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VÖGEL/674: Der Gartenrotschwanz - Vogel des Jahres 2011 (Vogelschutz)


Vogelschutz - 4/2010
Magazin für Arten- und Biotopschutz

Der Gartenrotschwanz
Vogel des Jahres 2011

Von Boris Jechow

Gartenrotschwanzmännchen - Foto: © McPhoto

Gartenrotschwanzmännchen
Foto: © McPhoto

Sieht man im Garten einen Vogel mit einem roten Schwanz, so ist es meist nicht mehr der dem Namen nach passendere Gartenrotschwanz, sondern vielmehr dessen weiter verbreiteter Verwandter, der Hausrotschwanz. Der Gartenrotschwanz ist bei uns in vielen Gegenden leider ein seltener Gast geworden.

Gartenrotschwanz auf Futtersuche - Männchen auf Kirschbaumzweig mit grünen Kirschen, eine Raupe im Schnabel - Foto: © R. Rößner / www.birdpictures.de

Gartenrotschwanz auf Futtersuche
Foto: © R. Rößner
www.birdpictures.de
STECKBRIEF

Name
Gartenrotschwanz Phoenicurus phoenicurus

Verwandtschaft
Familie der Schnäpperverwandten (Muscicapidae). Phoenicurus ist in Mitteleuropa mit zwei Arten, dem Gartenrotschwanz und dem dunkleren Hausrotschwanz (Phoenicurus ochruros) vertreten.

Aussehen
Knapp buchfinkengroß, Männchen mit orangefarbenem Bauch und Schwanz, dunklem Rücken und Kopf mit hellem Stirnstreifen, Weibchen graubraun mit hellbeigem Brustgefieder und orangenem Schwanz.
Größe: 13-14,5 cm, Gewicht: 14-19 g

Lebensraum und Verbreitung
Streuobstwiesen, lichte Altholzbestände, Parkanlagen.

Verbreitung
Europa, außer Island, Irland und Teilen Nordskandinaviens und der Iberischen Halbinsel; zieht im Herbst durch die Sahara bis in die Savannen Afrikas.

Bestand
In Europa ca. 2,3 Mill. Brutpaare. 1980 waren es in Deutschland noch 450.000 Paare, mittlerweile hat sich der Bestand auf 110-160.000 Paare reduziert.

Brutverhalten
Nest in Höhlen, 5-7 Eier (einfarbig grünlichblau), Brutdauer 12-14 Tage, Nestlingszeit 13-15 Tage, nach dem Ausfliegen bleibt die Familie noch zwei Wochen zu-sammen. Meist zwei Bruten im Jahr.

Nahrung
Käfer, Spinnen, Fliegen, Mücken, Raupen

Von den elf Rotschwanzarten, die es weltweit gibt, sind nur diese zwei Arten hier heimisch. DenäGartenrotschwanz kann man dabei sehr leicht vom Hausrotschwanz unterscheiden. Zwar haben beide Arten den charakteristischen roten Schwanz mit einem braunen Fleck in der Mitte, doch hat nur der Gartenrotschwanz eine komplett orangefarbene Brust und einen orangenen Bauch. Der Hausrotschwanz ist dagegen bis auf den Schwanz sehr dunkel gehalten. Auch den weißen Streifen auf der Stirn, den der Gartenrotschwanz aufweist, besitzt der Hausrotschwanz nicht.

Die Unterscheidung der Weibchen fällt dagegen etwas schwerer. Während das Gartenrotschwanzweibchen eine beige Brust mit leichtem Orangeton hat, ist das Hausrotschwanzweibchen eher mausgrau.

Insgesamt gibt es 11 Arten der Gattung Phoenicurus.

Davon leben zwei in Europa. Der Diademrotschwanz (Phoenicurus moussieri) lebt als Standvogel ausschließlich im Atlasgebirge.

Er ist der einzige Vertreter seiner Gattung, der in Afrika brütet. Die anderen Vertreter leben in Asien und Amerika.

Obwohl der hübsche Gartenrotschwanz früher in den Gärten und vielseitigen Kulturlandschaften ein häufiger Brutvogel war, ist durch die Umstrukturierung der vom Menschen geprägten Gegenden ein Großteil seiner Lebensräume verloren gegangen.

Das Weibchen des Gartenrotschwanz ist eher unscheinbar. Hier sitzt es auf einem mit blühenden Heckenrosen umrankten Gartenzaun - Foto: © F. Hecker / www.naturfoto-hecker.de

Das Weibchen des Gartenrotschwanz ist eher unscheinbar
Foto: © F. Hecker / www.naturfoto-hecker.de

Strukturreiche, bäuerliche Gärten, wie es sie früher oft gab, bieten dem Gartenrotschwanz einen geeigneten Lebensraum. Abwechslungsreich gestaltete, halboffene Landschaften sind für ihn ideal.

Baumhöhlen sind ein bevorzugtes Brutquartier - Weibchen mit Futter im Schnabel - Fotos: © R. Rößner / www.birdpictures.de Baumhöhlen sind ein bevorzugtes Brutquartier - Männchen mit Futter im Schnabel - Fotos: © R. Rößner / www.birdpictures.de

Baumhöhlen sind ein bevorzugtes Brutquartier
links: Weibchen mit Futter im Schnabel, rechts: Männchen mit Futter im Schnabel
Fotos: © R. Rößner / www.birdpictures.de

Der Gartenrotschwanz muss in seinem Lebensraum geeignete Bruthöhlen finden, genug Insekten, die seine einzige Nahrung darstellen, und es muss genügend Sitzwarten geben. Von diesen aus pflegt er, sein Revier mit Gesang abzugrenzen und Weibchen anzulocken. Außerdem startet er von Sitzwarten aus zu kurzen Beuteflügen. Damit all dies erfüllt ist, braucht es also weit mehr als einen hübsch anzusehenden englischen Rasen. Einen Großteil seiner Nahrung fängt der Gartenrotschwanz am Boden. Hierfür benötigt er möglichst viele Stellen mit niedriger oder keiner Vegetation. Die Tiere, die seine Nahrungsgrundlage darstellen, vermehren sich allerdings besser in hoher und dichter Vegetation. Ist beides in seinem Revier vorhanden, fühlt sich der Gartenrotschwanz wohl. Ideal für ihn sind Streuobstwiesen mit gestaffelter Mahd oder mit Beweidung durch Schafe. Dort findet er genügend Nahrung und Bruthöhlen. Auch in Kleingartenanlagen und Parks kann man ihn finden.

Da diese Ansprüche, die der Gartenrotschwanz an seinen Lebensraum stellt, gleichzeitig einer natürlichen vielfältigen Landschaft entsprechen, gilt sein Vorkommen als Indiz für eine vielfältige und intakte Natur. Wir sollten es als Zeichen verstehen, dass die Bestände des Gartenrotschwanzes, dessen Verbreitungsschwerpunkt in Europa zusammen mit Frankreich in Deutschland liegt, zurückgehen.

Doch nicht nur in seinen Brutregionen ist der kleine Vogel gefährdet. Da er ein reiner Insektenfresser ist, ist er darauf angewiesen, im Winter die hiesigen Brutgebiete zu verlassen und gen Süden zu ziehen, um weiterhin Nahrung zu finden. Doch dieser Weg ist, nicht zuletzt durch den Menschen, ein gefährlicher geworden. Es gibt immer noch Länder entlang seiner Zugroute, in denen Singvögel gejagt werden. Auf seinem Weg in den Süden durchquert der Gartenrotschwanz die Sahara. Hitze,Trockenheit und Nahrungsmangel machen ihm dabei zu schaffen. Aber auch in seinem Überwinterungsgebiet sieht es nicht immer gut aus: in den Savannen Afrikas kommt es zu Dürreperioden. Dann fehlt es den Wintergästen an Nahrung. Die Ausweitung der Wüsten und die Überweidung der Trockensavannen durch das Vieh der Menschen, die ums Überleben kämpfen, sorgen dafür, dass die Zahl der Gartenrotschwänze, die aus dem Winterquartier nach Mitteleuropa zurück kehren, in manchen Jahren nur gering ist. In Verbindung mit dem Lebensraumverlust führt dies zu dem eingangs erwähnten Bestandsrückgang. Im Gegensatz dazu findet derzeit im Nationalpark

Bayerischer Wald eine auffallende Bestandszunahme des Gartenrotschwanzes statt. Warum dies so ist, lesen Sie im nächsten Heft VOGELSCHUTZ.

Bauanleitung für einen Nistkasten - Sie stammt aus der LBV-Nisthilfenbroschüre - www.lbv-shop.de - © LBV

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Möglichkeiten, dem Gartenrotschwanz zu helfen, gibt es viele. Die Pflege vorhandener Streuobstwiesen wird in vielen Fällen nur durch ehrenamtliche Helfer möglich. Ob es um die Arbeit mit der Sense oder die Obsternte und -vermarktung geht: Jung und Alt - jede helfende Hand wird gebraucht. Aber auch vor der eigenen Haustür kann man viel tun. Verzichtet man auf den Einsatz von Pestiziden im Garten, bleibt die Nahrungsgrundlage für den Gartenrotschwanz und andere Tiere erhalten. Offene Bodenstellen und Altgrasstreifen lassen sich in jedem Garten anlegen. Dazu noch Stein- und Asthaufen, und schon hat man einen Lebensraum, in dem sich der Gartenrotschwanz wohlfühlt. Oft fehlt es an geeigneten Bruthöhlen. Hier kann mit Nistkästen Abhilfe geschaffen werden. Der Gartenrotschwanz mit seinem schönen Gesang und seinen prachtvollen Farben kann ein Botschafter sein für all diejenigen Arten, die ähnliche Ansprüche an den Lebensraum stellen. Viele dieser Arten sind in ihren Beständen gefährdet. Hilft man dem Gartenrotschwanz, dann ist auch gleichzeitig den anderen Arten geholfen.

Männchen auf abgeschnittenem Baumstamm, vordere Seitenansicht, links zu sehen der schwarze, angelegte Flügel, rechts sind die Brustfedern zerzaust - Foto: © R. Rößner / www.birdpictures.de

Foto: © R. Rößner / www.birdpictures.de

Boris Jechow
Diplom-Biologe
Referat Artenschutz
Landesgeschäftsstelle Hilpoltstein
Tel. 09174-4775-36


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Quelle:
Vogelschutz - 4/2010, S. 6-9
Magazin für Arten- und Biotopschutz
mit freundlicher Genehmigung von
Autor, Fotografin, Fotografen sowie Herausgeber:
Landesbund für Vogelschutz in Bayern e.V. -
Verband für Arten- und Biotopschutz
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und erscheint vierteljährlich


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Februar 2011