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PILZ/012: Ohren im Wald - Der Pilz des Jahres 2017 (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 198 - Juni/Juli 2017
Die Berliner Umweltzeitung

Ohren im Wald
Das Judasohr ist der Pilz des Jahres 2017

von Marina Körner


Es kommt in Deutschland eher zahlreich vor, wird im Wald aber trotzdem oft übersehen. Am häufigsten kriegt man es in der Form einer Unterart zu Gesicht - den Mu-Err (Auricularia polytrichia) als Beilage im chinesischen Restaurant. Weil die seltsam geformten Fruchtkörper mehrfach komplett austrocknen und wieder aufquellen können, ernannte die Deutsche Gesellschaft für Mykologie die Pilzart zum Pilz des Jahres: Das Judasohr rege dazu an, sich mit der Ökologie der Pilze zu beschäftigen.

Leben an Bäumen

Typisch für ein Mitglied der Gattung der Ohrlappenpilze, besitzt das Judasohr einen knorpeligen, an eine Ohrmuschel erinnernden Fruchtkörper. Die Konsistenz des Pilzes ist gallertartig und seine Farbe variiert zwischen rötlichbraun, violettgrau und olivbraun. Die Oberfläche fühlt sich samtig und etwas filzig an. Die Fruchtschicht des Pilzes, das Hymenium, wird durch die glatte, glänzende, oft von erhabenen Leisten durchzogene Innenseite getragen. Im Hymenium entstehen die Sporen.

Bemerkenswert am Judasohr ist, dass es einen besonderen Trick gefunden hat, um über trockene Zeiten zu kommen: Es schrumpft zusammen. Sobald Regen fällt und der Pilz wieder genügend Wasser bekommt, quillt er wieder zu seiner ursprünglichen Größe auf. Eine solche Überlebensstrategie ist notwendig, wenn man an den Stämmen und Ästen von Laubbäumen mit unregelmäßigem Zugang zu Wasser lebt.

Anders als bei anderen Pilzen können die Fruchtkörper des Judasohrs aus diesem Grund auch das ganze Jahr über entdeckt werden. Gute Suchzeiten sind frostfreie, feuchte Wintermonate, in denen der Pilz besonders ins Auge fällt.

Am häufigsten findet man das Judasohr an älteren Exemplaren des Schwarzen Holunders. Als Saprobiont, also ein Lebewesen, das sich von toter Materie ernährt, baut es das abgestorbene Holz, ab. Warum das Judasohr den Holunder als Standplatz bevorzugt, konnte die Wissenschaft noch nicht klären. Allerdings wird es auch an anderen Laubbäumen wie beispielsweise dem Ahorn und der Buche gefunden.

Guter Speisepilz

Der merkwürdige Name geht auf eine Legende zurück. Nach dieser soll sich der Jünger Judas Iskariot, nachdem er Jesus mit seinem Kuss verriet, aus Trauer an einem Schwarzen Holunderbaum erhängt haben, einem der bevorzugten Standorte für den Baumpilz. Auch der wissenschaftliche Name Auricularia auricula-judae bezieht sich im letzten Namensbestandteil auf diese Sage. Da der Pilz außerdem einer Ohrmuschel sehr ähnlich sieht, bekam er so seinen deutschen Namen.

Das Judasohr ist gut als Speisepilz geeignet - zwar hat es keinen wirklichen Eigengeschmack, aber seine besondere Konsistenz verleiht jedem Essen eine einzigartige Note. Auch in der traditionellen chinesischen und europäischen Medizin spielt er eine Rolle, er gilt als entzündungs- und tumorhemmend sowie durchblutungsfördernd.

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Quelle:
DER RABE RALF
27. Jahrgang, Nr. 198 - Juni-Juli 2017, Seite 12
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 8, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Redaktion DER RABE RALF:
Tel.: 030/44 33 91-47/-0, Fax: 030/44 33 91-33
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Internet: www.raberalf.grueneliga-berlin.de
 
Erscheinen: zu Beginn gerader Monate
Abonnement: jährlich, 20 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Juli 2017

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