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PFLANZEN/147: Der Wildapfel (Unser Wald)


Unser Wald - 1. Ausgabe, Jan./Febr. 2013
Zeitschrift der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald

Der Wildapfel (Malus sylvestris)

von SDW Bundesverband



Die Gattung der Äpfel (Malus) gehört zur Familie der Rosengewächse. Sie ist mit etwa 25 echten Arten und zahlreichen Kreuzungen und Kultursorten in der nördlichen, gemäßigten Zone der Erde beheimatet. Der Wildapfel (Malus sylvestris) ist die einzige Malus-Art, die in Mitteleuropa heimisch ist und ist eine der Stammarten des Kultur- oder Gartenapfels (Malus domestica). Der Wildapfel wird auch Holzapfel, Wilder Apfelbaum und Johannisapfelbaum genannt.


Verbreitung

Die eurasiatisch bis submediterrane Art kommt fast überall in Europa und Südwestasien vor, ist jedoch nirgends häufig. Im Norden reicht die Verbreitung bis Großbritannien und Mittelskandinavien. Der Verlauf der Wolga begrenzt die Verbreitung nach Osten. Im Süden erreicht der Wildapfel das Mittelmeer, im südwestlichen Bereich der iberischen Halbinsel kommt er nicht mehr vor. Die vertikale Ausdehnung reicht von der Ebene bis in die montane Stufe. In den Alpen erreicht er Höhen von 1.100 m über NN. Apfelbäume werden schon lange in vielen Gegenden Europas kultiviert. Durch jahrtausendlange Kreuzungen und Auslese sind bis heute über 1.000 verschiedene Apfelsorten entstanden. Von denen sind viele jedoch wieder in Vergessenheit geraten, einige sind vom Aussterben bedroht. Verwilderte Gartenapfelbäume nehmen schon bald wieder Merkmale der Wildarten an. Daher ist es dann kaum möglich, verwilderte Kulturapfelbäume vom Wildapfel zu unterscheiden.

Der Wildapfel ist in Deutschland sehr selten. Dies liegt u.a. daran, dass er kaum eine wirtschaftliche Bedeutung hat und daher nicht gepflegt oder gefördert wurde. Größere Vorkommen gibt es in Deutschland heute nur noch in den Hartholzauen des Oberrheins und an der mittleren Elbe. In der Schweiz kommt der Wildapfel insbesondere in größeren Alpentäler noch in größerem Umfang vor.


Aussehen

Der Wildapfel ist eine Halbschattenbaumart, der nur recht langsam wächst. Der bis zu zehn Meter hohe Baum oder Strauch besitzt flache Wurzeln, die ausgedehnt und reich verzweigt sind. Der oft gekrümmte, gewundene und spannrückige Stamm besitzt im Alter eine braune oder graubraune rissige Borke, die in dünnen Schuppen abblättert. Der Wildapfel kann bis zu 100 Jahre alt werden und einen Stammdurchmesser von 45 cm erreichen.

Die Bildung von Wasserreisern ist stark ausgeprägt und erstreckt sich bis zum Stammfuß. Die Wasserreiser sind fast immer verdornt.

Die Blätter sind wechselständig angeordnet, eiförmig und am Rand gesägt. Sie sind 4 bis 10 cm lang und 2 bis 5 cm breit. Der Blattstiel ist 1 bis 3,5 cm lang. Die Blattoberseite ist kahl, matt dunkelgrün und etwas runzelig. Die Unterseite ist hellgrün und kahl bzw. nur leicht behaart, im Gegensatz zu den verschiedenen Kultursorten, die unterseits meist dicht bis filzig behaart sind. Die zwittrigen, fünfzähligen Blüten (April/Mai) sind weiß oder rosa und werden von Insekten bestäubt. Die gesamte Blüte ist nicht breiter als 3,5 cm.

Die Früchte reifen von September bis Oktober. Sie haben einen Durchmesser von 2 bis 3,5 cm, wobei das Kernhaus mehr als die Hälfte der Fruchtbreite ausmacht. Anders als jeder Kulturapfel hat die Wildform keine Stielgrube und ist deshalb fast kugelrund. Im frischen Zustand sind die herbsaueren Äpfel kaum genießbar, können aber gedörrt oder gekocht gegessen werden.


Standort

Der Wildapfel ist eine Halbschattenbaumart. Er bevorzugt lichte Standorte, kommt aber auch mit leichten Schatten aus. Die wichtigste Voraussetzung für sein Bestehen ist der ausreichende Genuss von Licht. Daher wächst er nicht im Waldinneren unter einem dunklen Kronendach, sondern in lockeren Waldbeständen oder am Waldrand. Apfelbäume sind sehr widerstandsfähig und wachsen auf fast jedem Boden. Den Wildapfel findet man zerstreut in lichten Laubwäldern, in Auenwäldern, besonders Hartholz-Auenwälder, in Eichen-Hainbuchenwäldern und Flaumeichenwäldern sowie in Mittelwäldern, Hecken und Feldgehölzen. Er bevorzugt tiefgründige, frische, basen- und nährstoffreiche Lehm- und Steinböden in sonnigen Lagen. Kurzfristige Überschwemmungen werden vom Wildapfel vertragen.


Holz

Der breite Splint ist hellrötlich, der Kern rotbraun. Das Holz ist schwer, hart, sehr fest und wenig elastisch. Es arbeitet stark und reißt leicht, schwindet stark und ist wenig dauerhaft. Da es nur selten in größeren Mengen anfällt, hat es so gut wie keine wirtschaftliche Bedeutung, wird aber gerne von Drechslern und Tischlern verwendet.


Nutzung

Man vermutet die ersten Apfelkulturen im südwestasiatischen Raum, gezüchtet aus Wildapfelarten. Über Jahrhunderte kultivierte man den Apfelbaum zum Nebenerwerb oder Eigenbedarf in Streuobstwiesen; heute ist dies jedoch kaum noch rentabel. Äpfel sind sehr reich an Vitamin C und dadurch sehr gesund.

Wegen seines hohen Pektingehaltes wird er heutzutage bei der Herstellung von Marmelade anderen Früchten zur Eindickung beigemischt. Schon im antiken Griechenland und Rom wurden die Früchte zu Apfelwein verarbeitet.

Der Wildapfel wurde in vorgeschichtlicher Zeit wahrscheinlich als Nahrung genutzt. Später spielten die Früchte nur noch als Wildfutter oder für die Schweinemast eine Rolle. In manchen Regionen waren Wildäpfel (zusammen mit den Wildbirnen) daher im 16. Jahrhundert auch unter Schutz gestellt.

In der heutigen Zeit könnte der Wildapfel wieder an Bedeutung gewinnen, wenn er als Bereicherung des Ökosystems und Baum für die Artenvielfalt angesehen wird. Auch könnte er im Bereich der Genressourcen eine größere Rolle spielen.


Gefährdungen

Grundsätzlich kann es beim Wildapfel zu den gleichen biotischen und abiotischen Schädigungen kommen wie beim Kultur-Apfel. Es wurde aber festgestellt, dass die Wildform für Krankheiten allgemein weniger anfällig erscheint. Probleme kann es für den Wildapfel durch verschiedene Wildtiere geben. Mäuse fressen an Wurzeln und der Rinde. Feldhasen nagen an der Rinde junger Bäume. Rehwild kann durch Fegen und Verbiss zu großen Schäden führen.


Brauchtum

Kaum eine heimische Frucht besitzt eine ähnliche Symbolkraft wie der Apfel, auch wenn hier die Frucht der Kulturform ausschlaggebend ist. In der griechischen Mythologie gilt der Fruchtbarkeitsgott Dionysos als Schöpfer des Apfelbaumes. Er widmete ihn Aphrodite als Sinnbild ihrer Schönheit und Liebe. Für die Kelten symbolisierte er Liebe, Jugendkraft und Fruchtbarkeit. Auch bei den Germanen stand er für die Liebe und die Mutterbrust. Für die Christen ist der Apfel eher negativ besetzt, er ist ein Zeichen für Unkeuschheit, Versuchung und Erbsünde. Der Reichsapfel diente Herrschern als Weltsymbol und Teil der Zeichen ihrer Macht. Der Naturwissenschaftler und Philosoph Sir Isaac Newton soll durch einen herabfallenden Apfel auf das Prinzip der Schwerkraft gekommen sein. Und der Reformator Martin Luther wird gerne mit dem Spruch zitiert: "Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen".


Sortenvielfalt der Äpfel

Äpfel gehören zu den Rosengewächsen (Rosaceae), diese fallen durch große Sortenvielfalt auf; 1889 beschrieb Theodor Engelbrecht allein 688 Apfelsorten. Diese Vielfalt beruht, neben den häufigen Bemühungen, Nutzpflanzen durch stetige Selektion zu verbessern, auch darauf, dass Rosengewächse sich für die Kreuzungszüchtung bestens eignen. Dabei werden Pflanzen verschiedener Arten und Sorten miteinander gepaart, die unterschiedliche Eigenschaften aufweisen. Die aus den Kreuzungen hervorgegangenen Pflanzen vereinen dann mit etwas Glück in sich die günstigen Eigenschaften beider Eltern wie bessere Lebensfähigkeit (Vitalität), Wachstum, Fruchtqualität und Ertrag. Solche erfolgreichen Neuzüchtungen können dann als Sorten vegetativ (z.B. durch Veredelung oder als Stecklinge) weiter vermehrt werden.


Alma-Ata und der Kulturapfel

In der Jungsteinzeit verliefen bereits Handelswege in unmittelbarer Nähe zu den mittelasiatischen Gebirgen, in denen ein anderer, der Asiatische Wildapfel, Malus sieversii vorkommt. Jahrtausende später wurde die chinesische Seide über diese Wege nach Westen transportiert. Alles deutet darauf hin, dass hierbei der Apfel und auch das Wissen um Apfelkultur und Apfelveredlung entlang der Seidenstraße zu uns gekommen sind. Wahrscheinlich nicht zufällig liegt an einer dieser Handelswege die Hauptstadt Kasachstans, Alma-Ata (heute Almaty), was übersetzt "Vater der Apfel" bedeutet. In allen Turksprachen heißt der Apfel einheitlich "alma", von der nordwestchinesischen Provinz Qinghai bis Istanbul. Erstaunlicherweise findet sich dieser Name auch in sämtlichen mongolischen Sprachen und, etwas weniger überraschend, im Ungarischen.

Mit den Römern kam der Kulturapfel nach Mitteleuropa. Dieser wurde dann über viele Jahrhunderte vor allem in Klostergütern kultiviert. Den Höhepunkt erreichten Apfelkultur und Apfelzucht aber erst im frühen 19. Jahrhundert. Damals kam es in Mode, zahlreiche Sorten zu züchten und zu kultivieren, was zu einer Vielfalt an Sortennamen, Obstbauzeitschriften und Obstbauvereinen führte.

Neuere molekulargenetischen Untersuchungen haben ergeben, dass unser heimischer Wildapfel (Malus sylvestris) gemeinsam mit dem Asiatischen Wildapfel den größten Einfluss auf unseren Kulturapfel hat.

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Der Wildapfel | Steckbrief

Name: Wildapfel (Malus sylvestris)

Familie: Rosengewächse (Rosaceae)

Alter: bis 100 Jahre

Höhe: bis 10 m

Durchmesser: bis 45 cm

Rinde: Rotbraun bis graubraun; stärker rissig

Blätter: Breit-elliptisch bis eiförmig; 4 bis 10 cm lang; 2 bis 5 cm breit; Grund keilförmig oder breit abgerundet, vorne zugespitzt. Oberseite kahl, matt dunkelgrün. Unterseite hellgrün, kahl oder nur leicht behaart. Blattstiel 1 bis 3,5 cm, Blattrand fein gesägt oder gekerbt.

Blüte: Zwittrig (männliche und weibliche Fortpflanzungseinrichtungen in einer Blüte)

Früchte: Äpfel sind kurzgestielt, kugelig, 2 bis 3,5 cm dick

Gefährdung: Kreuzung mit Kulturformen, Wildverbiss

Holz: Splint: hellrötlich; Kern: rotbraun; schwer und hart

Verwendung: Früchte als Wildnahrung, Holz für Drechslerarbeiten

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Impressum

Herausgeber: Schutzgemeinschaft Deutscher Wald
Bundesverband e. V. (SDW)
Meckenheimer Allee 79 . 53115 Bonn
Tel. 0228-945983-0 Fax: 0228-945983-3
info@sdw.de . www.sdw.de

Spendenkonto:
Sparkasse Köln Bonn Konto.Nr. 31 019 995 BLZ 370 501 98

Gefördert mit Mitteln des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages

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Quelle:
Unser Wald - Zeitschrift der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald
1. Ausgabe, Jan./Febr. 2013, Seite 27 - 30
Herausgeber:
Bundesverband der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald e.V., Bonn
Redaktion: Meckenheimer Allee 79, 53115 Bonn
Telefon: 0228 / 945 98 30, Fax: 0228 / 945 98 33
E-Mail: unser-wald@sdw.de
Internet: http://www.sdw.de
 
Erscheinungsweise: zweimonatlich
Bezugspreis: Jahresabonnement 17,50 Euro
einschl. Versandkosten und 7% MwSt.
Einzelheft: Preis 3,- Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Juni 2013