälder, die noch von den früheren Heideaufforstungen übrig geblieben sind (zum Beispiel Dünengelände in Pavenstädt, Haarheide und Ebbesloher Brink in Niehorst, Große Heide in Avenwedde). An diesen Stellen kommt von den heidetypischen Ginsterarten noch sehr zerstreut der Besenginster vor, der Englische Ginster hat sein letztes Vorkommen im ehemaligen Tanklager in Niehorst.

In Kontakt mit den Heideresten stehen meist kleine Sandrasensäume, die sich auch auf abgeschobenen Flächen zum Beispiel an Gräben oder unter Freileitungen (wie in der Haarheide) neu entwickeln können. Neben häufigen Gräsern wie dem Schaf-Schwingel und dem Roten Straußgras ist an solchen Stellen die in Gütersloh nicht mehr häufige Sand-Segge vertreten, aber auch andere seltene Arten wie der Dreizahn, Frühe Haferschmiele, Berg-Sandglöckchen, Kleines Filzkraut, Frühlings-Spark, Kleiner Vogelfuß oder die Heide-Nelke. Besonders erwähnenswert ist der vom Aussterben bedrohten Feld-Beifuß und die stark gefährdete Sand-Wicke mit jeweils nur noch einem kleinen Vorkommen in Gütersloh.


Heidegewässer nur noch in Avenwedde

Kleine Feuchtstellen und Tümpel, die früher in die Sand-Heide eingelagert waren, sind heute kaum noch vorhanden, frühere Stellen kaum noch zu lokalisieren. Die Glockenheide, eine früher weit verbreitete Charakterart der Feucht-Heide, wächst fast nur noch an wenigen Weg- und Grabenrändern. Das einzige Heidegewässer wahrscheinlich älteren Ursprungs befindet sich in der Großen Heide in Avenwedde. Neben großen Beständen von Pfeifengras hat sich hier als typische Feuchtheide-Art der Mittlere Sonnentau gehalten, der Rundblättrige Sonnentau wurde aktuell im NSG Lichtebach in Niehorst beobachtet. Auf ganz wenige Stellen im Bereich ehemaliger Heideflächen sind die stark gefährdeten Arten Flutende Moorbinse und Flutender Sellerie beschränkt.

Weitere Pflanzenarten der Feuchtheide sind an Standorten zu finden, die erst in der jüngsten Vergangenheit neu geschaffen wurden. Als ausgesprochener Glücksfall hat sich die Wiederherstellung der Eiswiese am Stadtpark im Jahr 1999 erwiesen, bei der alte Bodenschichten mit noch keimfähigem Samenmaterial aus früheren Jahrzehnten angeschnitten wurden. Neben vielen Exemplaren des Mittleren Sonnentaus (wurde hier schon vor über 80 Jahren gefunden) und des Braunen Schnabelriedes haben sich zwei Arten eingefunden, die aufgrund ihrer geringen Größe leicht zu übersehen sind und bisher nicht für Gütersloh angegeben waren. Fadenenzian und Sand-Binse sind in der Westfälischen Bucht vom Aussterben bedroht und haben in ganz NRW nur noch sehr wenige aktuelle Fundorte.


Nur noch selten: Bruchwälder

Die früher in den feuchten Niederungen verbreitete Bruchwaldvegetation ist in Gütersloh nur noch an sehr wenigen Stellen zu finden. Kleine Erlenbruchwald-Reste bei Oberröhrmann in Avenwedde, nahe der Westfälischen Klinik in Kattenstroth, bei Hof Determeier in Spexard und in der Großen Heide bei Friedrichsdorf enthalten die für diese Standorte charakteristische Walzensegge oder andere typische Arten wie den Sumpf-Haarstrang, das Sumpf-Veilchen, den Sumpf-Baldrian und den Königsfarn. Sehr selten kommt an solchen Stellen noch das Sumpf-Fingerkraut oder die Schlangenwurz vor.


Extensives Grünland

Extensiv genutztes Feuchtgrünland, das die meisten natürlichen Bruchwälder auf den Niedermoorböden bereits vor langer Zeit ersetzt hatte, ist in den vergangenen Jahrzehnten durch Entwässerungsmaßnahmen und Umwandlung in Ackerflächen stark zurückgegangen - ein Trend, der bis heute ungebrochen ist. Einige Feuchtwiesenflächen stehen in Gütersloh heute unter Naturschutz, aber selbst hier wirken sich Grundwasserabsenkungen und überhöhter Nährstoffeintrag negativ aus. Im NSG Lichtebach in Niehorst haben sich trotzdem viele typische und heute seltene Feuchtwiesenarten wie Trauben-Trespe, Faden-Binse, Teufelsabbiss, Fieberklee und Sumpf-Fingerkraut gehalten. In Spexard wurde in Feuchtwiesen am Menkebach neben einigen der vorgenannten Arten das Gefleckte Knabenkraut gefunden. In Friedrichsdorf kommt im NSG Große Wiese auch noch das früher nicht seltene Breitblättrige Knabenkraut, die im Tiefland vom Aussterben bedrohte Echte Gelb-Segge, die Sumpf-Sternmiere und die Bach-Nelkenwurz vor.

Extensiv genutztes Grünland auf trockenen bis frischen, mageren und kalkarmen Standorten gibt es heute in Gütersloh kaum noch, typische und früher weit verbreitete Arten dieser historischen Landnutzungsform findet man in der heutigen Kulturlandschaft fast nur noch an den vergleichsweise mäßig mit Nährstoffen angereicherten Straßen-, Graben- und Waldrändern. Hierzu gehören Arten der Borstgrasrasen wie das Hunds-Veilchen und das Borstgras, aber auch andere Magerrasenarten wie der Kleine Klappertopf, das Mittlere Zittergras und das Doldige Habichtskraut.

Weitere aktuell festgestellte Pflanzenarten sind selten gewordene Begleiter von extensiv genutzten Äckern, von naturnahen Wäldern oder von wenig belasteten Fließ- und Stillgewässern. Gefährdete Arten sind heute aber auch innerhalb der Siedlungs- und Industrieflächen von Gütersloh anzutreffen, da sie dort oft nährstoff- und konkurrenzärmere Standorte finden als im intensiv landwirtschaftlich genutzten Umfeld. "Das macht deutlich, welches hohe Artenpotential trotz starker Veränderungen in der Gütersloher Landschaft immer noch vorhanden ist" meinen die Biologen. Bei allen zukünftigen Flächennutzungen sei dennoch stärker als bislang auf die Erhaltung der biologischen Vielfalt zu achten.


*


Quelle:
Pressemitteilung, 17. Mai 2011
Stadt Gütersloh, Stadtverwaltung
Berliner Straße 70, 33330 Gütersloh
Telefon: 05241-821
Internet: http://www.guetersloh.de/


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Mai 2011