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VÖGEL/551: Spanien - Unter Geiern, Großtrappen und Gleitaaren in der Extremadura (Der Falke)


Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 12/2009

Lebensraum durch traditionelle Weidewirtschaft:
Unter Geiern, Großtrappen und Gleitaaren in der Extremadura

Von Jan Goedelt


Spanien ist ein Eldorado für Vogelkundler - mit über 520 nachgewiesenen Vogelarten gehört dieses Land zu den vogelreichsten Gegenden Europas. Ein Teil des weiten, hügeligen Landesinneren nimmt die Extremadura ein, wo eine über jahrhundertealte Kulturlandschaft zahlreichen bedrohten Tierarten geeigneten Lebensraum bietet.


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Es ist zwei Uhr nachts. Aus der Ferne erklingt schon seit einigen Stunden das charakteristische "tschuck-tschuck" des Rothalsziegenmelkers, während ganz in der Nähe ein Steinkauz unaufhörlich ruft und mehrere Heidelerchen ihren melodiösen Gesang verlauten lassen. Ein paar Stunden später geht die Sonne auf und taucht die weitläufige Landschaft in sanftes Licht. Kalanderlerchen und Schwarzkehlchen werden aktiv, Steinsperlinge sitzen auf den Weidezäunen, Großtrappen bewegen sich gemächlich über eine große Wiese, darüber fliegen gelegentlich kleinere Trupps von Sand- und Spießflughühnern. Eine mit wenigen knorrigen Eichen bewachsene Ebene inmitten der Extremadura in Südwestspanien, fern von den touristischen Stränden der spanischen Küsten und dem hektischen Trubel der großen Städte Barcelona, Sevilla oder Madrid, bildet den Hintergrund für dieses Naturschauspiel.


Seltene Vogelarten in jahrhundertealter Kulturlandschaft

Die Extremadura weist mit rund vier Millionen Hektar etwa die Größe der Schweiz auf, gehört aber mit weniger als 25 Einwohnern pro Quadratkilometer zu den am dünnsten besiedelten Regionen Europas. Die weitläufige Landschaft mutet savannenähnlich oder wie eine riesige Streuobstwiese an. Im Frühjahr von Wildblumen übersäte Wiesen, die spanischen Dehesas, ziehen sich kilometerweit über flache Hügel hinweg, das Grasland wird nur von zumeist einzeln stehenden Kork- und Steineichen unterbrochen. Diese lichten Wiesen sind das Charakteristikum der Extremadura, welche nahezu ein Drittel der zweieinhalb Millionen Hektar spanischer Dehesas umfasst. Bereits vor über 4000 Jahren rodeten Menschen den mediterranen Hartlaubwald zugunsten von Weideland für Vieh. Ab dem 12. Jahrhundert entwickelte sich dann die typische, noch heute erhaltene spanische Weidelandschaft. Einzelne Bäume, zumeist Eichen, blieben von der Rodung verschont, um den Tieren Schutz vor Sonne und Regen zu bieten. Die heutigen parkartigen Gebiete mit verstreut wachsenden Stein- und Korkeichen sind daher das Ergebnis einer jahrhundertelangen Nutzung durch den Menschen. Die Kulturlandschaft bietet nach wie vor zahlreichen Tier- und besonders Vogelarten einen Rückzugsraum, darunter auch sehr seltenen. Neben dem mit nur noch 150 Exemplaren weltweit bedrohten Iberischen Luchs (Lynx pardellus) und einer auf wenige Tiere zusammengeschrumpften Population des Wolfes haben ornithologische Raritäten ihr spanisches oder gar europäisches Hauptbrutvorkommen in der Extremadura: Spanischer Kaiseradler, Mönchsgeier, Großtrappe oder Gleitaar gehören beispielsweise dazu. Über ein Drittel der Weltpopulation des Spanischen Kaiseradlers und die Hälfte der spanischen Population des Mönchsgeiers brüten hier. Spanien beheimatet 50 % des weltweiten Bestandes der Großtrappe, dem schwersten flugfähigen Vogel. Allein 6000 Großtrappen sollen in der Extremadura vorkommen. Daneben locken auch Arten wie Weißstorch, Zwergtrappe und Blauelster alljährlich zahlreiche Vogelkundler aus ganz Europa hierher. Doch nicht nur für Brutvögel bildet die Extremadura ein wichtiges Refugium. Im Winter ist die Region ein wichtiges Nahrungsgebiet für Kraniche, die hier alljährlich zu Tausenden die kalte Jahreszeit verbringen. Die überwinternden Bestände werden auf rund 65000 Vögel geschätzt, vornehmlich aus Skandinavien, Deutschland und Polen, die ab Mitte Oktober zu erwarten sind. Schließlich runden Hunderttausende Kiebitze, Goldregenpfeifer sowie Ringeltauben das Bild der Wintergäste ab.

Ihren Fortgang findet die parkähnliche Landschaftsform der Dehesas in Portugal. Dort in der - im Vergleich zur Extremadura - landwirtschaftlich intensiver geprägten Region um Elvas und Castro Verde liegt das portugiesische Hauptvorkommen von Groß- und Zwergtrappe. Die Gegend gilt als die wichtigste steppenartige Landschaft Portugals, mit 600 Großtrappen und rund 1000 Zwergtrappen. Daneben sind Kalanderlerche, Gleitaar sowie Häherkuckuck anzutreffen. Der Wiedehopf ist ein täglicher Begleiter.



Dehesas: Lebensraum in Gefahr

Die spanische Weidelandschaft weist eine enorme Bedeutung für den Natur- und Artenschutz auf, ist jedoch bedroht: Wenn früher wegen der geringen Niederschlagsmengen im Sommer das Vieh, zumeist Schafe, Ziegen und Rinder, in die fruchtbareren, Hunderte von Kilometer entfernten Gebirgsgegenden Nordspaniens getrieben wurde, konnte sich die Vegetation der Dehesas von der Viehbeweidung erholen. Im Herbst wurden die Tiere wieder auf die Dehesas zurückgebracht. Diese alte Praxis der Transhumanz mobilisierte bis Anfang des 20. Jahrhunderts über vier Millionen Stück Vieh, wobei die Besatzdichten erheblich geringer waren als heute. Ferner wurden bis dato die Eichen regelmäßig beschnitten, sodass ausladende Kronen entstanden - neben einem guten Schattenspender konnte durch den regelmäßigen Baumschnitt eine beträchtliche Menge an Eicheln geerntet werden. Diese dienten als Viehfutter im Winter, besonders für die berühmten iberischen Schweine, deren Schinken wegen des nussigen Aromas in weiten Teilen Europas hochgeschätzt ist. Nachdem aber schon in den 1950er Jahren große Teile der Landbevölkerung in die prosperierenden spanischen Großstädte oder in das sich im wirtschaftlichen Aufschwung befindende Deutschland abwanderten (noch heute gehört die Extremadura zu den ärmsten Regionen Spaniens), konnte diese naturverträgliche Bewirtschaftung der Dehesas nicht mehr in dem ursprünglichen Umfang fortgeführt werden. Wie in vielen anderen Teilen Europas hielt zugleich die intensive Landwirtschaft in der Extremadura ihren Einzug. Mit dem Aufkommen der Intensivtiermast gaben immer mehr Landwirte die traditionelle, extensive Viehzucht auf. Die Produktivität und damit die Einnahmen waren zu gering, um gegen die Massentierhaltung bestehen zu können. Unterstützt von der nationalen und europäischen Agrarpolitik erhöhten viele Landwirte die Viehdichte bei gleichzeitiger Steigerung der Zufütterung, denn die EU leistete gerade den industriellen Produktionsweisen durch finanzielle Unterstützung beträchtlichen Vorschub. Große Mastanlagen für iberische Schweine, die dort mit Fertigfutter in kurzer Zeit schlachtreif gezüchtet wurden, ließen das Interesse der örtlichen Bevölkerung an der Erhaltung und Pflege der Stein- und Korkeichenwälder in ihrer ursprünglichen Kulturform weiter schwinden. Die mit Steineichen bewachsenen Dehesas mussten mittlerweile in einigen Bereichen dem Maisanbau und anderen Intensivkulturen weichen. Darüber hinaus wird neuerdings befürchtet, dass die Korkeichen als Naturkorkenproduzent an Bedeutung verlieren, da immer mehr alternative Verschlüsse in der Weinindustrie Verwendung finden. So könnten bald andere, ertragreichere Anbauarten den Korkeichenhainen der Extremadura den Rang ablaufen. An einigen Stellen zeugen bereits abgeholzte Eukalyptuswälder von einer Umstellung auf diese schnell wachsende Baumart.



Die Folgen

Der Rückgang der nachhaltigen Weidewirtschaft in den Dehesas bei gleichzeitiger Intensivierung der Tierhaltung lässt erhebliche Folgen für die zerbrechlichen Lebensräume erahnen. Die höheren Viehbestände führten dazu, dass ein Aufwachsen junger Eichen kaum mehr möglich war - heute sind viele der Steineichen stark überaltert. Der Bestand mit Stein- und Korkeichenwäldern beugt in dieser semiariden Region auch einer Wüstenbildung vor, diese Schutzfunktion dürfte bei einem höheren Viehbesatz ohne Wanderweiden ebenfalls gefährdet sein. Eine Vegetationsdecke aus immergrünen Pflanzen ist nämlich dafür verantwortlich, dass der wenige Regen nicht sofort wieder verdunstet, sondern langsam versickern kann und so den Grundwasserspiegel auffüllt. Zugleich schützen die Bäume den Boden vor dem Verlust von kostbarem Humus. Schließlich haben die in den letzten Jahren auf der iberischen Halbinsel wütenden Waldbrände bei einer intensiveren Weidewirtschaft ein leichteres Spiel: Intakte, d.h. nachhaltig genutzte Dehesas sollen sich nämlich als viel weniger waldbrandgefährdet erweisen als andere Baumgesellschaften.

Ohne die weitgehend sich selbst überlassenen Viehherden und die gelegentlich verendenden Tiere hätten beispielsweise die Gänse- und Mönchsgeier keine ausreichende Nahrungsgrundlage mehr. Mit der traditionellen, extensiven Weidewirtschaft gehen zudem großräumige störungsarme Bereiche als wichtige Lebensräume für die beiden Trappenarten sowie für Spieß- und Sandflughuhn einher. Die Intensivierung der Landwirtschaft mit einem Umbruch der Grassteppen, einem verstärkten Maisanbau und dem Einsatz von Agrochemikalien hat bereits in Mitteleuropa zu extremen Bestandseinbrüchen der beiden Trappenarten geführt. Da brütende Trappenweibchen als sehr störungsempfindlich gelten, führt eine Erhöhung der Bestandsdichten an Weidevieh auf den Dehesas nicht nur zu verstärkten Störungen an den Brutplätzen, sondern auch zu einem vermehrten Gelegeverlust durch Viehzertritt. Die Stein- und Korkeichen bilden ferner wichtige Brutmöglichkeiten für Spanischen Kaiseradler, Mönchsgeier und Schwarzstorch. Gerade Mönchsgeier und Kaiseradler bevorzugen einzeln stehende Korkeichen als Neststandorte. Kaiseradler gehen zudem in den Dehesas auf Nahrungssuche - ihre Hauptbeutetiere Wildkaninchen kommen besonders zahlreich in Gebieten mit ursprünglichen Wirtschaftsformen vor. Der Erhalt der Steineichen ist schließlich auch für die überwinternden Kraniche existenziell, die sich besonders im Monat Dezember hauptsächlich von den herabgefallenen Eicheln ernähren.



Geier im Nationalpark Montfrague

An die Dehesas grenzt der Nationalpark Monfrague an - "mons fragorum" nannten die Römer die Gegend, was soviel wie wildes, zerklüftetes und unwegsames Gebirge bedeutet. Zunächst im Jahre 1979 als Naturpark unter Schutz gestellt, wurde Monfrague im Jahr 2007 zum Nationalpark erklärt. Mit rund 18 000 Hektar ist der jüngste Nationalpark Spaniens nicht sehr groß, doch schließen sich einige Schutzzonen unmittelbar an den Park an. Sie sind Teil eines Biosphärenreservats, welches 2003 durch die UNESCO in die Liste der weltweiten Biosphärenreservate aufgenommen wurde. Berühmt ist das Gebiet für seine guten Beobachtungsmöglichkeiten an Greifvögeln: Vom Aussichtspunkt Castillo de Monfrague, einer maurischen Burg 500 Meter über dem Tal des Flusses Tajo, lassen sich binnen nur weniger Stunden über zwölf Greifvogelarten sichten, darunter Habichts-, Schlangen-, Zwerg- oder Steinadler, ferner Mönchs- und Schmutzgeier, Rötelfalke, Rotmilan und Spanischer Kaiseradler. Nahezu im Minutentakt gleiten Gänsegeier in nur wenigen Metern Entfernung an der Burg vorbei - ein beeindruckendes Erlebnis! Von hier oben betrachtet wird deutlich, wie sich der Tajo durch die Täler des Nationalparks schlängelt, die noch mit dem typischen mediterranen Wald bewachsen sind. Seine Fließgeschwindigkeit wird durch die Errichtung zweier großer Stauseen, dem Torrejon und Alcantara, jedoch erheblich gezähmt. Der Fluss darf im Nationalpark nur noch in Ausnahmefällen und lediglich zu wissenschaftlichen Zwecken befahren werden.

Für den Spanischen Kaiseradler, aber auch für den Iberischen Luchs wird von Naturschutzseite besonders die weitere Ausbreitung der Bestände der Wildkaninchen vorangetrieben. In Zonen, die Luchs sowie Spanischer Kaiseradler als Jagdgebiet nutzen, werden geimpfte Kaninchen frei gelassen. Ferner werden entlang von Feldrändern mit Hilfe großer Steine Kaninchenbauten angelegt, damit sich diese vor Wildschweinen und anderen Räubern besser schützen können.



Ein Blick in die Zukunft

Die Einrichtung des Nationalparks Monfrague im Jahre 2007 gilt als ein Etappenziel zum nachhaltigen Schutz der Hauptvorkommen gefährdeter Arten, besonders in den Dehesas. Allein die in der Extremadura auftretenden, über 60 Arten an Brut- und Zugvögeln sowie Wintergästen, die als besonders gefährdet gelten und daher im Anhang I der Europäischen Vogelschutzrichtlinie aufgelistet sind, sollten ein Argument dafür sein, dass die Schutzanstrengungen nicht abreißen dürfen! Auch die an den Nationalpark angrenzenden Pufferzonen des Biosphärenreservats sind ein wichtiger Beitrag, die über Jahrhunderte hinweg gewachsene Kulturlandschaft zu erhalten - grundlegendes Ziel eines Biosphärenreservats ist die Beibehaltung historisch gewachsener Nutzungen bei gleichzeitigem Schutz der dort vorkommenden Tier- und Pflanzenarten. Im Gegensatz zu den Zielstellungen in einem Nationalpark werden in einem Biosphärenreservat die Menschen mit ihren Wirtschaftsformen ausdrücklich in das Programm integriert. Diese Schutzform kann hier in der landwirtschaftlich geprägten Extremadura so noch am ehesten die Interessen von Mensch und Natur ausgleichen und vermag durch die Bewahrung und Förderung traditioneller Wirtschaftsformen die einmalige Natur- und Kulturlandschaft am besten zu bewahren. Um eine schonende, naturnahe Landnutzung und dadurch letztendlich den Erhalt der traditionellen Weidewirtschaft mit ihren positiven Konsequenzen für die Landschaft beibehalten zu können, bedarf es einer erheblichen Ausweitung der Schutzzonen. Die mit der extensiven Nutzung der Flächen einhergehenden Mindererträge gegenüber Produktionen aus der industriellen Landwirtschaft sollten über Fördermittel ersetzt werden. Schließlich sind Projekte zur Wiederbelebung der spanischen Wanderweidewirtschaft und damit das Wiederaufleben der alten Routen der Hirten zwischen Sommer- und Winterweiden sowie die Anpflanzung geschützter Steineichenareale weitere gute und wichtige Ansätze. Vielerorts findet sich zum Glück noch immer eine nachhaltige Nutzung der Dehesas als Weide für Rinder, Schafe, Ziegen und Schweine, die diese Savannenlandschaft in ausgedehnten Bereichen weiter erhält. Es bleibt zu hoffen, dass die extensiv genutzten Dehesas auch in Zukunft einer vielfältigen Vogelwelt Lebensraum bieten.


Jan Goedelt ist Jurist mit umweltrechtlichem Schwerpunkt und seit der Kindheit begeisterter Ornithologe, Fotograf und Naturschützer. Seit 2001 schreibt er regelmäßig für den Falken.


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Reisetipps

Vogelbeobachtungen in der Extremadura empfehlen sich besonders im Frühjahr. Groß- und Zwergtrappen können so während der Balz beobachtet werden, und die zahlreichen Lerchenarten machen durch ihren Gesang auf sich aufmerksam. Die Straße von Santa Marta de Magasca zur N 521 (Caceres-Trujillo-Straße) lohnt sich zur Beobachtung von Groß- und Zwergtrappen sowie beiden Flughuhnarten, Blauracken und Häherkuckucken. Auch die Region um Belen ist einen Besuch wert. Die Ortschaft Trujillo begeistert nicht nur durch ihren schönen Marktplatz, auf dessen Gebäuden inmitten der Stadt zahlreiche Weißstörche brüten, sondern hält zugleich eine Brutkolonie von Rötelfalken und Fahlseglern bereit. Im Nationalpark Monfrague gilt der Bereich um "Portilla de la Tietar" als gute Möglichkeit Spanische Kaiseradler zu Gesicht zu bekommen. Hoch auf dem "Castillo de Monfrague" sollte man den Blick nicht nur auf die großen Segelflieger richten, denn als Besonderheit umjagen Kaffernsegler (Apus caffer) das bergige Terrain des Flusses Tajo. Neben dem "Castillo de Monfrague" lohnt ein Besuch der Felshänge des Tajo und des Flusses Tietar, wo sich Schwarzstorch, Gänsegeier und Uhu durch das Spektiv beim Brutgeschäft in den Felsvorsprüngen beobachten lassen, während der Spanische Kaiseradler hoch über seinem Horst patrouilliert. Für nähere Informationen zu den besten Beobachtungsstellen führen die im Internet auf Deutsch oder Englisch veröffentlichten Reiseberichte weiter. Daneben werden auch spezifische Spanien-Vogelreiseführer im Handel angeboten. Als Übernachtungsmöglichkeit gilt "La Bodega del Herrador" in Monroy unter den Vogelkundlern als Geheimtipp: Neben einem akzeptablen Preis wird dem frühen Beobachter entweder morgens gegen sechs Uhr ein Frühstück angeboten oder erst nach einem Ausflug um elf Uhr, wenn bereits die ruhigere Tageszeit anbricht. Das Gebiet ist am besten von Madrid aus per Mietwagen zu bereisen.


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Kork - eine nachhaltige Industrie als Naturschützer

Von Jose Tavares

Seit Tausenden von Jahren verändern Menschen die Landschaften der Iberischen Halbinsel. Aus den einstigen Stein- und Korkeichenwäldern entstanden durch charakteristische Weidewirtschaft Hutewälder, die in Spanien als Dehesas und in Portugal als Montadas bekannt sind. Hier wie dort werden Korkeichen industriell genutzt. Die dicke, erneuerbare Rinde - der Kork - sowie die lederartigen Blätter dieser immergrünen Hartlaubgewächse sind eine Anpassung an Trockenheit und Feuer. Durch seine Eigenschaften - geringes Gewicht, Wasserfestigkeit sowie isolierende Wirkung gegenüber Temperatur, Schall und Druck - hat sich Kork von jeher v. a. in der Weinindustrie einen Platz behaupten können. Je nach Regenfall und Bodenqualität wird die Rinde der Korkeichen alle neun bis elf Jahre von Hand geerntet und in Fabriken hauptsächlich zu Flaschenkorken weiter verarbeitet (etwa 70 %). Bis noch vor wenigen Jahren war die Artenvielfalt in den Dehesas und Montadas als Nebenprodukt der landwirtschaftlichen Nutzung gesichert. Zahlreiche wissenschaftliche Studien der letzten Jahrzehnte zeigen, dass die Artenvielfalt in den traditionell genutzten, parkähnlichen Dehesas und Montadas höher ist als in den meisten anders landwirtschaftlich genutzten Flächen - über hundert Vogelarten zählen zu den regelmäßigen Brutvögeln der Dehesas und Montadas. Doch derselbe Markt, der bisher für den Erhalt dieser einzigartigen Naturräume verantwortlich war, trägt nun maßgeblich zu deren Verfall bei. Neuerdings haben andere, billigere Methoden zum Verschließen von Flaschen Einzug gehalten. Die lange Produktionszeit (Kork kann erst ab einem Baumalter von über 25 Jahren geerntet werden) und die arbeitsaufwändige Ernte von Kork bedingen einen vergleichsweise hohen Preis, sodass die Nachfrage nach dem Naturprodukt Kork immer weiter fällt. Der Export von Flaschenkorken aus Portugal, dem weltweit führenden Herstellungsland, in einige Weinherstellernationen fiel in nur wenigen Jahren um mehr als 25%. Damit einher geht zum einen der Verlust vieler Arbeitsplätze in einer einzigartigen Industrie in ländlichen Gegenden, zum anderen müssen die weiträumigen Korkeichenwälder anderen Landnutzungsformen weichen. Heißt es also "Lebewohl" für Raubwürger, Wiedehopf und Heidelerche? Die Wahl zwischen einem Endprodukt auf Erdölbasis und einem zu 100 % recyclebarem, biologisch abbaubarem Naturprodukt aus nachhaltiger Herstellung, einem Produkt, das die außergewöhnlichen Eindrücke und die Artenvielfalt eines uralten Ökosystems symbolisiert, liegt beim Verbraucher. Vielleicht ist das dem einen oder anderen beim nächsten Einkauf doch die Zeit für eine nähere Betrachtung des Flaschenverschlusses unter dem Weinsiegel wert ...


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Quelle:
Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 12/2009
56. Jahrgang, Dezember 2009, S. 464 - 469
mit freundlicher Genehmigung des AULA-Verlags
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Internet: www.falke-journal.de

Erscheinungsweise: monatlich
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Das Jahresabonnement für 12 Hefte ist im In-
und Ausland für 49,- Euro zzgl. Porto erhältlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Dezember 2009