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VÖGEL/492: Klimawandel-Index - Maß für Veränderungen in der Vogelwelt eines Kontinents (Der Falke)


Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 4/2009

Maß für Veränderungen in der Vogelwelt eines Kontinents durch Klimawandel: Der Klimawandel-Index

Von Norbert Schäffer


Wissenschaftlern zufolge hat der Klimawandel schon heute messbare Auswirkungen auf die Vogelwelt in ganz Europa. Weltweit erstmalig wurde nun ein Index vorgelegt, der das Ausmaß der Veränderungen veranschaulicht.


In ihrem Bericht, der in PloS ONE, einem internationalen Online Journal der Public Library of Science, erschienen ist, beschreiben die Wissenschaftler um Richard Gregory (RSPB) Parallelen zwischen von Klimawandel verursachten, vorhergesagten Arealveränderungen mit tatsächlich im Rahmen des PECBMS (s. Kasten) beobachteten Bestandsschwankungen einzelner Vogelarten. Das Verhältnis zwischen Arten, die sich weniger gut an die veränderten Bedingungen anpassen gegenüber denjenigen Arten, die anscheinend vom Klimawandel profitieren, beträgt 3:1. In einem komplizierten Verfahren hat das Forscherteam einen aus allen Daten zusammengenommen Index entwickelt, der den Einfluss des Klimawandels auf die Vogelwelt Europas veranschaulicht. Die EU hat den Klimawandel-Index bereits als offizielles Maß in ihre Liste hochwertiger Indikatoren zur Einhaltung des 2010 Zieles (Stopp des Verlustes der Artenvielfalt) aufgenommen - den ersten Indikator dieser Art überhaupt. Unter den zahlreichen Versuchen den Einfluss des Klimawandels auf Arten und Lebensräume zu messen, gab es bisher keinen so einfachen wie den Klimawandel-Index. Wieder einmal sind es die Vögel als am besten untersuchte Tierklasse, die den immer größer werdenden Fußabdruck der menschlichen Gesellschaft auf der Erde verdeutlichen.

Der Klimawandel-Index ist im Prinzip mit den Aktienindizes der Finanzmärkte (z. B. DAX, Dow Jones) vergleichbar. Anstelle von Veränderungen im Aktienmarkt werden jedoch die Veränderungen der Biodiversität aufgrund des Klimawandels miteinander angezeigt. Im Gegensatz zu den Aktienindizes, die derzeit auf dem tiefsten Stand der letzten Jahre liegen, erhöhte sich der Klimawandel-Index seit Mitte der 1980er Jahre jedes Jahr und zeigt deutlich den großen Einfluss des Klimawandels auf die Artenzusammensetzung. Verändert sich der Bestand einer Art im Einklang mit den Vorhersagen, steigt der Indikatorwert. Arten, deren Bestandstrend nicht dem Modell entspricht, lassen den Indikatorwert fallen.

Zur Erstellung des Klimawandel-Index werden die in sogenannten modellierten Klimaszenarien errechneten Bestandsentwicklungen (s. Falke 2008, H. 2) und die tatsächlich beob-achteten Bestandstrends der europäischen Vogelarten aus dem Pan-European Common Bird Monitoring Scheme miteinander kombiniert. Dabei zeigte sich, dass die Bestände von Vogelarten, für die Verbesserungen ihrer Lebensbedingungen vorhergesagt waren, seit Mitte der 1980er Jahre angestiegen sind und die Bestandszahlen von Arten, für die Bestandeinbrüche erwartet werden, im selben Zeitraum abgenommen haben. Beunruhigend ist dabei die Tatsache, dass bei 75 % der untersuchten Arten Verschlechterungen der Bestandssituation festgestellt wurden. Von den 122 untersuchten Arten (aus 526 in Europa brütenden Vogelarten), scheinen 30 ihr Areal zu vergrößern, für die restlichen 92 Arten wurde eine Abnahme des Verbreitungsgebietes beobachtet.

Obwohl die globale Durchschnittstemperatur bisher nur minimal angestiegen ist, sind die bereits zu beobachtenden Auswirkungen allein auf die Vogelwelt erschreckend. Mit Hilfe des Klimawandel-Index zeigen die Wissenschaftler, dass der Anstieg der weltweiten Durchschnittstemperatur unbedingt unter 2°C gehalten werden muss, um eine globale Katastrophe zu verhindern.

Die neue Veröffentlichung hebt zudem wieder einmal die Rolle der erfahrenen Hobby-Vogelkundler in ganz Europa hervor, ohne deren umfangreiche Datensammlungen der Versuch unsere Vogelwelt und mögliche Bedrohungen durch Klimawandel zu verstehen, fast unmöglich wäre.


Quelle: RSPB Presseinfo, 04.03.2009;
www.birdlife.org/news/news/2009/03/climate_change_inidcator.html



Literatur zum Thema:

Gregory, R. D., S. G. Willis, F. Jiguet, P. Vorisek, A. Klvanova, A. van Strien, B. Huntley, Y. C. Collingham, D. Couvet & R. E. Green (2009): An indicator of the impact of climatic change on European bird populations. PloS One 4 (3): e.doi:10.1371/journal.pone.ooo4678.
http://www.plosone.org/article/info%3Adoi%2
F10.1371%2Fjournal.pone.0004678
Eine PDF-Datei der Arbeit findet sich auf der Internetseite des DDA
www.dda-web.de.

Hagemeijer, E. J. M. & M. J. Blair (eds.) (1997): The EBCC Atlas of European Breeding Birds: Their Distribution and Abundance. T & AD Poyser, London.

Huntley, B., R. E. Green, Y. C. Collingham & S.G. Willis (2007): A climatic atlas of European breeding birds. Lynx Edicins, Barcelona. Durham University & RSPB.

Schäffer, N. (2008): Unsere Vogelwelt am Ende des Jahrhunderts: Vögel 2100. Falke 55: 50-57.


PECBMS - Das gesamteuropäische Monitoringprogramm häufiger Vogelarten (Pan-European Common Bird Monitoring Scheme - PECBMS) ist eine gemeinsame Initiative des "European Bird Census Councils" (EBCC www.ebcc.info) und von BirdLife International (www.birdlife.org). PECBMS sammelt in 20 europäischen Ländern vergleichbare Daten und wertet sie aus, um politisch relevante Indikatoren auf europäischer Ebene zu erstellen. Aus Deutschland gehen Daten in das Programm ein, die aus dem Monitoring häufiger Brutvögel des DDA (www.dda-web.de) stammen.


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Quelle:
Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 4/2009
56. Jahrgang, April 2009, S. 134-135
mit freundlicher Genehmigung des AULA-Verlags
AULA-Verlag GmbH, Industriepark 3, 56291 Wiebelsheim
Tel.: 06766/903 141; Fax: 06766/903 320
E-Mail: falke@aula-verlag.de

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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. April 2009